Gesunde Arbeit

Körperliche Arbeitsbelastungen reduzieren!

Das Heben und Tragen schwerer Lasten kann sich massiv auf den Muskel- und Skelettapparat von ArbeitnehmerInnen auswirken. Die Leitmerkmalmethoden zur Evaluierung körperlicher Arbeitsbelastungen helfen dabei, Defizite bei der Arbeitsgestaltung zu erkennen. Darauf aufbauend können geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um ein gesundes Arbeitsumfeld zu schaffen.
Das Heben und Tragen schwerer Lasten verursacht eine Daueranspannung der Rücken- und Armmuskeln, eine Überdehnung der Bänder und eine Fehlbelastung der Bandscheiben. MitarbeiterInnen von Paketdiensten sind davon besonders betroffen.
Belastung der Wirbelsäule bei falschem und bei richtigem Heben
Zahlreiche Berufsgruppen müssen täglich schwere Lasten heben und tragen. Richtig anzupacken ist für sie besonders wichtig.
Botin trägt Pakete Das Heben und Tragen schwerer Lasten verursacht eine Daueranspannung der Rücken- und Armmuskeln, eine Überdehnung der Bänder und eine Fehlbelastung der Bandscheiben. MitarbeiterInnen von Paketdiensten sind davon besonders betroffen.
schematische Darstellung von richtigem und falschem Heben Belastung der Wirbelsäule bei falschem und bei richtigem Heben
Zwei Männer entladen Lkw Zahlreiche Berufsgruppen müssen täglich schwere Lasten heben und tragen. Richtig anzupacken ist für sie besonders wichtig.

Körperliche Arbeitsbelastungen treten in den unterschiedlichsten Branchen und Arbeitsfeldern auf. So kann es am Bau durch häufiges Bücken und schweres Heben zu einer Überbelastung der Rückenmuskulatur und zu ungleichmäßigen Belastungen der Bandscheiben kommen. Das Heben und Tragen schwerer Lasten verursacht eine Daueranspannung der Rücken- und Armmuskeln, eine Überdehnung der Bänder und eine hohe Belastung der Bandscheiben. Auch das Arbeiten über Kopf hat durch die statische Überbelastung eine Daueranspannung von Muskeln zur Folge. Bei KassiererInnen im Handel wird durch die ständige Wiederholung der Tätigkeiten beim Scannen der Waren die Schulter- und Armmuskulatur stark belastet und es kommt zu einer Belastung der Rückenmuskulatur. BerufskraftfahrerInnen sind im Vergleich dazu von Zwangshaltungen im Sitzen betroffen, die die Rückenmuskulatur überlasten, zu einer ungleichmäßigen Bandscheibenbelastung führen und Blutstauungen in den Beinen verursachen können. Im Verkauf sowie in der Gastronomie kann langes Stehen zu einem Problem werden, bei Bürotätigkeiten ist es häufig das lange Sitzen bzw. die ständige und einseitige Bewegungswiederholung, die sich negativ auf die Gesundheit der ArbeitnehmerInnen auswirken kann. Diese Beispiele zeigen, wie groß die Bandbreite an arbeitsbedingten Belastungen des Muskel- und Skelettapparats sein kann und wie viele unterschiedliche Berufsgruppen davon betroffen sind.

Arten arbeitsbedingter Belastungen
Arbeitsbedingungen bzw. arbeitsbedingte Belastungen haben einen großen Einfluss auf die Gesundheit des Muskel- und Skelettapparates. Dabei ist eines zu bedenken: Beschwerden im Bereich der Knochen und Muskeln sind die häufigste Ursache für Invaliditätspensionen. Das ist vor allem deswegen ein großes Problem, da in der Praxis häufig das Bewusstsein dafür fehlt, welchen Anteil die Arbeitsbedingungen an der Gesundheit bzw. Krankheit des Muskel- und Skelettapparates haben. Zudem fehlt oft das Wissen, welche konkreten Belastungen zu Beschwerden führen. Die folgenden Einflussfaktoren auf die Entwicklung von Muskel- und Skeletterkrankungen (MSE) sind hierbei zu unterscheiden:

Physische Faktoren:

