Gesunde Arbeit

Vanadium – die Spitze des Eisberges

Vanadium ist ein gefährlicher Arbeitsstoff. Die ORF-Sendung „konkret“ deckte grobe Versäumnisse in der Prävention auf, unter Verweis auf einen AUVA-Report Nr. 45 aus dem Jahr 2007. In Deutschland ist Vanadium als krebserzeugend eingestuft und der Grenzwert auf ein Zehntel gesenkt. Bei uns nicht! Kein Einzelfall, sondern nur die Spitze des Eisberges. Wir haben dringend Aufholbedarf, um Gesundheitsgefährdungen zu minimieren und dem heutigen Stand des Wissens zu entsprechen.

Vanadium ist ein Nebenprodukt der Erdölraffinerie (Erdölasche, Rückstände in Boilern und Öfen) und kommt zur Anwendung beim Stahlhärten, als Katalysator in Chemikalien, in der Herstellung von Farbpigmenten (Vanadiumpentoxid), bei fotografischen Techniken und Insektiziden.

Vanadium ist krebserzeugend

Einfach den Kopf in den Sand zu stecken und nichts von etwaigen Gesundheitsgefahren wissen zu wollen, zeigt einmal mehr: Wir brauchen Schutzvorschriften am Puls der Zeit mit höherer Rechtssicherheit zum Schutz der Beschäftigten. Die renommierte Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) legt jährlich ihre Aktualisierungen für Grenzwerte vor. Sie gelten als wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse und wurden bis ins Jahr 2001 von uns übernommen. Die damalige Schwarz-blaue-Regierung hat die jährliche Übernahme neuer und aktualisierter Grenzwerte abgeschafft. Die aufgestauten Präventionsdefizite wurden bislang nicht abgearbeitet. Es ist Zeit, um mit hunderten Steinzeit-Grenzwerten Schluss zu machen, weil Arbeit nicht krank machen darf, und um an das deutsche Schutzniveau anzuschließen. Im Fall Vanadium wurde im Jahr 2005 der wissenschaftliche Nachweis hinreichend erbracht. Vanadium und seine anorganischen Verbindungen wurden im Tierversuch als krebserzeugend und als Keimzellenmutagen bewertet (Quelle: DFG, Pressemitteilung Nr. 46, 19.7.2005).

Die Informationen sind für interessierte Personen in der GESTIS-Stoffdatenbank (Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung) leicht zu finden. Dort steht zweifelsfrei „Krebserzeugend: Kategorie 2. Das sind Stoffe, die als krebserzeugend für den Menschen anzusehen sind, weil durch Ergebnisse aus Tierversuchen davon auszugehen ist, dass sie einen nennenswerten Beitrag zum Krebsrisiko leisten.“ Zudem ist der Stoff „Keimzellenmutagen: Kategorie 2“. Das bedeutet, dass dessen Wirkung anhand einer erhöhten Mutationsrate unter den Nachkommen exponierter Säugetiere nachgewiesen ist.

Für Vanadium gilt bei uns ein MAK-Wert von 0,5 mg/m3 E (einatembare Fraktion). In Deutschland gilt für Vanadiumverbindungen ein Arbeitsplatzgrenzwert von 0,005 mg/m3 A (alveolengängige Fraktion) und 0,030 mg/m3 E (einatembare Fraktion). Für das krebserzeugende Vanadium muss nach dem Stand der Technik alles getan werden, um die Emissionen so niedrig wie möglich zu halten.

Fünf Krebstote täglich sind viel zu viel

Krebserzeugende Arbeitsstoffe stellen eine massive Bedrohung für die Gesundheit von ArbeitnehmerInnen dar. Jedes Jahr sterben in der EU mehr als 100.000 Menschen an arbeitsbedingten Krebserkrankungen, in Österreich sind es jährlich mehr als 1.800 (Quelle: Europäisches Gewerkschaftsinstitut ETUI, 2015). Dies übersteigt die Anzahl an tödlichen Arbeitsunfällen um das Fünfzehnfache (120 Tote pro Jahr). Arbeitsbedingte Krebserkrankungen sind mit 52 % für mehr als die Hälfte aller arbeitsbedingten Todesfälle in der EU verantwortlich.

