Gesunde Arbeit

Die betriebliche Prävention darf finanziell nicht ausbluten

Heute ist ein schlechter Tag für die betriebliche Prävention und die AUVA. Im Fahrwasser des Entlastungspakets verkündete die Bundesregierung eine weitere Senkung des Unfallversicherungsbeitrages – 125 Millionen Euro zugunsten der ArbeitgeberInnen. Das gesamte Präventionsangebot der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) wird mit einem Schlag gefährdet. Zudem stehen noch viele Zuerkennungen von Berufskrankheiten wegen Long COVID aus. Hat die Bundesregierung aus der Coronapandemie nichts gelernt?
Die AUVA stellt mit ihren vier Säulen Prävention, Unfallheilbehandlung einschließlich medizinischer Rehabilitation, beruflicher und sozialer Rehabilitation und Rentenleistung – gemäß dem Grundsatz „Alles aus einer Hand“ – ein System dar, in dem die einzelnen Bereiche zum Nutzen der Versicherten zusammenwirken und voneinander lernen. Für die österreichischen Unternehmen ist die AUVA nicht nur starke Partnerin bei der Arbeitssicherheit und im ArbeitnehmerInnenschutz, sondern auch konkurrenzlos günstige Haftpflichtversicherung gegen Ansprüche zu Schaden gekommener Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. 
 
Nun beabsichtigt die Bundesregierung die Senkung des Unfallversicherungsbeitrages um 0,1 Prozent von 1,2 Prozent auf 1,1 Prozent. Die Arbeitssicherheit, Unfallversorgung und die Zuerkennung von Berufskrankheiten wird durch das finanzielle Aushungern der AUVA gefährdet. „Den Unfallversicherungsbeitrag auf Kosten der Gesundheitskasse zu senken ist fatal und wird das Finanzproblem der ÖGK noch verschärfen“, zeigte sich die GPA-Vorsitzende Barbara Teiber in ihrer ersten Reaktion erschüttert. Vielmehr brauchen wir eine gesetzliche Grundlage für die Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren durch die AUVA und die Erweiterung der Berufskrankheitsliste.
 
Besser: COVID-19 soll Berufskrankheit werden
Bis Ende Mai 2022 waren 27.045 Anträge auf Anerkennung einer COVID-19-Infektion als Berufskrankheit bei der AUVA gestellt. Bisher wurden 15.655 Fälle erledigt. Nur jeder zweite Fall wurde positiv entschieden. Die Arbeiterkammer warnte erst kürzlich vor den Folgen: „Die fehlende soziale Absicherung, vor allem für Menschen, die sich im Betrieb angesteckt haben, wird immer deutlicher sichtbar.” Wer sich am Arbeitsplatz infiziert hat und monatelang nach überstandener Krankheit aufgrund von Long COVID immer noch nicht arbeiten kann, soll ein Recht auf Anerkennung der Infektion als Berufskrankheit oder Arbeitsunfall haben. Derzeit wird COVID-19 als Berufskrankheit nur in wenigen Branchen anerkannt – wie zum Beispiel im Pflegebereich. 
 
Besser: Die AUVA-Prävention ausbauen. Das bringt Bares und mehr Gesundheit 
Arbeitsbedingte Erkrankungen, insbesondere Muskel-Skelett-Erkrankungen, psychische Erkrankungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, nehmen zu und belasten durch hohe Kosten unser Gesundheitssystem. Jährlich 9,9 Milliarden Euro sind kein Pappenstiel. Die Prävention und Reduktion von arbeitsbedingten Belastungen und Erkrankungen sind dementsprechend in der österreichischen ArbeitnehmerInnenschutzstrategie 2021 bis 2027 ein grundlegendes Ziel. Moderne Präventionsstrategien des Sicherheits- und Gesundheitsschutzes folgen heute einem ganzheitlichen und damit nachhaltigen Ansatz: Sie beziehen – neben der Verhütung/Prävention von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten – auch arbeitsbedingte Belastungen und Erkrankungen umfassend in ihr Präventionskonzept mit ein.
 
Die AUVA verfügt jedoch über keinen gesetzlichen Auftrag, die dringend notwendigen Präventionsstrategien zur Verhütung arbeitsbedingter Belastungen und Erkrankungen aktiv zu entwickeln und umzusetzen zu können. Die deutschen Berufsgenossenschaften sind uns hier weit voraus: Sie sind seit langer Zeit mit diesen zielführenden und wirksamen Kompetenzen ausgestattet. Die Erweiterung des gesetzlichen Präventionsauftrags in §§ 185 bis 188a ASVG auf alle arbeitsbezogenen Gesundheitsgefahren ist überfällig. Neben der Vermeidung von Kosten und Leid werden hierdurch auch umfassende Schulungs-, Informations- und Betreuungsangebote für Betriebe jeder Größe sowie vermehrt angewandte Forschung auf hohem Niveau ermöglicht.
 
Besser: Das Angebot von „AUVAsicher“ ausbauen
Mit dem Präventionsmodell „AUVAsicher“ zielt die AUVA auf die Hebung des ArbeitnehmerInnenschutzes in Klein- und Mittelbetrieben ab und bietet für Arbeitsstätten mit bis zu 50 Beschäftigten eine kostenlose sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung an. Beschäftigte in Arbeitsstätten mit weniger als 50 Beschäftigten sind jedoch benachteiligt, weil lediglich Begehungen durch Präventivfachkräfte verlangt sind. Beschäftigte in kleinen Arbeitsstätten haben jedoch das gleiche umfassende Recht auf menschengerechte Arbeitsbedingungen wie jene ArbeitnehmerInnen, die in größeren Arbeitsstätten tätig sind. Überdies erfordern die vielfältigen psychischen Arbeitsbelastungen die Erweiterung des Präventionsangebotes um die arbeitspsychologische Betreuung. 
 
Für die Verbesserung der Präventionsstandards sollen Präventionszeiten bereits in Arbeitsstätten ab 11 ArbeitnehmerInnen zur Anwendung kommen – wie das in Deutschland seit 2011 der Fall ist und von den Berufsgenossenschaften umgesetzt wird. Für Arbeitsstätten mit weniger als 11 Beschäftigten ist die Beratung zu intensivieren. Insgesamt ist das Angebot und die Qualität von „AUVAsicher“ weiter auszubauen und hat sicherheitstechnische, arbeitsmedizinische sowie arbeits- und organisationspsychologische Aspekte abzudecken. Hierfür sind ausreichend personelle Ressourcen bereitzustellen.
 
Viel Luft nach oben
Die hier beschriebenen Entfaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten für die AUVA insbesondere für die betriebliche Prävention machen klar: Es gibt noch viel Luft nach oben, wenn Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz in Zukunft kein Feigenblatt-Dasein fristen soll.
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