Risikofaktor Hitze
Bereits ab Raumlufttemperaturen von 26 Grad sind körperliches und geistiges Arbeiten und Lernen nur eingeschränkt möglich. Ab 30 Grad sinken Reaktionsgeschwindigkeit und Koordinationsfähigkeit um ein Viertel, und bei 35 Grad ist mit 50 Prozent Leistungseinbuße zu rechnen – fast so, als würde man betrunken arbeiten. Im Bauwesen werden in den wärmsten Monaten auch die höchsten Unfallraten verzeichnet. Im Juli steigt die Zahl der Unfälle im Jahresvergleich um circa zehn Prozent. Auch Verkehrsunfälle im Ortsgebiet häufen sich bei Hitze.
An sich sind ArbeitgeberInnen verpflichtet, Maßnahmen gegen Hitze am Arbeitsplatz zu setzen. Doch nach wie vor geben sich manche Unternehmen keine Mühe, das Arbeiten in der heißen Jahreszeit erträglicher zu gestalten.
Heiß und stickig
„In Innenräumen spielt neben der Raumlufttemperatur die relative Luftfeuchtigkeit eine wichtige Rolle“, so AK-Expertin Hildegard Weinke. „Vor allem Produktionshallen sind oft schlecht gedämmt, es ist heiß und feucht. Abhilfe schaffen unter anderem entsprechend dimensionierte Lüftungsanlagen.“ Die Kombination von Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit ist für den Körper an sich schon belastend, es kann sich dadurch außerdem die Freisetzung chemischer Stoffe, etwa aus Baustoffen oder Einrichtungsgegenständen, verstärken. Das führt zu höheren Konzentrationen flüchtiger organischer Verbindungen in der Raumluft, was durch Lüftungsanlagen ebenfalls verhindert werden kann.
Hohe Temperaturen allein sind für unseren Körper schon anstrengend genug. Noch wesentlich belastender wird es, wenn man körperlich arbeiten muss und der Sonne ausgesetzt ist: Haut- und Augenerkrankungen durch die UV-Strahlung, aber auch Sonnenstich und Hitzschlag drohen. Von April bis Anfang September, zwischen 11 und 15 Uhr, ist die Belastung durch UV-Strahlung am intensivsten. Vor allem für jene Menschen, die tagtäglich im Freien arbeiten, sind daher umfassende Schutzmaßnahmen notwendig. „Wann immer extreme UV-Bestrahlung vermieden werden kann, sollte diese Möglichkeit genutzt werden“, betont AUVA-Präventionsexperte Dr. Emmerich Kitz. „Darunter fallen Arbeiten in Innenräumen, das Verlegen von Arbeiten aus der Tagesmitte heraus in die Morgen- und Abendstunden und das Ausnutzen jeder Form von Schatten.“
Was kurzfristig noch schweißtreibender sein mag, mittel- und langfristig aber vor Gesundheitsschäden bewahrt: Bei Arbeiten in der Sonne sind UV-Schutzcremen, UV-Schutzbrillen, Schirmkappen mit Nackenschutz und entsprechende Kleidung nötig. Doch nicht jede Kleidung schützt zuverlässig vor Sonnenbrand, zum Teil bieten helle Stoffe nur Lichtschutzfaktor vier. Nur Kleidung aus speziellen UV-hemmenden Textilien kann vor Sonnenbrand und Sonnenschäden schützen. Und – es kann nicht oft genug gesagt werden – ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist unerlässlich. Um Elektrolytverluste durch Schwitzen auszugleichen, sind Mineralwasser, verdünnte Fruchtsäfte, Suppen, Elektrolytgetränke oder auch das (allerdings teure) Kokoswasser ideal.
