Gesunde Arbeit

Gefühlswelt Arbeitswelt

Die Arbeit mit Menschen stellt eine psychische Belastung für ArbeitnehmerInnen dar. Diese sogenannte Interaktionsarbeit gilt es medial mehr zu diskutieren, stärker wertzuschätzen sowie auf betrieblicher Ebene aktiv und human zu gestalten.
ArbeitnehmerInnen müssen in ihrem Arbeitsalltag ihre Gefühle managen.
ArbeitnehmerInnen in der Alten- oder Krankenpflege müssen bei ihrer Tätigkeit mit den unterschiedlichsten Gefühlen ihrer PatientInnen umgehen.
Im Umgang mit KundInnen müssen ArbeitnehmerInnen häufig nicht nur die eigenen Emotionen, sondern auch die Gefühle der KundInnen managen.
Symbolbild ArbeitnehmerInnen müssen in ihrem Arbeitsalltag ihre Gefühle managen.
Pflegerin und ältere Patientin ArbeitnehmerInnen in der Alten- oder Krankenpflege müssen bei ihrer Tätigkeit mit den unterschiedlichsten Gefühlen ihrer PatientInnen umgehen.
Kundin und Kunde bei Helpdesk Im Umgang mit KundInnen müssen ArbeitnehmerInnen häufig nicht nur die eigenen Emotionen, sondern auch die Gefühle der KundInnen managen.

Mit Menschen zu arbeiten, kann sehr erfüllend und bereichernd sein. Doch jede Medaille hat zwei Seiten: Es kommt immer wieder vor, dass ArbeitnehmerInnen mit herausfordernden Situationen konfrontiert sind. Je nach Beruf und Tätigkeit können diese in unterschiedlicher Form und Häufigkeit auftreten.

Angelika K. ist Hospizbegleiterin. Dieser Beruf kann besonders herausfordernd sein, da man Menschen begegnet und begleitet, die mit ihrer Angst vor dem Sterben konfrontiert sind und mit ihrem Schicksal hadern. Ein wichtiger Teil von Angelikas Arbeit ist es, die Stimmung der PatientInnen zu verbessern, tiefgründige Gespräche zu führen oder einfach alltägliche Tätigkeiten auszuführen. Oft steht dabei die Sinnfrage im Zentrum: Warum habe ich diese Krankheit? Wieso passiert mir das? Was genau an einem Arbeitstag ansteht, ist jedoch bis zum Eintreffen im Hospiz völlig unklar. Angelika trifft ihre PatientInnen oft in sehr unterschiedlichen Gefühlsstadien an: von hoffnungsvoll bis traurig, in einem Tief, apathisch, in schlechter Stimmung oder auch bei bester Laune. Was auf sie zukommt, weiß sie vorab nie.

Herbert S. arbeitet in einem Reisebüro. Der Umgang mit KundInnen und deren Beratung gehört zu seinem Arbeitsalltag. Ein Großteil seiner KundInnen ist sehr umgänglich und aufgrund des anstehenden Urlaubs äußerst positiv gestimmt. Doch hin und wieder gibt es auch KundInnen, die nicht so freundlich sind, die sich im Ton vergreifen oder sich lauthals beschweren. Dies hat im Zuge der Corona-Pandemie deutlich zugenommen. Durch gestrichene Flüge und zahlreiche Reiseeinschränkungen hat sich bei ihnen einiges an Frust angestaut, den auch er hin und wieder zu spüren bekommt, wenn Umbuchungen und Stornierungen nötig werden.

Ähnlich ist es bei Sabine M. Sie ist als Reiseleiterin für einen großen Reisekonzern tätig. Während ihres mehrmonatigen Einsatzes in einem Zielgebiet betreut sie dort unterschiedliche Hotels, verkauft den Gästen Ausflüge und hat fixe Sprechstunden in den Hotels, wo sie als Ansprechperson bei allerlei Anliegen und Beschwerden zur Verfügung steht. Auch zu ihrem Arbeitsalltag gehören des Öfteren schwierige KundInnen, die sich über ihr Zimmer bzw. dessen Zustand oder Lage beschweren, die unzufrieden mit dem Essen sind oder eine Diskrepanz zwischen der Hotelbeschreibung im Katalog und der tatsächlich vorgefundenen Situation sehen. Während ihrer Laufbahn als Reiseleiterin war sie bereits mit den unterschiedlichsten Gästetypen konfrontiert: von ruhig und sachlich bis hin zu extrem verärgert, aufbrausend und wütend. Oft fällt es ihr dabei schwer, die Ruhe zu bewahren, weiterhin freundlich zu bleiben und in Ausnahmesituationen jene Professionalität an den Tag zu legen, die von ihr in dieser Position erwartet wird.

