Gesunde Arbeit

Wie Fische im Aquarium

Die Digitalisierung verändert nicht nur, wie und womit wir arbeiten, sondern auch wo wir arbeiten. Dabei sind unerfreuliche Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen.
Spiegelnde Fassaden und beeindruckende Formen von außen, doch wie sieht es innen aus?
Ruhiges und konzentriertes Arbeiten ist im Großraumbüro nur selten möglich.
Ein gutes Raumklima ist eine wichtige Voraussetzung für angenehmes Arbeiten.
Angestellter vor modernem Bürohaus Spiegelnde Fassaden und beeindruckende Formen von außen, doch wie sieht es innen aus?
Arbeitnehmerin im Großraumbüro Ruhiges und konzentriertes Arbeiten ist im Großraumbüro nur selten möglich.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Großraumbüro Ein gutes Raumklima ist eine wichtige Voraussetzung für angenehmes Arbeiten.

Moderne Büroräume haben so gut wie keine Wände mehr. Anders als im typischen Großraumbüro gehen die verschiedenen Bereiche innerhalb einer Abteilung ineinander über. Die wenigen Besprechungszimmer haben meist transparente Wände. Im sogenannten Open Space sollen die Gedanken frei fließen und sich die Beschäftigten frei bewegen – in Zeiten von Laptop, WLAN und Handy schließlich alles kein Problem. Für konzentriertes Arbeiten gibt es spezielle Räume. Wer sich angesichts von durchgehenden Fensterfronten, transparenten Türen und Trennwänden in den Loft-ähnlichen Räumen allzu sehr beobachtet fühlt, kann sich wie etwa bei Microsoft für kurze Zeit in den sogenannten Dark Room zurückziehen.

„Ich fühle mich dort wie ein Fisch im Aquarium“, beschrieb ein Angestellter den AK-BeraterInnen sein Unbehagen im Büro. Harald Bruckner, AK-Experte für Sicherheit, Gesundheit und Arbeit, kritisiert dieses Revival des Großraumbüros; für ihn widersprechen diese Arbeitsbedingungen oftmals den Grundsätzen eines menschengerechten Arbeitsplatzes: „Die Unternehmen verkaufen das als schöne, kommunikative Welt und sind stolz auf ihre Transparenz. Tatsächlich bedeutet ein Großraumbüro oder gar Open Space häufig auch arbeiten bzw. Telefonate mit ständigen Störungen. Ruhiges und konzentriertes Arbeiten ist in vielen Fällen nur selten möglich. Auch die Frage nach dem Datenschutz stellt sich in manchen Fällen.“


Innenansichten
In letzter Zeit sind etwa in Wien gleich mehrere Großunternehmen in neu errichtete Bürohäuser übersiedelt. Spiegelnde Fassaden und beeindruckende Formen von außen, doch wie sieht es innen aus, und wie geht es den Beschäftigten?

Typisch für die neue Bürowelt ist, dass so gut wie alles elektronisch abläuft. Dem seit Jahrzehnten proklamierten Ziel des papierlosen Büros scheint man tatsächlich langsam näherzukommen. Strikte Beschränkungen, wie viele beziehungsweise wenige Laufmeter pro ArbeitnehmerIn für Mappen und Unterlagen zur Verfügung stehen, sind keineswegs unüblich. Betriebsrätin Tina L.* erinnert sich noch gut an den Umzug in das neue Headquarter vor rund drei Jahren: „Monate davor haben wir mit dem Aussortieren und Shreddern begonnen. Hier läuft jetzt alles voll elektronisch, alle Kollegen und Kolleginnen haben einen Laptop, es gibt keine Stand-PCs und keine Festnetz-Telefone mehr. Mit unserer Chipkarte können wir den Aufzug bedienen und die Türen in jenen Bereichen öffnen, zu denen wir Zugang haben.“

Der Wechsel in neue Bürohäuser wird in manchen Fällen durch verschiedene Benefits „versüßt“, dazu zählen unter anderem Betriebskindergärten, mitunter auch Kinderbetreuung an schulfreien Tagen in Zusammenarbeit mit Betreuungseinrichtungen der Umgebung; Gymnastikräume mit entsprechendem Angebot, (öffentlich zugängliche) Restaurants und Cafés, ergonomisch gestaltete Arbeitsplätze mit elektrisch höhenverstellbaren Schreibtischen.