Zu viel Sonne kann sowohl akute als auch langfristige Folgen haben. So unangenehm sie auch sein mögen, Kreislaufschwäche, Sonnenbrand und Bindehautentzündungen zählen dabei noch zu den harmloseren Konsequenzen. Auch Netzhautschäden (z. B. Makuladegeneration) und grauer Star können durch Sonnenstrahlen entstehen. Hautkrebs, der im Übrigen auch auf Schleimhäuten oder im Auge auftreten kann, zählt wohl zu den bekanntesten möglichen Sonnenschäden. Man unterscheidet hier verschiedene Arten:
- Melanome („schwarzer Hautkrebs“): Kleidung schützt zuverlässiger als Sonnenschutzmittel; betroffen sind vor allem hellhäutige Menschen und Menschen mit vielen Muttermalen.
- Viel häufiger sind die „hellen Hautkrebsarten“ (Plattenepithelkarzinom, Basaliom/Basalzellenkarzinom). Ein Basaliom beispielsweise bildet zwar extrem selten Metastasen, kann aber umliegendes Gewebe schädigen und sogar Knochen infiltrieren. Der größte Risikofaktor ist lang andauernde Belastung durch UV-Strahlen – unabhängig von der Zahl an Sonnenbränden.
- Plattenepithelkarzinome entwickeln sich hauptsächlich auf (durch Sonne) vorgeschädigter Haut.
Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass sich das Hautkrebsrisiko für diejenigen verdoppelt, die arbeitsbedingt um bis zu 40 Prozent stärker der Sonne ausgesetzt sind als die übrige Bevölkerung. In Deutschland sind Plattenepithelkarzinome und deren Vorstufe, die (gehäuft auftretende) aktinische Keratose, seit 2015 als Berufskrankheit anerkannt.
Die Wirksamkeit von Sonnenschutzmitteln hängt wesentlich davon ab, wie konsequent und großzügig sie aufgetragen beziehungsweise erneuert werden. Um den angegebenen Schutzfaktor zu erreichen, muss eine ausreichende Menge aufgetragen werden. Der Sonnenschutzfaktor wird bei einer Schichtdicke von 2 mg pro cm2 festgelegt. In der Praxis tragen die meisten Menschen viel weniger auf, sodass der Schutzfaktor nur ein Drittel beträgt. Für die volle Schutzfunktion am ganzen Körper müsste man also ca. 40 Gramm oder fast ein Viertel einer handelsüblichen Sonnenschutzmittel-Flasche (200 ml) auftragen!
Seit 2013 haben BauarbeiterInnen die Möglichkeit, bei hohen Außentemperaturen entweder in Innenräume auszuweichen oder (bei 60 Prozent des Stundenlohns) die Arbeit einzustellen. Bisher lag die Temperaturgrenze bei 35 Grad Celsius. Sie wurde mit 1. Mai 2019 auf 32,5 Grad Celsius gesenkt. Wolfgang Birbamer, Geschäftsführer der Gewerkschaft Bau-Holz Wien, bezeichnet das als „Erfolg bei den Kollektivvertragsverhandlungen und als nächsten Schritt in Richtung mehr Gesundheitsschutz“. Dennoch bleibt die Entscheidung bei den ArbeitgeberInnen bzw. den Beauftragten.
„Wir appellieren immer wieder an die Unternehmen, diese Kann-Bestimmung anzuwenden. Schließlich geht es hier nur um wenige Stunden.“ Die Option, Arbeiten in etwas kühlere Tageszeiten zu verlegen, ist für die GBH keine optimale Lösung. „An sich kann von 6 bis 22 Uhr gearbeitet werden, doch dadurch haben die KollegInnen dann sehr lange Pausen, die sie kaum sinnvoll nützen können, und der Tag zieht sich extrem lange hin.“ KranführerInnen arbeiten zwar nicht im Freien, sind zum Teil aber besonders exponiert. Längst nicht alle Kabinen sind klimatisiert. Die AUVA plant daher eine Beurteilung der Belastung in Krankabinen. In weiterer Folge sollen technische Verbesserungen vorgeschlagen werden.
