Gleicher Schutz für alle?
Im Jahr 2021 wurden insgesamt 269 Fälle von Berufskrankheiten bei Männern und 108 bei Frauen anerkannt. 36 Prozent der Fälle bei Männern waren bösartige Neubildungen des Rippenfells, der Lunge und des Kehlkopfes durch Asbest. Hauterkrankungen waren mit 67 Fällen bei Frauen dominierend. Diese Zahlen sagen jedoch wenig über die tatsächliche Belastung und Gefährdung der Frauen mit Arbeitsstoffen aus.
Viele Einflussfaktoren Das vorhandene Gefährdungspotenzial eines Arbeitsstoffes wird durch eine Vielzahl an Faktoren bestimmt: die Art der Verwendung, die Höhe, Dauer und Art der Einwirkung, die Kombinationswirkung mehrerer Arbeitsstoffe sowie das biologische und soziale Geschlecht der exponierten Personen.
Es gibt viele gesundheitsgefährdende Arbeitsstoffe, wie z. B. Formaldehyd, Asbest oder Dieselmotoremissionen, die sich geschlechtsspezifisch auf den Körper auswirken, sei es durch unterschiedliche Aufnahme, Verstoffwechselung, Speicherung oder Ausscheidung. Damit können bei jedem Geschlecht andere Organe primär von der schädigenden Wirkung des Arbeitsstoffes betroffen sein, wie z. B. bei Zytostatika die Brust sowie die weiblichen Reproduktionsorgane. Endokrin wirksame Substanzen greifen in den Hormonhaushalt ein, wirken sich häufig geschlechtsspezifisch aus und können die Fruchtbarkeit sowie Nachkommen schädigen.
Teilzeitkräfte können trotz kürzerer Arbeitszeit stärkeren Einwirkungen ausgesetzt sein, wenn sie zu Zeiten beschäftigt werden, an denen besonders hohe Konzentrationen oder viele schädigende Arbeitsstoffe gleichzeitig auftreten. So arbeiten beispielsweise Beschäftigte im Reinigungsgewerbe mit reizenden, ätzenden und giftigen Reinigungsmitteln gleichzeitig.
Somit bleiben Gefährdungen für viele Beschäftigte nicht nur bei der Arbeitsplatzevaluierung unerkannt, sondern dieser Umstand führt auch zu einer Benachteiligung bei der sozialen Absicherung. Nämlich dann, wenn Berufskrankheiten – mangels Wissens darüber – nicht als solche anerkannt werden können.
Betroffenheit der Frauen sichtbar machen Es ist wichtig, sich geschlechtsspezifische Wirkungen bewusst zu machen, um diese bei der gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitsplatzevaluierung auch wahrnehmen zu können. Nur so können wirksame Schutzmaßnahmen auch alle Arbeitnehmer:innen erfassen. Darüber hinaus müsste die Berufskrankheitenliste auf einen zeitgemäßen Stand gebracht werden.