Grenzwertesystem heillos überaltert und lückenhaft

Das System der Bewertung krebserzeugender Arbeitsstoffe ist längst nicht mehr zeitgemäß. Unsere Grenzwerte für krebserzeugende Arbeitsstoffe entsprechen bei weitem nicht den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Bestehende Grenzwerte stammen teilweise aus den 1980er Jahren und wurden seither nicht mehr angepasst. Der Stand der Technik und der Wissenschaft haben sich aber weiterentwickelt, dies hätte berücksichtigt werden müssen. All das führt dazu, dass sich die ArbeitnehmerInnen scheinbar sicher fühlen, wenn die Grenzwerte eingehalten werden, was aber ein gefährlicher Trugschluss ist. Krebserzeugende Arbeitsstoffe kennen weitgehend keine Wirkschwelle, sie können bereits in geringster Dosis – auch unterhalb des Grenzwertes – krebserzeugend wirken.

AK und ÖGB verlangen daher eine Reform des ArbeitnehmerInnenschutzes mit dem Ziel, die Anforderungen der modernen Arbeitswelt abzubilden. Dafür braucht es bei krebserzeugenden Arbeitsstoffen ein modernes Grenzwerteregime. In Deutschland oder auch in den Niederlanden wurde das Grenzwertregime für krebserzeugende Arbeitsstoffe bereits vor Jahren auf risikobasierte Grenzwerte umgestellt. Sie bringen für die Unternehmen und besonders für die betroffenen ArbeitnehmerInnen mehr Transparenz über das Risiko, das mit krebserzeugenden Arbeitsstoffen einhergeht. Risikobasierte Grenzwerte sorgen also dafür, dass das Risiko an Krebs zu erkranken bei allen Arbeitsstoffen gleich niedrig anzusetzen ist.

Die Einführung von risikobasierten Grenzwerten für krebserzeugende Arbeitsstoffe und die Absenkung bestehender TRK-Werte wurde immer wieder eingefordert, weil uns jährlich 1.800 Todesfälle viel zu viel sind. Dazu bedarf es der Aufnahme von Grundsatzbestimmungen im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und einer Novelle der Grenzwerteverordnung. Es ist an der Zeit, ein modernes Grenzwertregime umzusetzen und bestehende Grenzwerte abzusenken. Nur so kann ein zeitgemäßer Schutz der ArbeitnehmerInnen sicherstellt werden. Auf Expertenebene liegt eine Sozialpartnereinigung zur Umsetzung und Einführung des Systems risikobasierter Grenzwerte vor. Das Sozialministerium zieht diese als Basis für eine Novellierung der Grenzwerteverordnung heran. Die geplante Novellierung soll zügig umgesetzt werden.

Bei den Grenzwerten von gesundheitsgefährdenden Arbeitsstoffen (MAK-Werten) wurde im Jahr 2001 vom bewährten Prinzip der Übernahme von Grenzwerten aus anderen europäischen Ländern ‒ insbesondere Deutschland ‒ abgegangen. Seit damals wurden auf Basis neuer toxikologischer und arbeitsmedizinischer Forschungsergebnisse für mindestens 500 weitere Arbeitsstoffe gesundheitsschädigende Wirkungen nachgewiesen. In der Folge wurden neue oder niedrigere Grenzwerte in diesen Ländern festgelegt. In Österreich besteht daher dringender Aufholbedarf, um mögliche Gesundheitsgefährdungen durch gesundheitsgefährdende Arbeitsstoffe zu minimieren und dem heutigen Stand des Wissens zu entsprechen.

Weiterführende Informationen:

ORF-Sendung „konkret“ vom 30.11.2017:
http://tvthek.orf.at/profile/konkret/13887640/konkret/13955348 (nicht mehr verfügbar)

Die GESTIS-Stoffdatenbank enthält Informationen für den sicheren Umgang mit Gefahrstoffen und anderen chemischen Stoffen am Arbeitsplatz, wie z. B. die Wirkungen der Stoffe auf den Menschen, die erforderlichen Schutzmaßnahmen und die Maßnahmen im Gefahrenfall (inkl. Erste Hilfe). Darüber hinaus wird der Nutzer über wichtige physikalisch-chemische Daten sowie über spezielle Regelungen zu den einzelnen Stoffen informiert, insbesondere zur Einstufung und Kennzeichnung nach GHS gemäß CLP-Verordnung (Piktogramme, H-Sätze, P-Sätze). Es sind Informationen zu etwa 9400 Stoffen enthalten. Die Pflege der Daten erfolgt zeitnah nach Veröffentlichung im Vorschriften- und Regelwerk oder nach Vorliegen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse.

GESTIS-Stoffdatenbank:
www.dguv.de/ifa/gestis/gestis-stoffdatenbank/index.jsp

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