Gesunde Arbeit

„ArbeitgeberInnen müssen bei Gewalt am Arbeitsplatz handeln!“

Gewalt hat viele Gesichter und kann prinzipiell jede/jeden am Arbeitsplatz treffen. Die „Gesunde Arbeit“ hat mit Prof.in Dr.in Dr.in Christa Kolodej gesprochen – sie ist Psychologin und eine der führenden ExpertInnen zu diesem Thema.
Prof.<sup>in</sup> Dr.<sup>in</sup> Dr.<sup>in</sup> Christa Kolodej, Psychologin: „Wir unterscheiden zwischen drei Formen von Gewalt: der physischen Gewalt, der psychischen Gewalt – hier zählt zum Beispiel Mobbing dazu – und der sexualisierten Gewalt.“
Prof.<sup>in</sup> Dr.<sup>in</sup> Dr.<sup>in</sup> Christa Kolodej, Psychologin: „Führung und strukturelle Rahmenbedingungen sind entscheidend, ob Gewalt sich entwickeln darf und wie damit umgegangen wird.“
Prof.in Dr.in Dr.in Christa Kolodej, Psychologin Prof.in Dr.in Dr.in Christa Kolodej, Psychologin: „Wir unterscheiden zwischen drei Formen von Gewalt: der physischen Gewalt, der psychischen Gewalt – hier zählt zum Beispiel Mobbing dazu – und der sexualisierten Gewalt.“
Prof.in Dr.in Dr.in Christa Kolodej, Psychologin Prof.in Dr.in Dr.in Christa Kolodej, Psychologin: „Führung und strukturelle Rahmenbedingungen sind entscheidend, ob Gewalt sich entwickeln darf und wie damit umgegangen wird.“

Ist Gewalt am Arbeitsplatz überhaupt ein Thema? Wie viele Menschen sind betroffen?
Gewalt am Arbeitsplatz ist in Österreich ein großes Thema. Eine EU-weite Studie hat gezeigt, dass 20 Prozent der ÖsterreicherInnen mindestens einmal von negativem Sozialverhalten, also von Gewalt, betroffen waren. Wir unterscheiden zwischen drei Formen: der physischen Gewalt, der psychischen Gewalt – hier zählt zum Beispiel Mobbing dazu – und der sexualisierten Gewalt (also alle Gewaltformen, die einen sexuellen Bezug haben und gegen den Willen der Betroffenen passieren bzw. wo die Einwilligungsfähigkeit nicht gegeben ist). Die Corona-Zeit stellt einen zusätzlichen Risikofaktor dar. Die Menschen sind angespannt und belastet, vor allem wenn die Lebens- und Arbeitsbedingungen problembehaftet sind. Der Druck führt dazu, dass kleinere Konflikte stärker wahrgenommen werden und eskalieren können.

Welche Bedeutung hat die Arbeitsplatzevaluierung im Kontext von Gewalt am Arbeitsplatz?
Die Arbeitsplatzevaluierung durch Arbeits- und OrganisationspsychologInnen ist zentral. Sie ermöglicht die Erhebung des Status quo – auch in Bezug auf Gewalt und Gewaltvorkommen sowie die Beurteilung und die Entwicklung von Maßnahmen. Ich darf an dieser Stelle eine Untersuchung einer meiner StudentInnen von der Karl-Franzens-Universität Graz erwähnen: Sie hat untersucht, ob es einen Unterschied gibt in Bezug auf die Angebote, die eine Organisation ihren MitarbeiterInnen anbietet, wenn sie in Konflikt- und Gewaltsituationen geraten. Gezeigt hat sich, dass Personen ohne Gewalt- und Mobbingerfahrungen doppelt bis dreimal so viele Möglichkeiten hatten, Unterstützung von der Organisation zu bekommen – durch Klärungsgespräche, Mediationen, Seminare und anderes.

Führung und strukturelle Rahmenbedingungen sind entscheidend, ob Gewalt sich entwickeln darf und wie damit umgegangen wird. Ob Mobbing bzw. Gewalt im Betrieb zum Thema wird, hängt maßgeblich an der Organisationskultur. Gibt es z. B. eine Konfliktkultur, die es ermöglicht, schwierige Situationen frühzeitig anzusprechen? Gibt es Strukturen, die unterstützen, wie z. B. Moderation, Mediation, konkrete Ansprechpersonen oder KonfliktlotsInnen? Und natürlich muss es im Betrieb eine klare Politik der Sanktionen und eine deutliche Position gegen Gewalt geben.