Plus und Minus
Trotzdem, arbeiten im Open Space mit Desksharing inklusive Clean Desk Policy bedeutet viele Veränderungen für die meisten Angestellten, denn schließlich hat hier niemand mehr einen fixen Schreibtisch. Nach Dienstschluss sind Laptop, Unterlagen und Privates im Spind zu verstauen, der Tisch ist „clean“ und gebrauchsfertig für den nächsten Nutzer zu hinterlassen. Die Idee hinter Desksharing ist ja unter anderem, dass ohnehin nie alle anwesend sind und daher am Platz gespart werden kann. So gibt es dann beispielsweise nur acht Arbeitsplätze für 10 Beschäftigte. „An sich ist das kaum ein Problem“, erzählt Karin G.*, „denn es sind äußerst selten alle im Büro. Nur manchmal sitzt man dann vielleicht einmal kurze Zeit in der Teeküche.“

In allen Open-Space-Büros finden sich unterschiedliche Zonen für Gruppenarbeiten, konzentrierte Tätigkeiten allein oder zu zweit etc. Sie sind vor allem durch unterschiedliche Möblierung und variierende Tischgruppen erkennbar. „Bei uns wird das teilweise ein bisschen anders gelebt“, schränkt Tina L. nach drei Jahren Erfahrung im Open Space ein. „In der Praxis sitzen meist jene Teams zusammen, die häufig zusammenarbeiten müssen.“

Theorie ist häufig auch das Arbeiten im Freien, obwohl in vielen modernen Bürogebäuden begrünte Freiflächen vorhanden sind. Aber sowohl der Wind als auch Spiegelungen durch die Sonneneinstrahlung auf den Laptop-Monitoren verhindern das in der Regel.

In der ersten Zeit nach dem Umzug fiel es meist den älteren KollegInnen und all jenen, die davor in Zweier-Büros zusammensaßen, schwer, sich einzufinden. Keinen fixen Platz zu haben und mit Dienstschluss ihren Platz leer zu räumen, das erforderte einige Gewöhnungszeit. „Anfangs haben manche KollegInnen noch Familienfotos aufgestellt. Doch das ist mittlerweile sehr selten“, erzählt Karin G., die selbst schon zur Generation 50 plus zählt. „Vor allem vor der Übersiedlung dachte ich auch, zum Glück kann ich bald in Pension gehen. Aber erstens gefällt mir die Möblierung, es gibt überraschend viel Holz. Zweitens gibt es durchaus positive Nebeneffekte im Open Space: Die kürzeren Wege zu Meetings sind ein Vorteil. Ich lerne immer wieder neue Leute kennen und mein Chef ist jetzt leichter zu finden als früher, weil er praktisch mitten unter uns ist.“


Suboptimales Raumklima
Ständige Störungen durch Telefonate und Unterhaltungen von KollegInnen sind bereits seit Langem bekannte Probleme in Großraumbüros. Davon abgesehen „laden die offenen Räume förmlich dazu ein, sich vielleicht auch einmal über ein paar Schreibtische hinweg zu unterhalten. Das bringt automatisch Unruhe hinein“, sagt Karin G.

Durch optimale Raumaufteilung sowie mit den richtigen Einrichtungsgegenständen und Materialien kann das Lärmproblem durchaus entschärft werden. Das erfordert allerdings viel Vorbereitung gemeinsam mit Profis, was sich naturgemäß auch auf die Kosten auswirkt.

Mit dem Raumklima in modernen Büros sind viele ArbeitnehmerInnen unzufrieden. Die Einstellung von Klimaanlagen ist nicht immer einfach. „Bei uns ist die Luftfeuchtigkeit während der Heizperiode zwar theoretisch im grünen Bereich, aber gefühlt ist die Luft zu trocken“, berichtet Karin G. Der Überhitzungsschutz im Sommer hat funktioniert. „Fast schon zu gut“, meint sie schmunzelnd, „denn mitunter habe ich das Gefühl, den Sommer zu verpassen.“

Elfriede Sch.*, Betriebsratsvorsitzende in einem anderen Großunternehmen, sieht das Thema unterschiedliches Temperaturempfinden eher pragmatisch als universelles Phänomen: „Dem einen ist es zu warm und der anderen wiederum zu kalt, das war schon in den Zweier-Büros ein Thema.“

