Gesunde Arbeit

Gewalt am Arbeitsplatz hat viele Gesichter

Gewalt, Mobbing und Belästigung können an jedem Arbeitsplatz auftreten. Die Folgen sind auf persönlicher und betrieblicher Ebene verheerend. Doch Gewalt am Arbeitsplatz kann in vielen Fällen verhindert werden!
Gewalt am Arbeitsplatz keine Chance geben: Damit es erst gar nicht zu Gewalt kommt, müssen präventive Maßnahmen gesetzt werden!
Bei Mobbing handelt es sich um ein strukturelles Problem, hinter dem meist ein Organisationsversagen steht, beispielsweise eine schlechte Arbeitsorganisation oder unzureichende Kommunikation im Unternehmen.
Wenn es zu Fällen von Gewalt im Unternehmen kommt, sind ArbeitgeberInnen dazu verpflichtet, zu handeln und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
Frau hält Hand schützend vor Gesicht Gewalt am Arbeitsplatz keine Chance geben: Damit es erst gar nicht zu Gewalt kommt, müssen präventive Maßnahmen gesetzt werden!
Symbolbild Bei Mobbing handelt es sich um ein strukturelles Problem, hinter dem meist ein Organisationsversagen steht, beispielsweise eine schlechte Arbeitsorganisation oder unzureichende Kommunikation im Unternehmen.
2 Männer, die sich unterhalten Wenn es zu Fällen von Gewalt im Unternehmen kommt, sind ArbeitgeberInnen dazu verpflichtet, zu handeln und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

Anzügliche Kommentare in der Mittagspause, körperliche Übergriffe durch PatientInnen oder Kunden, schikanierendes Verhalten eines Vorgesetzten, Beleidigungen und Demütigungen unter KollegInnen – diese Beispiele sind keinesfalls isolierte Einzelfälle. Laut einer Eurofound-Studie waren knapp 20 Prozent der ArbeitnehmerInnen in Österreich bereits mehr als einmal mit negativem Sozialverhalten am Arbeitspatz konfrontiert.

Formen der Gewalt
Gewalt am Arbeitsplatz hat viele Gesichter. In der Praxis können unterschiedliche Formen von Gewalt auftreten. Zunächst wird dabei zwischen psychischer und körperlicher Gewalt unterschieden. In den Bereich der körperlichen Gewalt fallen Tätlichkeiten wie Schlagen, Werfen von Gegenständen, Stoßen, Beißen, körperliches Bedrängen, Einschränken der Bewegungsfreiheit, Würgen sowie die Anwendung von Waffengewalt. Gewaltakte im psychischen Bereich umfassen verbale Beleidigungen und Beschimpfungen, Unterdrucksetzung und Erpressungen, Belästigungen, das Bedrohen und Einschüchtern, Demütigen und Erniedrigen, soziale Isolation und absichtliches Ignorieren.

Körperliche Gewalt
Körperliche Gewaltakte werden in der Regel meist von Dritten ausgeübt, also nicht von KollegInnen und Vorgesetzten, sondern eher von KundInnen, Gästen oder PatientInnen. Obwohl dies in fast jedem Unternehmen vorkommen kann, gibt es doch Branchen und Berufsgruppen, die solchen Gewaltakten häufiger ausgesetzt sind als andere – vor allem in Dienstleistungsberufen. Besonders betroffen sind Arbeitskräfte, die in Pflege- und Betreuungseinrichtungen sowie Krankenhäusern oder Rettungsdiensten arbeiten, aber auch ArbeitnehmerInnen, die in Einrichtungen mit Einzel- und Nachtarbeitsplätzen sowie in Bars, Hotels, Restaurants und im Handel tätig sind. Ebenso sind PolizistInnen und Sicherheitskräfte vermehrt dem Risiko körperlicher Übergriffe ausgesetzt.

Mobbing, Staffing und Bossing
In den Bereich der psychischen Gewalt fallen unter anderem Mobbing, Staffing und Bossing. Diese Formen von Gewalt werden im Gegensatz zur körperlichen Gewalt eher nicht von Dritten ausgeübt, sondern geschehen meist intern in einem Unternehmen. Wenn es sich dabei um ArbeitnehmerInnen auf gleicher hierarchischer Ebene handelt, wird von Mobbing gesprochen. Beim Bossing gehen die Angriffe von Vorgesetzten aus und beim Staffing richten sich die Angriffe gegen die Vorgesetzten. Es handelt sich dabei um ein strukturelles Problem, hinter dem meist ein Organisationsversagen steht, beispielsweise eine schlechte Arbeitsorganisation oder unzureichende Kommunikation im Unternehmen.

