Gesunde Arbeit

Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren: „Der deutsche Weg ist der richtige“

Im Vorfeld des Gipfeltreffens vieler ExpertInnen am Forum Prävention 2022 bat die „Gesunde Arbeit“ den stellvertretenden Generaldirektor der AUVA, Jan Pazourek, um ein Interview und fragte bei dieser Gelegenheit nach, wie es um die Zukunft der AUVA steht.
Jan Pazourek: „In der ‚Arbeitswelt 4.0‘ spielen häufig Krankheiten eine Rolle, die nicht allein, aber maßgeblich auch durch die Arbeitswelt verursacht sind.“
Jan Pazourek: „Im Regierungspro­gramm wurde eine Modernisierung der Berufskrankheitenliste versprochen. Die AUVA hat dazu eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet und diese gut begründet.“
Jan Pazourek Jan Pazourek: „In der ‚Arbeitswelt 4.0‘ spielen häufig Krankheiten eine Rolle, die nicht allein, aber maßgeblich auch durch die Arbeitswelt verursacht sind.“
Jan Pazourek Jan Pazourek: „Im Regierungspro­gramm wurde eine Modernisierung der Berufskrankheitenliste versprochen. Die AUVA hat dazu eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet und diese gut begründet.“

Das Forum Prävention ist ein wichtiger Treffpunkt für alle in der betrieblichen Prävention engagierten Personen. Was sind heuer die Highlights?
Ja, das ist richtig. Das Forum Prävention hat sich längst als „die“ Fachveranstaltung in Österreich etabliert. Wir konnten in den Jahren vor der Pandemie in Wien und Innsbruck immer mehr als 1.000 TeilnehmerInnen begrüßen. Auch die im Jahr 2021 coronabedingt hybrid durchgeführte Veranstaltung war sehr erfolgreich. Heuer findet das Forum Prävention vom 17. bis 19. Mai wieder als Hybridveranstaltung in Innsbruck statt. Die Themenschwerpunkte bei der diesjährigen Veranstaltung lauten: Wie können wir Lehrlinge und junge ArbeitnehmerInnen für Sicherheit und Gesundheit begeistern? Und: Welche (Gesundheits-)Folgen haben Homeoffice, Mobile Office etc., und welche präventiven Ansätze gibt es?

Darüber hinaus starten wir beim Forum Prävention den Präventionsschwerpunkt „Komm gut an“ zur Erhöhung der Verkehrssicherheit bei der Arbeit. Unfälle im Verkehr gefährden Menschenleben wie sonst keine andere Quelle in der Arbeitswelt. Vor der Pandemie, also 2019, wurden rund 10.000 Erwerbstätige bei Verkehrsunfällen verletzt. Der Boom mobiler Arbeit durch Lieferdienste oder Heimpflege sowie neue Mobilitätsformen – auch im Werksverkehr – verschärfen die Problematik weiter.


Die Prävention ist gesetzlich limitiert auf Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Warum nimmt sich die AUVA nicht Deutschland als Vorbild und kümmert sich nicht auch um arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren?
Die Arbeitswelt hat sich in den letzten 30 Jahren massiv verändert. Damit haben sich auch die gesundheitlichen Belastungen bei der Arbeit massiv verändert. Es ist Aufgabe der AUVA, sich auf diese geänderte Risikolage einzustellen und ihre Angebote proaktiv darauf auszurichten. In der „Arbeitswelt 4.0“ spielen häufig Krankheiten eine Rolle, die nicht allein, aber maßgeblich auch durch die Arbeitswelt verursacht sind. Ich denke daher, dass der deutsche Weg der richtige ist und Österreich hier nicht nachstehen sollte. Der Nutzen läge dabei nicht allein bei den ArbeitnehmerInnen, sondern maßgeblich auch bei den ArbeitgeberInnen durch geringere Fehlzeiten und erhöhte Produktivität.