  • Anwendung von Kraft (zum Beispiel Heben, Tragen, Ziehen, Schieben)
  • Gleichförmig wiederholte Bewegungen (zum Beispiel Tastaturarbeit, Streichen)
  • Ungünstige und starre Haltungen (zum Beispiel Arme über Kopfhöhe, langes Sitzen oder Stehen)
  • Druckkontakt (zum Beispiel von Werkzeug)
  • Vibrationen (am ganzen Körper oder im Bereich der Arme/Hände)

Psychische Faktoren:

  • Anspruchsvolle Arbeit
  • Keine Kontrollmöglichkeit über die Arbeit
  • Geringe Arbeitszufriedenheit
  • Gleichförmig wiederholte Tätigkeit
  • Hohes Arbeitstempo
  • Zeitdruck
  • Fehlende Unterstützung durch KollegInnen und Führungskräfte
  • etc.

Körperliche Arbeitsbelastungen sind unter den ArbeitnehmerInnen in Österreich weit verbreitet. So müssen 33,7 Prozent der ArbeitnehmerInnen ständig sich wiederholende Arm- oder Handbewegungen ausführen, 33,1 Prozent arbeiten in schmerzhafter oder ermüdender Haltung und 26,3 Prozent hantieren mit schweren Lasten (Quelle: Statistik Austria, Arbeitskräfteerhebung 2020).

Gesundheitliche Folgen
Diese arbeitsbedingten Belastungen ziehen gesundheitliche Folgen nach sich. Die folgenden Zahlen der Statistik Austria aus dem Jahr 2020 zeigen, wie viele ArbeitnehmerInnen in Österreich von Gesundheitsbeschwerden und Schmerzen betroffen sind: 301.400 Erwerbstätige klagen über Rückenprobleme, 193.800 ArbeitnehmerInnen berichten von Schmerzen im Nacken, in den Schultern, Armen und Händen, 131.300 Personen haben Beschwerden mit Hüften, Beinen und Füßen.

Das schlägt sich auch in den Krankenstandstagen nieder: So waren 2019 insgesamt 22 Prozent aller Krankenstandstage der Krankheitsgruppe „Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes“ zuzurechnen (Quelle: Fehlzeitenreport 2021 des WIFO). Das zieht natürlich auch immense Kosten nach sich: für ArbeitgeberInnen in Form von Entgeltfortzahlungen, für die Volkswirtschaft in Form von Krankengeld und Behandlungskosten (inkl. Verwaltung), aber auch für die Betroffenen selbst, die Beiträge zu den Behandlungskosten leisten müssen.


Betroffene Berufsgruppen
Viele Berufsgruppen haben in ihrem Arbeitsalltag mit manueller Lastenhandhabung zu tun. So verbringen 33 Prozent der Erwerbstätigen mindestens ein Viertel ihrer Arbeitszeit mit dem Tragen schwerer Lasten. Das betrifft besonders MöbelpackerInnen oder PaketzustellerInnen, die täglich Pakete, Kisten und Möbel von A nach B befördern. Oder BauarbeiterInnen, die beispielsweise schwere Pflastersteine heben. Aber auch in der Pflege ist das Heben von PatientInnen ein Thema. Oder bei FahrradbotInnen, die längst nicht mehr nur Pizza und andere Speisen zu den KundInnen bringen, sondern mittlerweile auch im Bereich des Handels Getränke von bis zu zehn Kilo und manchmal sogar noch mehr ausliefern – ohne dafür standardmäßig spezielle ergonomische Rucksäcke oder entsprechende Gepäckträger zur Verfügung gestellt zu bekommen. Zudem erfolgen viele dieser Auslieferungen unter großem Zeitdruck. Zu den am meisten betroffenen Berufsgruppen zählen außerdem HandwerkerInnen, MaschinenbedienerInnen, Zimmerer, BergarbeiterInnen, Beschäftigte im Einzelhandel, im Hotel- und Gastgewerbe sowie Beschäftigte in der Land- und Forstwirtschaft oder für Be- und Entladungstätigkeiten. Egal, ob in der Baubranche, in der Produktion und Fertigung, im Handel oder im Dienstleistungsgewerbe oder in einem anderen Bereich, manuelle Lastenhandhabung kann in fast allen Branchen und Berufsgruppen zum Belastungsthema werden.

