Gesunde Arbeit

Unser Mann in Brüssel

Laurent Vogel ist ein gewerkschaftliches Urgestein. Er arbeitet seit 1990 beim Europäischen Gewerkschaftsinstitut in Brüssel und kennt die politischen Mechanismen der EU wie seine Westentasche. Gesunde Arbeit im Gespräch mit „unserem Mann in Brüssel“.
Laurent Vogel: „Wir versuchen, auf die Gesetzgebung in jeder Phase von der Vorbereitung bis zur Beschlussfassung Einfluss zu nehmen.“
Laurent Vogel, Europäischen Gewerkschaftsinstitut Laurent Vogel: „Wir versuchen, auf die Gesetzgebung in jeder Phase von der Vorbereitung bis zur Beschlussfassung Einfluss zu nehmen.“

Wie funktioniert Lobbying für den ArbeitnehmerInnenschutz in der EU?
Laurent Vogel: Ich mag den Begriff „Lobbying“ nicht so gerne. Man versteht darunter oft versteckte Einflussnahme für wirtschaftliche Interessen. Wir als Gewerkschaften hingegen versuchen, den Inhalt der EU-Gesetzgebung sehr offen zu beeinflussen. Alle unsere Positionspapiere sind öffentlich. Sie basieren auf unseren konkreten Erfahrungen mit Problemen, die ArbeitnehmerInnen haben. Wir versuchen, auf die Gesetzgebung in jeder Phase von der Vorbereitung bis zur Beschlussfassung Einfluss zu nehmen: durch Diskussionen im Beratenden Ausschuss für Sicherheit und Gesundheit; durch Kontakte mit den Abgeordneten des EU-Parlaments, um die Vorschläge der Kommission noch abzuändern; durch Kontakte zu den Mitgliedstaaten, damit sie die positiven Abänderungsanträge des EU-Parlaments unterstützen. Und wir können Allianzen schmieden. Viele Frauenorganisationen zum Beispiel wollen Brustkrebs verhindern. Wir wissen, dass bestimmte Expositionen am Arbeitsplatz durch krebserzeugende Arbeitsstoffe einen bedeutenden Anteil an Brustkrebs haben. Wir können für eine bessere Prävention am Arbeitsplatz kooperieren.

Was war bis jetzt euer größter Erfolg?
Laurent Vogel: Unser größter Erfolg ist die Novellierung der Karzinogene-Richtlinie. Der Vorschlag der Kommission aus 2016 war minimalistisch. Der Text, der im Dezember 2017 beschlossen wurde, ist viel besser. Wir konnten ihn in einigen Punkten substanziell verbessern. Bessere Grenzwerte für Chrom IV (circa eine Million ArbeitnehmerInnen sind in der EU exponiert) und Hartholzstaub (betrifft circa 3,3 Millionen ArbeitnehmerInnen). Die neue Richtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten, dass sie für jene ArbeitnehmerInnen eine Gesundheitsüberwachung anbieten, die krebserzeugenden Arbeitsstoffen ausgesetzt waren. Das ist ganz wichtig, denn Krebs kann auch noch nach 20 oder 30 Jahren entstehen. Wenn er früh entdeckt wird, ist die Wahrscheinlichkeit, ihn zu heilen, viel höher. Mit diesen Verbesserungen können jedes Jahr Tausende Leben von ArbeitnehmerInnen gerettet werden.

In welchen Bereichen wird es für die Zukunft viel Lobbying für den ArbeitnehmerInnenschutz brauchen?
Laurent Vogel: Die Novellierung der Karzinogene-Richtlinie ist ein langer und stetiger Prozess. Wir sollten damit fortsetzen, ihren Inhalt zu verbessern. Eine unserer Prioritäten ist, dass auch fortpflanzungsgefährdende Arbeitsstoffe in den Geltungsbereich der Richtlinie aufgenommen werden (das ist in der österreichischen Gesetzgebung bereits der Fall). Und wir müssen eine transparente Methode definieren, um Grenzwerte festzusetzen.
In anderen Bereichen des ArbeitnehmerInnenschutzes ist die Entstehung von neuer Gesetzgebung immer noch blockiert. Richtlinien zur Prävention von Muskel- und Skeletterkrankungen und von psychischen Belastungen wären für ArbeitnehmerInnen ganz wichtig. Keine entsprechende Gesetzgebung zu haben, bedeutet immer ein großes Hindernis für die Prävention. Und diese Situation befördert unfairen Wettbewerb zwischen Unternehmen, der für das Leben oder die Gesundheit von ArbeitnehmerInnen schädlich ist.

Ich danke für das Gespräch!
Interview: Ingrid Reifinger, ÖGB

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