„Egal, um welche Branche es sich handelt, das TOP-Prinzip gilt es auch bei der Prävention und Reduktion sommerlicher Belastungen zu beherzigen“, erinnert Hildegard Weinke.
- Technische/bauliche Maßnahmen: Außenjalousien, Laubengänge, Wandbegrünung, Klimaanlagen, Luftduschen oder Wasserschleier in Produktionsbetrieben etc. Auf unterschiedliches Temperaturempfinden der Beschäftigten kann durch kleinere Büros besser Rücksicht genommen werden.
- Organisatorische Maßnahmen: Mehr Pausen in kühlen Räumen ermöglichen, Verlegung von Arbeitszeiten usw. Eine längere Siesta wie im Süden wäre in der Praxis schwierig umsetzbar. Es müsste z. B. bedacht werden, dass dann etwa auch Kinderbetreuungseinrichtungen länger geöffnet haben müssen.
- Persönliche Maßnahmen: Z. B. Kleidervorschriften ändern; es muss ja nicht gleich ein Kaftan sein, in südlichen Ländern sind etwa kurze Hosen für Männer auch im Geschäftsleben üblich.
Tipps für persönliche Maßnahmen
- Sonnenschutzmittel 20 Minuten bevor Sie in die Sonne gehen auftragen. Durch Schwitzen wird es wieder abgewischt, daher besser mehrmals auftragen. Der Schutzfaktor erhöht sich dadurch allerdings nicht.
- Sonnenschutz für Ohren, Lippen, Glatze nicht vergessen.
- Flüssigkeitsverlust ist die Ursache vieler Beschwerden, die AUVA rät daher: Bei mehr als 30 Grad Celsius Lufttemperatur und mittelschwerer bis schwerer Arbeit sollte alle 20 Minuten ca. ein viertel Liter Flüssigkeit getrunken werden.
- Bei hitzebedingten Kreislaufproblemen helfen Kühlung, Trinken und die Beine hochlagern, damit das Gehirn besser durchblutet wird. Kommt es neben Schwindel und Schwächegefühl zu sehr roter oder blasser Haut, Krämpfen in Armen und Beinen, Bewusstseinstrübung etc., sollte außerdem so rasch wie möglich ein Arzt gerufen werden.
ArbeitnehmerInnenschutz bei Hitze
In § 28 der Arbeitsstättenverordnung (AStV) sind konkrete Temperaturgrenzen festgelegt. Bei Arbeiten mit geringer körperlicher Belastung darf die Lufttemperatur in den Arbeitsräumen höchstens 25 Grad Celsius betragen, bei normaler körperlicher Belastung 24 Grad Celsius. In der warmen Jahreszeit (= Hitze wird durch Witterung verursacht) sind Maßnahmen durchzuführen, um nach Möglichkeit eine Temperaturabsenkung zu erreichen. Möglichkeiten wären z. B. eine Abschattung durch Außenjalousien oder Rollos bzw. Durchlüftung am Morgen und Abend, wenn möglich auch während der Nachtstunden.
Es besteht allerdings keine Verpflichtung, eine Klimaanlage oder Klimageräte zur Verfügung zu stellen. Falls diese aber vorhanden sind, dann ist dafür zu sorgen, dass die Raumtemperatur in der warmen Jahreszeit möglichst nicht über 25 Grad Celsius steigt. Andernfalls sind sonstige Maßnahmen auszuschöpfen, um nach Möglichkeit eine Temperaturabsenkung zu erreichen.
Die Arbeiterkammer fordert eine Anpassung des § 28 nach dem aktuellen Stand der Technik, der Arbeitsmedizin und der Arbeitshygiene sowie den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen an die jüngsten Klimaentwicklungen und Klimavorhersagen. Vorbild dafür sind die in Deutschland bereits im Jahr 2010 eingeführten und mittlerweile bewährten Stufenpläne mit Maßnahmen zu Temperaturen ab 26 Grad Celsius.