Gesunde Arbeit

Homeoffice gerecht gestalten

Österreich befindet sich mitten im zweiten Lockdown. Viele ArbeitnehmerInnen arbeiten wieder in den eigenen vier Wänden. Mobiles Arbeiten ist zwar kein neues Phänomen, hat aber mit den Schutzmaßnahmen rund um die Covid-19-Pandemie einen einzigartigen Höhepunkt erlebt.
Tücken des Homeoffice
76 % der ÖsterreicherInnen wollen nicht zum Homeoffice gezwungen werden.
Homeoffice: Kaum Verbesserung bei Ausstattung
Der AK-Ratgeber Homeoffice beantwortet wichtige Fragen rund um den Arbeitsplatz zu Hause.
Infografik Tücken des Homeoffice Tücken des Homeoffice
Infografik 76 % der ÖsterreicherInnen wollen nicht zum Homeoffice gezwungen werden. 76 % der ÖsterreicherInnen wollen nicht zum Homeoffice gezwungen werden.
Infografik: Homeoffice: Kaum Verbesserung bei Ausstattung Homeoffice: Kaum Verbesserung bei Ausstattung
Cover des AK-Ratgebers Homeoffice Der AK-Ratgeber Homeoffice beantwortet wichtige Fragen rund um den Arbeitsplatz zu Hause.

Noch vor Beginn der Pandemie haben rund 5 Prozent der ArbeitnehmerInnen in Österreich mobiles Arbeiten in ihrem Arbeitsalltag genutzt. Laut einer im Auftrag der AK durchgeführten IFES Erhebung im April und im Oktober 2020 haben rund 40 Prozent der ArbeitnehmerInnen im Homeoffice gearbeitet. Was hat sich seit dem ersten Lockdown beim Arbeiten zu Hause verändert? Wie ist es um die Infrastruktur bestellt? Und wie gestalten sich die Arbeitszeiten? Antworten auf diese und mehr Fragen hat das Meinungsforschungsinstitut IFES für die AK erhoben.

Auch im Homeoffice sind geltende Gesetze einzuhalten
Für viele Beschäftigte und Betriebe war Homeoffice eine neue Erfahrung, und Homeoffice war zweifelsfrei ein Instrument, um Arbeitsplätze zu erhalten. „Die Monate zwischen dem ersten Lockdown im März und Oktober sind leider nicht genutzt worden, um klare Regelungen und Rahmenbedingungen für das Arbeiten im Homeoffice zu schaffen. Das trifft sowohl auf die Betriebe als auch auf die Bundesregierung zu“, sagt AK Präsidentin Renate Anderl.

Die Debatte rund um das Thema Homeoffice verdeutlicht unmissverständlich: Homeoffice ist in vielen Berufsfeldern angekommen und wird auch nach der Krise verstärkt genutzt werden. Auf Basis der Erkenntnisse aus Theorie und Praxis müssen daher klare bestehende gesetzliche Regelungen eingehalten und zusätzliche geschaffen werden, um auch bei dieser Arbeitsform dauerhaft Gerechtigkeit und Rechtssicherheit zu gewährleisten.

Das Arbeitsministerium hat kürzlich Leitfäden zum Thema Homeoffice veröffentlicht, die leider auch nicht die nötige Klarheit und Sicherheit bringen. Aus Sicht der Arbeiterkammer fehlen beispielsweise Informationen zu geltendem Recht wie Arbeitszeitgesetz, Unfallversicherungsschutz oder Dienstnehmerhaftpflichtgesetz. „Beim Thema Homeoffice geht es nicht nur darum, Spielregeln zu vereinbaren, es geht darum, die geltenden Gesetze einzuhalten“, bekräftigt Anderl. In anderen Punkten, beispielsweise der Bereitstellung von Betriebsmitteln, vertritt die AK eine andere Rechtsmeinung, als im Leitfaden angeführt. „AK und ÖGB haben die Arbeitsministerin darum ersucht, die Leitfäden dringend mit Einbeziehung der Sozialpartner zu überarbeiten. Es muss hier wirklich rasch Klarheit und Sicherheit geben.“

Dass sich seit dem Frühjahr punkto Organisation und Vereinbarungen im Homeoffice wenig geändert hat, zeigen auch die Ergebnisse der Befragung durch IFES (n = 2.046, Oktober 2020). Nähere Details siehe Präsentation in der Anlage.


Wenig Veränderung seit März, Homeoffice mit Betriebsrat besser geregelt
„Rund 4 von 10 ArbeitnehmerInnen haben Homeoffice-Erfahrung, für die meisten davon war das eine neue Erfahrung wegen des ersten Lockdowns im Frühjahr“, berichtet Eva Zeglovits, Geschäftsführerin von IFES. Von den ArbeitnehmerInnen ohne Homeoffice-Erfahrung sagen die meisten, dass Homeoffice in ihrem Job, bei ihrer Tätigkeit einfach nicht möglich ist. Es gibt aber auch ArbeitnehmerInnen, die angeben, ihr Arbeitgeber unterstützt das nicht, oder die das von sich aus nicht wollen oder können.

