Gesunde Arbeit

„Ist die Gehirnschädigung unserer Tochter auf DMA zurückzuführen?“

Die Zeitschrift „HesaMag“ des Europäischen Gewerkschaftsinstituts (ETUI) berichtete in der Ausgabe 14/2016 über die gesundheitsschädigenden Auswirkungen des Lösungsmittels Dimethylacetamide (DMA), das in einem Unternehmen von DuPont in den Niederlanden zur Herstellung von Elasthan (Markenname „Lycra“) verwendet wurde. Wir bringen hier die persönliche Geschichte von Astrid Mussig, einer ehemaligen Arbeiterin von DuPont in Dordrecht.
Astrid Mussigs Tochter Sandrina kam mit einer schweren Gehirnschädigung zur Welt.
Astrid Mussig und ihre Tochter Sandrina Astrid Mussigs Tochter Sandrina kam mit einer schweren Gehirnschädigung zur Welt.

Name: Astrid Mussig
Alter: 46 Jahre
Exposition: fortpflanzungsgefährdendes Lösungsmittel DMA
Arbeitete von 1989 bis 2001 in der Lycra-Produktion von DuPont in Dordrecht, Niederlande

Gleich nach Schulabschluss ging Astrid Mussig in die Lycra-Fabrik arbeiten. Ihr Vater war damals bereits seit mehr als 20 Jahren bei DuPont. Ihr Lebensgefährte ist immer noch im Unternehmen, er arbeitet in der Teflon-Fabrik, in der lange Zeit Perfluoroctansäure, besser bekannt als C8, verwendet wurde.

Astrid arbeitete in der Spinnerei, wo sie die Spulen, die mit dem Lycra-Garn aus der Maschine kamen, sortierte. Sie legte auch das Garn, das noch Dämpfe abgegeben hat, in Schachteln. „Ich habe nie über meine vielen Fehlgeburten und Probleme, Kinder zu bekommen, nachgedacht“, sagt sie. „Erst dieses Jahr ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen. Ich habe im Fernsehen eine Dokumentation über die Lycra- und Teflon-Fabriken gesehen und welche Konsequenzen es hat, solch gefährlichen Lösungsmitteln ausgesetzt zu sein. Ich habe mich dann mit anderen ehemaligen ArbeiterInnen über Facebook vernetzt. Jetzt frage ich mich, ob das der Grund für die Gehirnschädigung unserer schwer behinderten Tochter ist. Ich habe in diesen Dämpfen bis zu ihrer Geburt gearbeitet. Wie kann es sein, dass uns die Neurologen seit 17 Jahren keine Diagnose für Sandrina geben können? Sie kann wegen Muskelschwäche kaum gehen und hat Schwierigkeiten zu sprechen. Sie ist auf dem Niveau einer Vierjährigen. Es ist erstaunlich, dass sie trotz alledem Schwimmen gelernt hat.“

Astrids Vater, Gerlof Meijer (69 Jahre), arbeitete für viele Jahre (bis 1999) als chemischer Analytiker im Labor bei DuPont. Während dieser Zeit hatte seine Frau eine Totgeburt im 6. Monat. Ihre Tochter Astrid wog bei der Geburt nur 1040 Gramm. Sie wurde erst mit einem halben Jahr aus dem Krankenhaus entlassen.
„Die fortpflanzungsgefährdenden Auswirkungen von DMA sind bekannt“, sagt er ganz realistisch. „Aber ich frage mich, ob das DuPont in Dordrecht tatsächlich gewusst hat. Es war die erste Lycra-Fabrik. Es gab weder Information, unsere Gesundheit und Sicherheit betreffend, noch Warnhinweise zu den Auswirkungen der Lösungsmittel. Die Unternehmenszentrale in den USA war jedoch sehr wahrscheinlich darüber informiert.“

Astrid erzählt, wie oft sie in Shorts und T-Shirts gearbeitet haben. Später erhielten sie Nomex-Schutzkleidung. „Sicherheit hatte Vorrang für DuPont. Das haben sie zumindest gesagt. Da gab es eine richtig amerikanische Unternehmenskultur. Anzeigetafeln beim Eingang zeigten die Anzahl von Stunden, die ohne einen Unfall vorüber gegangen waren. Wenn du ein geringes Sicherheitsrisiko oder ein kleineres Problem gesehen hast, dann hast du nichts sagen wollen, damit es sich nicht negativ auf die Sicherheitsaufzeichnungen auswirkt. Wir wurden regelmäßig medizinisch untersucht. Ich habe die Sicherheit niemals angezweifelt.“

Als Dupont im Begriff war, die Lycra-Fabrik Anfang 2000 zu verkaufen, ist Astrid auf ihren Wunsch hin ausgeschieden. Ihre zweite Tochter Faustina wurde 2002 ohne Probleme geboren. „Ich möchte gerne wissen, welchen Einfluss DMA gehabt hat, besonders weil es ja immer noch Lycra-Fabriken in Irland, China und Indonesien gibt, in denen ArbeiterInnen im fortpflanzungsfähigen Alter solch giftigen Lösungsmitteln ausgesetzt sind.“

Autor: Pien Heuts, Journalist

Die Zeitschrift „HesaMag“ des Europäischen Gewerkschaftsinstituts (ETUI) berichtete in der Ausgabe 14/2016 über die gesundheitsschädigenden Auswirkungen des Lösungsmittels Dimethylacetamide (DMA), das in einem Unternehmen von DuPont in den Niederlanden zur Herstellung von Lycra verwendet wurde.
Wir bringen die persönlichen Geschichten von mehreren Betroffenenen als Artikelserie.

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