Die Beispiele zeigen drei der zahlreichen Branchen und Berufsfelder, in denen die Psyche der ArbeitnehmerInnen besonders stark gefordert wird. Diese Art der Tätigkeiten, bei denen die Arbeit mit Menschen im Vordergrund steht, wird allgemein unter dem Begriff Interaktionsarbeit zusammengefasst. Doch was genau versteht man darunter? Welche Unterschiede gibt es zwischen Gefühlsarbeit und Emotionsarbeit? Wie sieht die psychische Belastung in diesen Bereichen aus? Und was kann zum Schutz der ArbeitnehmerInnen präventiv sowie im Akutfall unternommen werden?


Gefühls- versus Emotionsarbeit
Grundsätzlich fasst die Interaktionsarbeit zwei große Teilbereiche zusammen, die im Zuge der Arbeit mit Menschen eine wichtige Rolle spielen: die Gefühls- und die Emotionsarbeit. Unter Gefühlsarbeit lassen sich jene Berufe mit viel menschlicher Interaktion subsumieren, bei denen es vor allem auch darum geht, mit den Gefühlen anderer zu arbeiten. Das trifft beispielsweise bei einer Pflegekraft zu, die sich um eine oder mehrere Personen kümmert und für deren Wohlbefinden sowohl auf körperlicher als auch auf psychischer Ebene sorgt. Sie ist damit u. a. dafür verantwortlich, in dieser Arbeitsbeziehung eine positive Stimmung zu erzeugen. Auch im Falle von Angelikas Arbeit als Hospizbegleiterin steht viel Gefühlsarbeit auf der Tagesordnung.

Von Emotionsarbeit spricht man dann, wenn es darum geht, die eigenen Gefühle zu managen. Das trifft beispielsweise auf ArbeitnehmerInnen im Verkauf, in der Hotellerie oder im Gastgewerbe zu, aber auch bei FlugbegleiterInnen. Denn in diesen Branchen sind ein freundliches Auftreten, das Lächeln den KundInnen gegenüber und das In-den-Hintergrund-Drängen der eigenen Emotionen Teil der Arbeitsanforderungen. Hier Ärger, Wut oder Trauer zu zeigen, ist unangemessen und wird weder vom Arbeitgeber/von der Arbeitgeberin toleriert noch von den KundInnen gerne gesehen.

In der Praxis sind häufig sowohl Gefühls- als auch Emotionsarbeit im Spiel, da diese meist gar nicht so klar getrennt werden können. Man stelle sich beispielsweise folgende Situation vor: Ein Verkaufsmitarbeiter räumt im Supermarkt ein Regal ein. Während dieser Tätigkeit kommt ein verärgerter Kunde auf ihn zu, der ihn anschreit, weil keine frischen Semmeln mehr verfügbar sind. Hier muss der Arbeitnehmer – der sich vielleicht innerlich ärgert, dass er diesem Wutausbruch jetzt ausgesetzt ist, und am liebsten einfach zurückschreien würde – einerseits mit seinen eigenen Emotionen, die er in diesem Moment empfindet, arbeiten, sich selbst beruhigen und das freundliche Verhalten an den Tag legen, das sein Arbeitgeber/seine Arbeitgeberin von ihm fordert. Andererseits muss er auch mit den Gefühlen des Kunden arbeiten, diesen beruhigen und besänftigen, Alternativen aufzeigen und/oder eine Lösung für dessen Problem finden. Dieses Beispiel zeigt sehr gut, wie Emotions- und Gefühlsarbeit oft Hand in Hand gehen.


