Gesunde Arbeit

Arbeitsmedizin hilft in Lebenskrisen

ArbeitnehmerInnen im Gesundheitswesen sind oft sehr anstrengenden Arbeitsbedingungen ausgesetzt. Nachtarbeit, Schichtarbeit und vor allem der ständige Kontakt mit katastrophalen Lebensumständen führen die HelferInnen oft an den Rand ihrer Belastbarkeit. Kommt dann das eigene Leben ins Wanken, weil sich private Lebensumstände verschlechtern, greifen Menschen manchmal zu Suchtmitteln. Eine Arbeitsmedizinerin berichtet.
Menschen in Lebenskrisen brauchen Unterstützung und Hilfe.
Depressiver Mann Menschen in Lebenskrisen brauchen Unterstützung und Hilfe.

Eine Abwärtsspirale beginnt
Als Arbeitsmedizinerin in einem Unfallkrankenhaus hatte ich den traurigen Fall eines Kollegen zu betreuen, der nach seiner Scheidung sein Haus und auch zunehmend den Kontakt zu seinen Kindern verlor. Um diesen Schmerz und die Belastung durch ständige Nachtarbeit abzutöten, trank er regelmäßig Alkohol, sodass er einmal im Nachdienst nicht mehr arbeitsfähig war und den Dienst quittieren musste. Die KollegInnen, die sehr lange sein Fehlverhalten gedeckt hatten, meldeten sich bei mir und dem Betriebsrat.

Vom Leugnen zum Annehmen der Hilfe
Zuerst verleugnete der Betroffene sein Problem. Erst als wir alle zusammen mit der Führungskraft eine ambulante Entzugstherapie organisiert hatten, konnte er auch über seine privaten Lebensumstände sprechen. Mit berufsbegleitender Psychotherapie konnte der Kollege im Arbeitsprozess bleiben. Nachtdienste verrichtete er erst nach einem Jahr Unterbrechung wieder. So ist es uns schließlich gelungen, einen begabten und verdienten Mitarbeiter im Arbeitsprozess zu halten und erfolgreich seine Suchtbehandlung zu Ende zu bringen. Er arbeitet noch heute im Gesundheitswesen, hat aber später seinen Arbeitsbereich von der Akutversorgung Schwerverletzter in die Rehabilitation von Unfallopfern verlegt.

Gemeinsam unterstützen
Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, gemeinsam zu unterstützen und Lösungen zu finden. KollegInnen können nur eine gewisse Zeit Fehlverhalten und Ausfälle kompensieren oder decken. Spätestens wenn sie dies nicht mehr können, ist es wichtig, Rat und Unterstützung zu holen. BetriebsrätInnen und ArbeitsmedizinerInnen sind die richtigen AnsprechpartnerInnen. Das Ziel ist, die betroffene Person dabei zu unterstützen, eine Therapie zu machen. Der Weg zur erfolgreichen Beendigung einer Therapie kann oft Jahre in Anspruch nehmen. Rückschläge im Therapieverlauf sind häufig. Nicht vergessen werden darf, dass diese Zeit für die HelferInnen oft sehr belastend ist. BetriebsrätInnen und ArbeitsmedizinerInnen können bei dem/der ArbeitgeberIn anregen, dass im Betrieb eine Supervision für die KollegInnen angeboten wird. Oder es werden andere Möglichkeiten, wie beispielsweise moderierte Gruppengespräche, gefunden. Wichtig ist: Sowohl die Person in der Lebenskrise als auch die KollegInnen müssen wissen, dass sie nicht alleingelassen werden.

Dr.in Irene Tambornino
Fachärztin für Unfallchirurgie, Arbeitsmedizinerin

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