„Zwei Dinge fallen bezüglich der technischen Ausstattung auf: Erstens sind Frauen im Vergleich zu Männern schlechter ausgestattet. Und zweitens gibt es seit dem Frühjahr kaum Verbesserungen. Hier ist die Zeit nicht genutzt worden, die ArbeitnehmerInnen mit dem wichtigsten Equipment auszustatten. Immer noch arbeiten sehr viele ArbeitnehmerInnen zuhause mit privater Ausstattung, egal ob das die Internetverbindung, das Telefon, der Monitor oder der Drucker ist.“


Offene Fragen endlich lösen
„Die Ergebnisse der Befragung und die Beratungserfahrungen der Arbeiterkammern in den vergangenen Monaten haben eines ganz deutlich gezeigt: Angesichts der Vielzahl an Problemen und offenen Fragen, die sich rund um mobiles Arbeiten stellen, muss es endlich Lösungen geben, die die Interessen der ArbeitnehmerInnen und der Betriebe abdecken – und zwar für die aktuelle Corona-Zeit und langfristig für danach“, sagt Anderl.

Die AK Präsidentin nennt ein paar wesentliche Eckpunkte: „Nicht alle ArbeitnehmerInnen können oder wollen im Homeoffice arbeiten. Im Fall von Homeoffice liegt es an den Arbeitgebern, für die nötige Infrastruktur zu sorgen. Es muss eine klare Trennung zwischen Homeoffice einerseits und anderen Aufenthalten in den eigenen vier Wänden, vor allem wegen Krankenstand oder um Kinder und Angehörige zu pflegen, geben – wie das ja auch der Fall ist, wenn man nicht im Homeoffice arbeitet.

Anderl: „Ich finde es erschütternd, dass 60 Prozent angeben, eher im Homeoffice zu arbeiten, als Pflegefreistellung zu nehmen und dass 56 Prozent eher krank von zuhause arbeiten als in Krankenstand zu gehen. Das geht nicht.“ Und für Anderl ist ganz klar: „Homeoffice und Kinderbetreuung geht nicht zusammen, da leiden die Eltern und die Kinder.“ Eine wichtige Rolle sieht Anderl bei den BetriebsrätInnen: „Die Befragung zeigt ganz deutlich, dass die Regelungen da besser sind, wo es BetriebsrätInnen gibt. Gute Instrumente der Mitbestimmung sorgen für Gerechtigkeit.“


Die Forderungen der AK

  • Mobiles Arbeiten muss auf Vereinbarung zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen beruhen. Für die Gewährleistung dieser Freiwilligkeit braucht es eine Verankerung einer Rücktrittsmöglichkeit ohne nachteilige Effekte. Deshalb muss ein entsprechender Arbeitsplatz im Unternehmen weiterhin sichergestellt werden. Werden ArbeitnehmerInnen aufgrund ihrer Weigerung von zu Hause aus zu arbeiten gekündigt, muss es eine Anfechtungsmöglichkeit geben.
  • Es muss einen erzwingbaren Betriebsvereinbarungstatbestand geben, mit zwingenden Mindestinhalten, zum Beispiel Aufteilung der Arbeitszeit zwischen Betrieb und Homeoffice, Regelungen zur Höhe von Kostenersätzen und Prozedere zum Rücktrittsrecht. In Betrieben ohne Betriebsrat soll eine einheitliche Mustervereinbarung zur Anwendung kommen.
  • Alle Arbeitsmittel wie Diensthandy, Computer und sonstige Erfordernisse sind von ArbeitgeberInnenseite dem Stand der Technik entsprechend zur Verfügung zu stellen. Für allfällige bei ArbeitnehmerInnen entstehende Schäden aus der Verwendung dieser Betriebsmittel hat der/die ArbeitgeberIn zu haften.
  • Bei Arbeitserbringung im Homeoffice muss ein angemessener Kostenersatz sichergestellt werden, um zusätzliche Kosten, die bei den ArbeitnehmerInnen entstehen, adäquat abzugelten.
  • Datenschutz, ebenso wie Datensicherheit und der Schutz der Privatsphäre sind im Rahmen des mobilen Arbeitens von großer Bedeutung. ArbeitgeberInnen trifft hier eine zentrale Verantwortung vor allem für die Umsetzung in technischer Hinsicht, aber auch hinsichtlich der Unterweisung der ArbeitnehmerInnen.
  • Die Gleichbehandlung von ArbeitnehmerInnen muss sichergestellt sein, insbesondere was den Zugang zu Telearbeit, Aufstiegs- und betrieblichen Weiterbildungsmöglichkeiten oder Arbeitszeitmodellen – wie etwa Gleitzeit – betrifft.
  • Im ArbeitnehmerInnenschutz müssen Präzisierungen für ergonomisches mobiles Arbeiten erfolgen, um auch bei diesen Arbeitsformen die arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Betreuung sicher zu stellen.
  • Eine Pflicht zur Arbeitsplatzevaluierung, mit besonderem Augenmerk auf die psychischen Belastungen, ist essentiell, ebenso wie die Unterweisung der ArbeitnehmerInnen etwa hinsichtlich ergonomischer Arbeitsplatzgestaltung bis hin zur Sensibilisierung für die Abgrenzung von Arbeit und Privatleben. Die Rolle der Präventivfachkräfte und ArbeitspsychologInnen muss dazu umfassend gestärkt werden.
  • Der Unfallversicherungsschutz für mobiles Arbeiten muss zeitlich unbefristet, angemessen und praxistauglich gestaltet werden.
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