Großer Handlungsbedarf
Was kann nun getan werden, um die arbeitsbedingten Belastungen vor allem bei der manuellen Lastenhandhabung zu minimieren? Einerseits kann das Verhalten beim Heben durch gezielte Schulungen und Bewusstmachen der Gefahren optimiert werden (siehe Illustration).

Zudem kommt es auch auf die Art der Bewegung bzw. die Abwechslung der Tätigkeiten an. Denn alle einseitigen Zwangshaltungen und Dauerbelastungen sind können die Gesundheit schädigen. Je abwechslungsreicher die Bewegungen sind, desto besser.

Doch damit allein ist es nicht getan! Der Fokus muss zukünftig besonders darauf gelegt werden, dass die Lasten minimiert werden und nicht nur das Verhalten beim Heben optimiert wird. So ist auch im Bereich der technischen Hilfsmittel noch viel Luft nach oben. Hier sind Innovationen und praktische Lösungen gefragt, um die Belastung der ArbeitnehmerInnen zu senken. Denken wir beispielsweise an Fahrradlieferdienste, wo ArbeitnehmerInnen die Last am Rücken tragen müssen anstelle des Einsatzes von Vorrichtungen, die es erlauben würden, diese direkt am Rad zu platzieren. In vielen Bereichen muss auch die Nutzung von entsprechenden Hebe- und Tragehilfen bzw. Beförderungseinrichtungen einen Beitrag zur Gesundheit der ArbeitnehmerInnen leisten.


Einsatz der Leitmerkmalmethoden
Es ist wichtig, im Betrieb präventive Maßnahmen zu etablieren und die potenziellen Gefahren im Rahmen der für die ArbeitgeberInnen verpflichtenden Arbeitsplatzevaluierung herauszufinden. Nur so können Gefahren und gesundheitsgefährdende Tätigkeiten sichtbar gemacht und in einem weiteren Schritt minimiert werden. Die neuen Leitmerkmalmethoden liefern hier einen wichtigen Beitrag zur Ermittlung der physischen Arbeitsbelastung, unter anderem in den Bereichen manuelles Heben, Halten, Tragen, Ziehen und Schieben von Lasten. Sie bilden den aktuellen Wissensstand zum Thema ab.

Harald Bruckner, Experte der Abteilung Sicherheit, Gesundheit und Arbeit in der AK Wien, betont die Wichtigkeit, dass diese Leitmerkmalmethoden in der betrieblichen Praxis rasch und großflächig zur Anwendung kommen, „um problematische Bereiche klar zu erkennen und zielgerichtet Maßnahmen setzen zu können. Der verstärkte Einsatz von ErgonomInnen in den Betrieben würde außerdem für mehr Bewusstsein zum Thema Arbeits(platz)gestaltung führen.“


Es geht auch anders
Bei all diesen körperlichen Belastungen im Zusammenhang mit manueller Lastenhandhabung sind ArbeitgeberInnen gefordert, aktive Schritte zur Prävention zu setzen. Hierfür stellt die EU-OSHA-Kampagne unter dem Titel „Gesunde Arbeitsplätze – Entlasten Dich!“ viele Lösungsansätze und Materialien für die Prävention von Muskel- und Skeletterkrankungen sowie zum Umgang damit im Betrieb zur Verfügung. Wie Prävention im Unternehmen gut funktionieren kann, zeigen zudem Unternehmen, die mit ihren innovativen Lösungen im Bereich des ArbeitnehmerInnenschutzes am Good-Practice-Award der Kampagne teilgenommen haben. Mit Blick auf die Prävention von Muskel- und Skeletterkrankungen lobend hervorgehoben wurde in diesem Rahmen die Firma Rohrdorfer Transportbeton (mehr dazu auf den Seiten 24 und 25). Das Universitätsklinikum AKH Wien gehörte sogar zu den Siegern des Wettbewerbs. Diese Beispiele zeigen das Engagement von Unternehmen, präventive Schritte zur Förderung der Gesundheit ihrer ArbeitnehmerInnen zu setzen, damit es gar nicht erst zu gesundheitlichen Beschwerden kommt. Denn eines ist klar: Arbeit darf nicht krank machen. Im Gegenteil: Sie muss dazu beitragen, das Wohlbefinden der ArbeitnehmerInnen zu erhalten und zu fördern.

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