Welche Folgen können Gewalterfahrungen am Arbeitsplatz für Betroffene haben?
Einerseits gibt es die psychischen Folgen: Angstzustände oder z. B. erhöhtes Stressaufkommen. Wenn die Gewalt traumatisch ist bzw. lang andauernd, wie etwa bei Mobbing, dann kann es zur posttraumatischen Stressbelastungsstörung, zu Burn-out-Symptomatiken und natürlich zu Depressionen kommen. Auch physische Erscheinungen können auftreten – hier finden wir vor allem Ein- und Durchschlafstörungen, Magen-Darm-Problematiken und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Nicht übersehen darf man auch, was das mit den Familien der Betroffenen macht. Es sind enorme Belastungen, wenn man über Wochen und Monate zum Beispiel Mobbing ausgesetzt ist – das hat natürlich Auswirkungen. Nicht zuletzt resultieren daraus Folgen für die Betriebe: vermehrte Krankenstände, eine sinkende Motivation, mehr Fehler treten auf, die Loyalität sinkt – und es gibt auch die innere Kündigung der MitarbeiterInnen.

Müssen ArbeitgeberInnen bei Gewalt eingreifen? Was müssen diese konkret tun?
Die Judikatur ist ganz eindeutig: Wenn ArbeitgeberInnen Gewalt zur Kenntnis gebracht wird, müssen sie die Gewalt unterbinden. Wir sprechen hier von der Fürsorgepflicht der ArbeitgeberInnen, und das bedeutet konkret, dass diese angemessen unverzügliche Abhilfe schaffen müssen. Angemessen heißt, dass den Eskalationen entsprechend Maßnahmen gesetzt werden – das können Konfliktmanagementmethoden wie zum Beispiel Klärungsgespräche oder kann eine Mediation sein. Das kann aber auch bedeuten, dass eine Verwarnung ausgesprochen wird oder eine Versetzung, eine Kündigung oder eine Entlassung erfolgt. Die Literatur sagt uns, dass es entscheidend ist, wie Führungskräfte auf Gewalt reagieren. Deshalb ist die Fürsorgepflicht des Arbeitsgebers/der Arbeitgeberin ja auch ganz zentral beim Unterbinden von Gewalt.

Was müssen Führungskräfte bei Konflikten und Mobbing beachten?
Grundsätzlich stellen ein gut gestaltetes Arbeitsumfeld und eine situative Führung die Grundlagen der Mobbingprävention dar. Mobbing ist ein kontextbezogenes Phänomen. Der Kontext bestimmt maßgeblich die Dynamik. Mobbingsituationen stellen letztendlich eine Rückmeldung über einen Bedarf im System Organisation dar. Es ist wichtig, dass man mit Konflikten anders umgeht als mit Mobbing. Konflikte brauchen einen Raum, einen Rahmen und eine Konfliktkultur, damit sie offen und angemessen ausgetragen werden und zu einer kooperativen Zusammenarbeit beitragen können. Mobbing ist eine destruktive Form der Konfliktaustragung, die unterbunden und sanktioniert gehört. Meine Kollegin Petra Smutny und ich haben dazu eine kleine Broschüre geschrieben: „Führungs- und Organisationsverantwortung bei Mobbing“.

Was können Betroffene tun?
Das kommt auf die Form der Gewalt an. Bei drohender körperlicher Gewalt heißt es immer: Sofort die Situation verlassen! Bei Mobbing muss man strategisch vorgehen, da es ein Machtungleichgewicht gibt. Kompetente psychosoziale und juristische Beratung ist wichtig, hier kann man sich an die Arbeiterkammer oder an die Gewerkschaft wenden. Man kann aber auch viel für sich selbst tun. Hierzu habe ich einige Anregungen im Buch „Psychologische Selbsthilfe bei Mobbing“ beschrieben. Um das Geschehen nachweisen zu können, ist ein handschriftliches Mobbingtagebuch hilfreich. Darin sollten Vorkommnis, Uhrzeit, Datum, Beteiligte und mögliche ZeugInnen vermerkt werden. Ganz zentral ist, dass Betroffene die Fürsorgepflicht bei Vorgesetzten einfordern. Bei schwierigen Gesprächen sollten ZeugInnen und/oder der Betriebsrat einbezogen werden.

Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Johanna Klösch, AK Wien

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