Auswirkungen von Emotionsarbeit
Emotionsarbeit kann sowohl eine positive als auch eine negative Wirkung haben. Eine schwierige Situation souverän und gelassen zu meistern, kann durchaus motivierend und zufriedenstellend sein. Häufig ist es jedoch so, dass ArbeitnehmerInnen ihre wahren Emotionen in den Hintergrund rücken müssen und stattdessen eine Rolle spielen. Sie werden angehalten, den KundInnen mit einem Lächeln zu begegnen und stets freundlich zu sein, egal wie es ihnen in diesem Moment selbst geht. Genau darin liegt das Problem, denn eine Rolle zu spielen kann überaus anstrengend sein. Dies hat auch die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) erkannt: „Wenn Beschäftigte häufig und über längere Zeit Gefühle zeigen müssen, die sie nicht empfinden, kann Emotionsarbeit durchaus negative Folgen haben“, heißt es in einem ihrer Berichte über Emotionsarbeit. In diesem Fall spricht man von einer sogenannten emotionalen Dissonanz. Die DGUV verweist zudem darauf, dass diese emotionale Dissonanz zu emotionaler Erschöpfung führen bzw. mit einer zynischen und distanzierten Grundhaltung gegenüber der eigenen Arbeit einhergehen kann – beides Kernsymptome des Burn-out-Syndroms. Als weitere Folgen von Emotionsarbeit identifizierte die amerikanische Professorin Arlie Russell Hochschild im Rahmen einer Studie unter FlugbegleiterInnen und KontrolleurInnen Kopfschmerzen, Substanzmissbrauch, Absentismus und sexuelle Störungen.

Fehlende mediale Aufmerksamkeit
Eine grundlegende Problematik der Gefühls- und Emotionsarbeit stellt die Tatsache dar, dass diesen Themengebieten vergleichsweise wenig mediale Aufmerksamkeit zukommt. Freundlichkeit, Empathie und Anteilnahme werden in vielen Berufen als Selbstverständlichkeit angesehen und dementsprechend auch vorausgesetzt. Dabei wird oft vergessen, dass auch diese Anforderungen Arbeit darstellen und dass damit Anstrengungen verbunden sind.

Emotionsarbeit gestalten
Insbesondere in Branchen und Berufen, bei denen die emotionale Belastung während der Arbeit sehr hoch ist, sind ArbeitgeberInnen im Zuge ihrer Fürsorgepflicht dazu angehalten, die Arbeit entsprechend zu humanisieren und zu gestalten.

Zwar können Seminare und Coachings, Resilienztrainings und Supervision dazu beitragen, dass Beschäftigte lernen, mit den Belastungen umzugehen, doch das allein ist zu wenig. Stattdessen sind Maßnahmen nötig, die an der Wurzel ansetzen. Das Ziel sollte nicht sein, dass Menschen sich an die Arbeit anpassen müssen, sondern dass sich die Arbeit ein Stück weit an die Menschen anpasst.

Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten: Einen Aspekt stellt die Begrenzung der Exposition dar. Darunter versteht man die Dauer, die ArbeitnehmerInnen der herausfordernden Emotions- und Gefühlsarbeit ausgesetzt sind. Um diese zu verkürzen, eignet sich beispielsweise Wechselarbeit, also dass sich die Emotionsarbeit nicht über die gesamte tägliche Arbeitszeit erstreckt, sondern mit anderen Tätigkeiten abgewechselt werden kann. Das Einräumen von Pausen und Rückzugsmöglichkeiten ist in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung – und zwar nicht erst dann, wenn bereits Erschöpfung auftritt. Zudem haben mehrere kürzere Pausen einen höheren Erholungseffekt. Auch die Stärkung eines positiven Betriebsklimas trägt dazu bei, mit belastenden Situationen besser umgehen zu können. Unter anderem helfen kollegialer Austausch, Offenheit, Vertrauen und Wertschätzung. Hierbei spielen Führungskräfte eine zentrale Rolle.

In vielen Bereichen ist der Kunde zwar König, doch es darf nicht nur darum gehen, die KundInneninteressen zu optimieren. Vielmehr braucht es gut gestaltete Arbeitsbedingungen, die Wertschätzung von Emotions- und Gefühlsarbeit und das Respektieren klarer Grenzen, wenn es um das Wohl der ArbeitnehmerInnen geht.

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