Mobbing ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

  • Gegen eine bestimmte Person gerichtet
  • Systematisches Vorgehen
  • Über einen längeren Zeitraum
  • Mit einer gewissen Regelmäßigkeit
  • Von einer oder mehreren Personen ausgeübt
  • In einer ungleichen Machtstruktur

Mobbing kann jede/jeden treffen
Mobbing ist oft nicht sofort als solches zu identifizieren. Oft handelt es sich dabei um einen sich langsam entwickelnden Prozess, der sich im Laufe der Zeit zuspitzen kann. Was mit täglichen Konflikten, einzelnen Unverschämtheiten und Gemeinheiten beginnt, kann recht rasch zu Mobbing und Psychoterror übergehen. Vor allem, wenn KollegInnen und Vorgesetzte wegschauen und Strategien der Gegenwehr scheitern, beginnt ein Negativkreislauf, in dem das Selbstvertrauen der betroffenen Person gestört wird. Dadurch kann es in weiterer Folge dazu kommen, dass den Betroffenen durch den verschlechterten psychischen Zustand Fehler in der Arbeit unterlaufen und sie dadurch negativ auffallen bzw. ihnen im schlimmsten Fall sogar eine Kündigung angedroht wird. Das kann weiters zu einem Gefühl von Ohnmacht, psychosomatischen Beschwerden und vermehrten Krankenständen, sozialem Rückzug oder Gewaltbereitschaft führen. Wird diese Negativspirale nicht durchbrochen, steht an ihrem Ende der Ausschluss aus der Arbeitswelt, begleitet von Existenzängsten, Verzweiflung und Depression bzw. in Extremfällen Suizid.

Belästigung
Eine weitere Form der psychischen Gewalt stellen Belästigungen dar. Diese werden vom Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) folgendermaßen definiert: „Eine Belästigung liegt vor, wenn ein Verhalten gesetzt wird, das die Würde der betroffenen Person verletzt oder dies bezweckt, das für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht und anstößig ist und dadurch für diese Person ein einschüchterndes, feindseliges, entwürdigendes, beleidigendes oder demütigendes Umfeld schafft oder dies bezweckt.“ Dabei können unterschiedliche Tatbestände gegeben sein: Alter, Religion, Weltanschauung, ethnische Herkunft, sexuelle Orientierung oder Geschlecht.

In diesen Bereich fällt auch die sexuelle Belästigung. Davon wird nicht nur dann gesprochen, wenn es zu körperlichen Übergriffen kommt, wie unerwünschte körperliche Berührungen oder Aufforderungen zu diesen. Auch verbale Belästigung fällt darunter, wie diskriminierende Kommentare sexuellen Inhalts, anzügliche Witze, unerwünschte Geschenke oder Annäherungsversuche, die mit dem Versprechen von Vorteilen oder der Androhung von Nachteilen verbunden sind. Häufig besteht zwischen Belästigern und Betroffenen ein Abhängigkeitsverhältnis, bei dem eine persönliche Machtposition missbraucht wird.


Folgen von Gewalt am Arbeitsplatz
Die Folgen solcher Vorkommnisse sind sowohl auf individueller als auch betrieblicher Ebene spürbar. Bei den betroffenen Personen können die unterschiedlichen Gewaltakte zur Verletzung der persönlichen Integrität, zu Verunsicherung, Konzentrationsschwierigkeiten und Verlust des Selbstwertgefühls führen. Darüber hinaus können sich gesundheitliche Beschwerden ergeben, wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Magenbeschwerden. Auch psychische Beeinträchtigungen können auftreten, worunter depressive Verstimmungen und posttraumatische Belastungsstörungen fallen. In zahlreichen Fällen tritt zudem ein Kompensationsverhalten auf, das sich in Drogen- oder Alkoholmissbrauch zeigt. Die Folgen treten einerseits im Zusammenhang mit der Arbeit auf, was sich durch schwindende Arbeitsmotivation und -leistung bemerkbar macht – im schlimmsten Fall sogar dauernde Arbeitsunfähigkeit. Andererseits wirkt sich Gewalt am Arbeitsplatz auch auf das familiäre und soziale Umfeld aus.