Die Berufskrankheitenliste ist veraltet und gehört modernisiert, so die Position der AUVA. Wann ist mit welchen Fortschritten zu rechnen?
Diese Frage ist an die Politik zu richten. Im Regierungsprogramm ist eine Modernisierung versprochen. Die AUVA hat dazu eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet und diese gut begründet. Vor allem bei den berufsbedingten Krebserkrankungen besteht Handlungsbedarf (weißer Hautkrebs, Ovarialkarzinom, Blasenkrebs). In Frankreich gibt es dreimal so viele anerkannte Krebs-Berufskrankheiten pro Beschäftigungsverhältnis als in Österreich, in Deutschland sogar fünfmal so viele. Wichtig wäre auch die Etablierung eines wissenschaftlichen Sachverständigenbeirates zur regelmäßigen Wartung und Aktualisierung der Liste.

Gewerkschaften und Arbeiterkammern fordern die Anerkennung von COVID-19 als Berufskrankheit für alle Branchen. Kann das die AUVA stemmen?
In einer Pandemie sollten die ArbeitnehmerInnen in jenen Arbeitsbereichen einen besonderen Schutz haben, wo das Risiko, sich anzustecken, höher ist als im normalen Alltagsleben, und darüber hinaus überall dort, wo eine Ansteckung am Arbeitsplatz durch eine infizierte Kontaktperson verursacht ist. Das sollte bei einer gesetzlichen Anpassung im Vordergrund stehen. Erst dann stellt sich die Frage der administrativen Umsetzung. Ich denke, die AUVA hat bisher gezeigt, dass sie auch in unerwarteten Situationen rasch und flexibel reagieren kann und in Ausnahmesituationen eine gute Performance abliefert.

Mit welchen Rehabilitationsangeboten können von Long COVID geplagte ArbeitnehmerInnen heute und künftig rechnen?
Die Sozialversicherungsfamilie hat sehr rasch auf diese neue Herausforderung reagiert. So sind etwa die Rehabilitationsangebote der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) sehr schnell und strukturiert auf Long COVID eingestellt worden. Auch die Abteilung für Berufskrankheiten und Arbeitsmedizin an unserer AUVA-Rehabilitationsklinik Tobelbad hat sich der gezielten individuellen Rehabilitationsbehandlung der COVID-19-Folgen angenommen. Natürlich verfolgen unsere SpezialistInnen die nationale und internationale Forschung auf diesem Gebiet und arbeiten daran aktiv mit. Neue Erkenntnisse werden laufend Eingang in das Rehabilitationsangebot der AUVA finden.

Wenden wir uns AUVAsicher zu. Was sind die nächsten Ausbauschritte, um die stagnierende Betreuungsquote von 58 Prozent anzuheben?
Als AUVAsicher gegründet wurde, war es unser Ziel, möglichst vielen ArbeitgeberInnen von Kleinbetrieben die Möglichkeit zu geben, unser Angebot für eine sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung zu nutzen. Das damalige Ziel war es, einen Marktanteil von zwei Drittel der betreubaren Arbeitsstätten zu erreichen. In den Betriebsgrößen mit mehr als zehn ArbeitnehmerInnen haben wir dieses Ziel erreicht und übertroffen. Heute sind bei AUVAsicher rund 115.000 Arbeitsstätten zur Betreuung angemeldet.

Wir haben beschlossen, die Ziele von AUVAsicher noch mehr auf Qualität, Wirksamkeit und KundInnenorientierung auszulegen. Wir befragen die von uns betreuten ArbeitgeberInnen hinsichtlich der Zufriedenheit und der wahrgenommenen Wirksamkeit und geben dieses Feedback durch gezielte Maßnahmen zurück an unsere Expertinnen und Experten.

Wir haben AUVAsicher nach mehr als 20 Jahren nun organisatorisch zu einer eigenständigen Abteilung der Hauptstelle aufgewertet und AUVAsicher damit auch den entsprechenden Status als Kernbereich der AUVA zugemessen. Die nächsten Projekte sind die Verbesserung der Erstbetreuung und die raschere Anlassbetreuung.


Vielen Dank für das Gespräch!
Interview: Alexander Heider, AK Wien

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