Gesunde Arbeit

Krebserzeugende Arbeitsstoffe: Es besteht Handlungsbedarf!

Was den Umgang mit krebserzeugenden Arbeitsstoffen betrifft, ist noch viel Aufklärungsarbeit notwendig. Die Arbeitsinspektion führt zu diesem Thema derzeit einen österreichweiten Beratungs- und Kontrollschwerpunkt durch. Darüber hinaus wurde ein Konzept für risikobasierte Grenzwerte für 17 krebserzeugende Arbeitsstoffe entwickelt. Diese Beispiele zeigen: Die Arbeitsinspektion setzt sich für Verbesserungen im ArbeitnehmerInnenschutz und die Beseitigung vorhandener Defizite ein. Gesunde Arbeit im Gespräch mit Alexandra Marx vom Zentral-Arbeitsinspektorat.
Alexandra Marx
"Ziel ist es, die Betriebe für das Thema krebserzeugende Arbeitsstoffe zu sensibilisieren."
Bild von Alexandra Marx Alexandra Marx
Bild von Alexandra Marx "Ziel ist es, die Betriebe für das Thema krebserzeugende Arbeitsstoffe zu sensibilisieren."

Glückwunsch zu Ihrer Beförderung. Was kennzeichnet ihren bisherigen Weg?
Alexandra Marx: Vielen Dank! Nach meinem Studium der Rechtswissenschaften habe ich auch die Ausbildung zur Sicherheitsfachkraft absolviert. Als sich die Gelegenheit bot, im Zentral-Arbeitsinspektorat tätig zu werden, habe ich diese sofort ergriffen. Die Vielfältigkeit und Interdisziplinarität der Aufgaben haben mich von Anfang an begeistert. ArbeitnehmerInnenschutz steht oft im Brennpunkt divergierender Interessen: Verschiedene Gesichtspunkte verstehen, zu einem Ausgleich beitragen, das finde ich spannend. In meiner gesamten beruflichen Laufbahn haben mich meine Vorgesetzten immer unterstützt und gefördert.

Gefährliche Arbeitsstoffe: Wie widmet sich die Arbeitsinspektion diesem Thema?
Alexandra Marx: Derzeit wird ein österreichweiter Beratungs- und Kontrollschwerpunkt zu kanzerogenen Arbeitsstoffen durchgeführt. Im Jahr 2016 betrug der Anteil der von der AUVA anerkannten Krebserkrankungen an den Berufskrankheiten mit Todesfolge 58,1 Prozent. Eine internationale Studie zeigt, dass nur circa ein Zehntel der Krebserkrankungen, die durch Arbeitsstoffe verursacht wurden, auch als solche erkannt werden. Ziel des Schwerpunktes ist es also, Betriebe für das Thema zu sensibilisieren und so eine höhere Gesetzeskonformität zu erreichen. Es sollen potenzielle Risiken erkannt und minimiert sowie wirksame und sinnvolle Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Der Schwerpunkt wird im Rahmen der Österreichischen ArbeitnehmerInnenschutzstrategie gemeinsam mit der AUVA gesetzt, die branchenbezogenes Informationsmaterial zum Umgang mit krebserzeugenden Arbeitsstoffen entwickelt.
Im Rahmen unserer Aktion wurden Unternehmen besichtigt, denen bekannt ist, dass krebserzeugende Arbeitsstoffe verwendet werden. Interessanterweise hat rund ein Drittel dieser Betriebe keine Expositionsermittlung durchgeführt bzw. verfügt über keine Mess- oder Ermittlungsergebnisse. Ohne die konkrete Kenntnis der Exposition ist es aber schwierig, zielgerichtete Präventionsmaßnahmen zu setzen.
Noch im Jahr 2018 muss die EU-Richtlinie 2017/164 zur Festlegung einer vierten Liste von Arbeitsplatz-Richtgrenzwerten umgesetzt werden, bis Anfang 2020 ist die EU-Richtlinie 2017/2398 zu kanzerogenen Arbeitsstoffen umzusetzen.


Risikobasierte Grenzwerte: Was ist weiter zu erwarten?
Alexandra Marx: Für Arbeitsstoffe mit krebserzeugenden Eigenschaften können in der Regel keine Grenzwerte aufgestellt werden, bei deren Einhaltung keine Gesundheitsgefährdung befürchtet werden müsste. Die derzeitigen Grenzwerte für krebserzeugende Arbeitsstoffe sind Technische Richtkonzentrationen, TRK-Werte genannt. Sie sagen nichts über das Gesundheitsrisiko aus, sondern richten sich einzig nach einem Stand der Technik, indem sie die geringstmöglichen Stoffkonzentrationen angeben, die zum Zeitpunkt ihrer Festsetzung mit vertretbarem technischem Aufwand zu erreichen waren. Manche dieser Werte wurden schon vor etwa 30 Jahren festgelegt.
Mittlerweile sind zu einigen krebserzeugenden Arbeitsstoffen umfassende Daten sowie eine große Zahl wissenschaftlicher Studien verfügbar. Diese ermöglichen es, eine Beziehung zwischen der Höhe der Schadstoffkonzentration in der Luft am Arbeitsplatz und dem Risiko, an einer durch den Arbeitsstoff verursachten Krebserkrankung zu erkranken, abzuleiten. Durch diese Expositions-Risiko-Beziehung lässt sich die jeweilige Stoffkonzentration mit dem assoziierten Krebsrisiko verknüpfen. Das bildet die Grundlage zur Umsetzung von risikobasierten Grenzwerten. Nach aktuellem Stand der Wissenschaft ist das derzeit für 17 krebserzeugende Arbeitsstoffe konkret möglich.
Im vergangenen Jahr hat eine ExpertInnengruppe, bestehend aus Zentral-Arbeitsinspektorat, AUVA, Bundesarbeitskammer und WKO, unter Zugrundelegung von erprobten Modellen aus Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz, ein Konzept zur Umsetzung risikobasierter Grenzwerte entwickelt, dessen Umsetzung weiterverfolgt wird.


Österreich übernimmt im zweiten Halbjahr 2018 den EU-Ratsvorsitz: Was steht im ArbeitnehmerInnenschutz an?
Alexandra Marx:  Derzeit trägt die EU in ihrer Kampagne „Gesunde Arbeitsplätze – Gefährliche Arbeitsstoffe erkennen und handhaben“ 2018–2019 und der „Roadmap on Carcinogens: Amsterdam to Vienna“ 2016–2019 der Tatsache Rechnung, dass Beschäftigte im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit auch krebserzeugenden Arbeitsstoffen ausgesetzt sind. Im ArbeitnehmerInnenschutz wird also während des österreichischen EU-Ratsvorsitzes der Kampf gegen arbeitsbedingten Krebs im Fokus stehen. Es wird auf allen Ebenen Aktivitäten geben, zum Beispiel die Weiterentwicklung der EU-Rechtsvorschriften zu krebserzeugenden Arbeitsstoffen und ein vermehrter europaweiter Austausch zu dem Thema.

Abschließend noch eine Frage: Waren ArbeitsinspektorInnen tatsächlich mit Erlass angewiesen, dort Mängel zu finden, wo keine sind?
Alexandra Marx: Nein, selbstverständlich nicht. Ziel war es, dass die Auswahl der zu besichtigenden Unternehmen und die Vorgangsweise so erfolgen, dass Verbesserungen im ArbeitnehmerInnenschutz bewirkt und tatsächlich vorhandene Defizite behoben werden.

Ich danke für das Gespräch!
Interview: Hildegard Weinke, AK Wien

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