Auf betrieblicher Ebene beeinträchtigen Mobbing und Gewalt die Zusammenarbeit und das Arbeitsklima. Zu den weiteren Folgen zählen eine Verringerung der Produktivität und Arbeitsqualität bzw. kommt es zu häufigeren Fehlzeiten und Krankenständen sowie zu hohen finanziellen Kosten durch Erfahrungsverlust, Personalsuche und Einschulung. Zudem können Fälle von Gewalt im Unternehmen zu Schadenersatzforderungen, Imageverlust und Verlust der Kundschaft bzw. schwindender Loyalität der MitarbeiterInnen gegenüber dem Unternehmen führen.

All diese Folgen lassen sich durch entsprechende Präventionsmaßnahmen im Rahmen einer gelebten gewaltfreien Unternehmenskultur verhindern.


Hilfe und Prävention
ArbeitgeberInnen obliegt es im Rahmen der Fürsorgepflicht gemäß § 3 ASchG, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der ArbeitnehmerInnen zu sorgen. Wenn es zu Fällen von Gewalt im Unternehmen kommt, sind sie dazu verpflichtet, zu handeln und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Damit es erst gar nicht so weit kommt, sind zudem vorbeugend gezielt Schritte zu setzen, bei denen auch die Mitarbeit von BetriebsrätInnen, Sicherheitsvertrauenspersonen, ArbeitsmedizinerInnen sowie Arbeits- und OrganisationspsychologInnen gefragt ist:

  • Sensibilisierung und offene Kommunikation: Für die Bewusstseinsbildung und Enttabuisierung im Unternehmen braucht es Information und Aufklärung über Ursachen und Auswirkungen von Belästigung und Gewalt auf allen Hierarchieebenen im Unternehmen. Zudem ist eine offene und proaktive Kommunikationskultur besonders wichtig.
  • Etablieren einer gewaltfreien Unternehmenskultur: Es braucht ein klares Bekenntnis zu einer gewaltfreien Zusammenarbeit und damit verbunden klare Regelungen für alle Beschäftigten sowie einen wertschätzenden und respektvollen Umgang mit den ArbeitnehmerInnen. Eine Null-Toleranz-Strategie gegen Gewalt und Belästigung kann im Rahmen einer Betriebsvereinbarung festgehalten und im Unternehmen etabliert werden.
  • Organisatorische Maßnahmen gegen Gewalt: Auf organisatorischer Ebene kann viel getan werden, um Gewalt am Arbeitsplatz zu verhindern. Dazu zählen Maßnahmen wie Zutrittsregelungen, Team- statt Einzelarbeit, wo es möglich ist, bzw. wenn Einzelarbeit erforderlich ist, dauernder Kontakt mit den Beschäftigten oder ein technisches Alarmierungssystem. Auch ausreichend Personal sowie eine Verbesserung der Information von KundInnen und KlientInnen und ein entsprechendes Wartezeitenmanagement tragen ihren Teil zu einer gewaltfreien Arbeitsumgebung bei.
  • Gewaltverhindernde Gestaltung des Arbeitsumfeldes: Auch durch die Gestaltung der Arbeitsumgebung und der Ausstattung können Gewaltakte im Unternehmen verhindert werden. Hierunter fällt beispielsweise eine gute Ausleuchtung von Betriebswegen, das Reduzieren von Geldbeständen in Kassen beispielsweise im Einzelhandel, aber auch die Verwendung von Sicherheitsglas bei Geldschaltern oder für die Kabinen von Straßenbahn- und BusfahrerInnen.
  • Professioneller Umgang mit Gewalt am Arbeitsplatz: Es braucht klare Vorgaben für den Ernstfall. Die Beschäftigten sollten genau darüber instruiert sein, welche Schritte zu setzen sind, wenn sie von Gewalt betroffen sind. Ebenfalls wichtig ist die Beobachtung, Dokumentation und Rückmeldung von Gewalthandlungen im Betrieb. Das Schaffen einer Anlaufstelle im Unternehmen, wo Betroffene sich vertrauensvoll an kompetente Personen wenden können, trägt zudem dazu bei, dass Vorfälle gemeldet und aufgearbeitet werden.

Im Ernstfall sind im Betrieb ArbeitgeberInnen, BetriebsrätInnen, ArbeitsmedizinerInnen, ArbeitspsychologInnen und Personalverantwortliche die erste Anlaufstelle für Betroffene. Zudem gibt es auch externe professionelle Beratungsstellen, die juristischen und psychologischen Beistand leisten können.

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