Gesunde Arbeit

Die zwei Gesichter der Resilienz

Der Begriff der Resilienz ist in aller Munde – krisenfit durch die (Arbeits-)Welt zu steuern, ist das vielfach beschworene Ziel. Eine Schlagseite wird jedoch oft übersehen: bestmögliche Anpassung statt Veränderung misslicher Strukturen.
Widerstandsfähig bis zum Untergang – ist das sinnvoll?
Segelboot am Meer bei starkem Seegang Widerstandsfähig bis zum Untergang – ist das sinnvoll?

Anpassungsfähig, geschmeidig, flexibel und gelassen in allen Lebenslagen – egal wie widrig die Umstände rundherum auch sind: Resilienz ist im Trend. Eine schier unerschöpfliche Flut an Ratgebern und Seminaren weist den Weg zur individuell besseren Krisenfitness und Überwindung von persönlichen Defiziten. Der gemeinsame Tenor: Auch Sie können Ihre persönliche Widerstandsfähigkeit maximieren – denn was Sie nicht umbringt, macht Sie stärker. Egal wie sehr der Sturm braust und wie rau die See auch sein mag – auf dem Schiff Ihres Lebens sind nun mal nur Sie selbst Steuermann bzw. Steuerfrau.

Aber: Halten diese Versprechen? Und: Was steckt eigentlich hinter dem Begriff Resilienz?


Resilienz mit Schlagseite
Psychische Resilienz meint die Widerstandsfähigkeit eines Menschen, sich trotz ungünstiger Lebensumstände oder kritischer Lebensereignisse erfolgreich zu entwickeln. Fast jeder Mensch gerät leider irgendwann im Leben in persönlich schwieriges Fahrwasser. Gut, wenn man dann den Anker werfen, auf eigene stabile psychische Ressourcen zählen und schließlich ausgestattet mit Lernerfahrungen gestärkt die Lebensreise fortsetzen kann.

Das zweite Gesicht der Resilienz hat jedoch Schlagseite: So treiben strukturelle Probleme der Arbeitswelt, wie kontinuierlich steigende Anforderungen, dauernder Zeitdruck, verdichtete Arbeit, Personalmangel u. v. m. immer mehr ArbeitnehmerInnen in Krankheit und Burn-out.

Trotzdem: Nicht die Ursache – also die Arbeitsbedingungen – steht meist im Fokus und auf der politischen Agenda. Die „Verantwortung“ und die „Schuld“ für den gesundheitlichen Schiffbruch wird individuell auf den einzelnen betroffenen Menschen übertragen, der zu wenig Resilienz gelernt und sein Potenzial in dieser Hinsicht nicht ausreichend ausgeschöpft hat.

Kurz und knapp: Es geht hier darum, möglichst widerstandsfähig zu werden, um sich bestmöglich an missliche Strukturen oder Machtverhältnisse anzupassen, und nicht darum, diese zu verändern.


Meuterei tut not
Ist es aber wirklich sinnvoll, dass wir uns an ungünstige Bedingungen anpassen – letztlich oft um den Preis von Krankheit und Leid? Und vor allem: Wäre es nicht deutlich zielführender, das Ruder herumzureißen und die zugrunde liegenden Ursachen gesellschaftlich anzupacken?

Meuterei etwa? Das hieße zunächst am Glanz der Galionsfigur unendlich geglaubter Widerstandsfähigkeit zu kratzen und das fein gesponnene Seemannsgarn von persönlicher Verantwortung für gesellschaftlich zu lösende Probleme zu entwirren. In letzter Konsequenz jedoch auch: die Segel neu zu setzen und von den tatsächlich Verantwortlichen konkrete Maßnahmen im Hinblick auf verbesserungswürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen einzufordern.

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