Auch abseits von modernen Glaspalästen zählen hitzebedingte Belastungen in der AK-Beratungstätigkeit seit einigen Jahren zu den häufigen Beschwerden in der warmen Jahreszeit, berichtet Harald Bruckner: „Noch vor 20 Jahren war Hitze am Arbeitsplatz kein großes Thema, heute sind 30 Grad aufwärts praktisch die Norm und für viele gesundheitlich belastend! Während die Serverräume überall klimatisiert sind, leiden die ArbeitnehmerInnen unter der Hitze.“ Viele ArbeitnehmerInnen klagen auch über trockene Luft in der kalten Jahreszeit. „In manchen Betrieben gibt es nur Lüftungsanlagen, bei denen die Feuchtigkeit nicht geregelt werden kann. So kommt es mitunter vor, dass die Luftfeuchtigkeit nur rund 20 Prozent beträgt.“


Häufige Probleme
Wenn Betriebe umbauen oder mehr ArbeitnehmerInnen einstellen, ohne auszubauen, führt das oft zu Problemen, berichtet der AK-Experte aus der Beratungserfahrung. „Dann sitzen beispielsweise Angestellte während der Umbauten oder für unbestimmte Zeit in einem fensterlosen Büro im Keller.“ Die Arbeitsstättenverordnung, die derzeit novelliert wird, ist zwar umfangreich, formuliert aber nur Mindestanforderungen. Daher rät die AK:

  • Wenn Desksharing geplant ist, dann gibt es durchaus auch die Möglichkeit, zu vereinbaren, dass theoretisch für jede/n ein eigener Arbeitsplatz vorhanden ist. Das wurde etwa bei einer großen Bank bereits umgesetzt.
  • Auch der Umgang mit Homeoffice kann per Betriebsvereinbarung geregelt werden. „Derzeit“, so Harald Bruckner, „ist ein Homeoffice keine Arbeitsstätte, wodurch die ergonomische Gestaltung oft auf der Strecke bleibt. Sinnvoll ist es zu vereinbaren, dass ArbeitgeberInnen die Kosten für die Arbeitsmittel übernehmen.“
  • Die Arbeitsinspektion empfiehlt: Da eine Besichtigung der auswärtigen Arbeitsstelle (Privatwohnung) im Regelfall nicht möglich ist, kann eine entsprechende Musterevaluierung für Tele-Arbeitsplätze ausgearbeitet und den ArbeitnehmerInnen zur Verfügung gestellt werden.
  • Sind bauliche Veränderungen und neue Büroausstattungen geplant, dann sollten immer die betroffenen ArbeitnehmerInnen einbezogen werden. Idealerweise können etwa neue Möbel vorab oder direkt vor Ort unter realistischen Bedingungen ausprobiert werden.

* Name von der Redaktion geändert

Genau betrachtet
Die Arbeitsstättenverordnung (AStV) enthält neben wichtigen Regelungen für die räumliche Gestaltung von Arbeitsstätten und Arbeitsplätzen auch Vorschriften zu Brandschutz und Erster Hilfe. Außerdem finden sich dort exakte Definitionen für alltägliche Begriffe.

Arbeitsplatz oder Arbeitsstätte?
Ein Arbeitsplatz ist der räumliche Bereich, in dem sich ArbeitnehmerInnen während ihrer Tätigkeit aufhalten.
Der Begriff Arbeitsstätte umfasst sämtliche Bereiche in baulichen Anlagen, zu denen Beschäftigte im Rahmen ihrer Arbeit Zugang haben, z. B. Maschinenräume, Lager, Gänge, Sanitär- oder Pausenräume etc. Als bauliche Anlagen gelten auch Wohnwagen, Container, Bauhütten und sonstige ähnliche Einrichtungen.


Pausenbereich oder Pausenraum?
Sind in einer Arbeitsstätte nicht mehr als 12 ArbeitnehmerInnen gleichzeitig beschäftigt, so ist diesen ein Aufenthaltsbereich mit Sitzgelegenheiten (mit Rückenlehnen) und Tische in ausreichender Anzahl zur Einnahme der Mahlzeiten sowie Einrichtungen zum Wärmen und Kühlen von mitgebrachten Speisen und Getränken zur Verfügung zu stellen.

Sobald mehr als 12 ArbeitnehmerInnen gleichzeitig anwesend sind, ist ein separater Aufenthaltsraum erforderlich. Unter folgenden Voraussetzungen ist aber in jedem Fall ein eigener Pausenraum nötig: bei Verwendung gefährlicher Arbeitsstoffe, Lärm am Arbeitsplatz, bei Erschütterungen bzw. gesundheitsgefährdenden Einwirkungen, Arbeiten im Freien (mehr als zwei Stunden täglich) oder bei Arbeitsbereitschaft.

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