Wirkungsvolle Maßnahmen gegen Gewalt am Arbeitsplatz
Vorsorge ist besser als Nachsorge – unter diesem Motto haben die Wiener Linien Kriseninterventionsmethoden und entsprechende Anlaufstellen im Unternehmen etabliert. Dabei geht es einerseits darum, präventiv gegen Gewalt, Mobbing und Belästigung vorzugehen, und andererseits darum, Betroffenen auch im Ernstfall die bestmögliche Betreuung und Hilfestellung anbieten zu können.
Krisenintervention
Aufgrund von vermehrten tätlichen Übergriffen auf das Fahr- und Kontrollpersonal wurde 2009 bei den Wiener Linien ein internes Kriseninterventionssystem eingeführt. Das niederschwellige Betreuungsangebot steht allen ArbeitnehmerInnen, die während ihrer dienstlichen Tätigkeit mit einem Extremerlebnis konfrontiert werden, zur Verfügung. Diese soziale Unterstützung (kurz SOZIUS) wurde seither auch in einer Betriebsvereinbarung im Unternehmen verankert. Dies war wichtig, da sich das Team aus Beschäftigten des Unternehmens zusammensetzt und speziell in Bezug auf die Arbeitszeit und die Rufbereitschaft für Ernstfälle Regelungen geschaffen werden mussten, wann eine Betreuung stattfinden kann.
Neben der Definition von Kann- und Muss-Indikatoren, in welchen Anlassfällen das SOZIUS-Team zum Einsatz kommt und eingreifen kann, sind auch weitere Schritte verankert, wie beispielsweise Entlastungstage nach einem Krisenereignis, um den Betroffenen Zeit zum Verarbeiten des Geschehenen einzuräumen. Zu den Indikatoren zählen sowohl Gewalttaten als auch Arbeitsunfälle bzw. jegliche Art von akuten Traumasituationen. Betreuung erhalten auch jene Personen, die nicht direkt zu den Betroffenen zählen, die aber beispielsweise Zeuge oder Zeugin einer traumatischen Situation wurden. Weiters leistet die psychologische Betreuung einen großen Beitrag zur Erhaltung der Gesundheit der ArbeitnehmerInnen, z. B. durch Stressprävention und psychologische Beratung.
Klares Bekenntnis gegen Gewalt
Von Unternehmensseite gibt es ein ganz klares Bekenntnis gegen Gewalt, Mobbing und Belästigung, das im Leitbild des Unternehmens verankert ist. Michael Dedic, Zentralbetriebsratsvorsitzender der Wiener Linien, betont, dass es sich dabei um essenzielle Grundwerte handelt, die aktiv und offen an die ArbeitnehmerInnen kommuniziert werden und die bereits bei der Einstellung neuen Personals vermittelt werden. Hierzu gibt es Schulungen und Instruktionen, die der Bewusstseinsbildung für die Thematik dienen. Ebenso werden diese Grundwerte auch den jungen ArbeitnehmerInnen im Rahmen der Lehrlingsausbildung von Anfang an weitergegeben.
Ombudsstelle
Für interne Konflikte zwischen KollegInnen bzw. auch zwischen ArbeitnehmerInnen und Vorgesetzten steht den Betroffenen eine Ombudsstelle zur Verfügung. Diese bietet Beratung sowie Hilfestellung bei der Problemlösungsfindung. Sie kann intervenieren und dabei unterstützen, einen Konsens zu finden, was mit entsprechenden Prozessen hinterlegt ist, merkt Dedic an. Zudem weist er auf die quartalsweise Auswertung der Konfliktfälle hin, die von der Ombudsstelle bearbeitet werden. Hierbei ist auch der Betriebsrat involviert – dieser Austausch mit dem Betriebsrat ist ebenfalls in einer Betriebsvereinbarung geregelt. Erfreulicherweise ergeben die Auswertungen, dass nur eine geringe Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen ist.
Systematisches Vorgehen im Ernstfall
Für den Ernstfall wurde ein Stufenplan etabliert, den Gerald Steininger, Betriebsratsvorsitzender der Fahrzeugtechnik, näher ausführt: Der erste Schritt sieht eine Verständigung vor, bei der Vorfälle der entsprechenden Stelle gemeldet werden. Wird beispielsweise ein/eine ArbeitnehmerIn diskriminiert, beleidigt, beschimpft, bespuckt, sexuell belästigt oder körperlich angegriffen, wendet sie oder er sich an die zuständige betriebsinterne Stelle. Im zweiten Schritt erfolgt die Betreuung der/des Betroffenen durch eine geschulte Person. Die Nachbetreuung findet in einem dritten Schritt statt, um – je nach Vorfall – auch langfristig und nachhaltig Beistand zu leisten, die Situation zu lösen bzw. zu verhindern, dass sich in der Zukunft Ängste entwickeln.
Die drei zentralen Säulen
Bei den Wiener Linien gibt es mehrere Stellen, an die sich Betroffene im Bedarfsfall wenden können. Dedic und Steininger fassen das umfangreiche System der Gewaltprävention und Krisenintervention mit drei zentralen Säulen zusammen: SOZIUS-Team, Ombudsstelle und Betriebsrat. Je nachdem, um welchen Anlassfall es sich handelt, kann die entsprechende Stelle aufgesucht und um Hilfe gebeten werden. „Das ist ein System, das in der Praxis sehr gut funktioniert und auch gut angenommen wird“, erzählt Michael Dedic. Er betont, dass sich die ArbeitnehmerInnen auch nicht davor scheuen, im Bedarfsfall Hilfe aufzusuchen, da die Unterstützungsmaßnahmen großen Anklang in der Belegschaft finden. So wird beispielsweise durch Mundpropaganda unter den KollegInnen über die gute Betreuung der einzelnen Stellen gesprochen, was wiederum andere dazu ermutigt, im Fall des Falles ebenfalls die Hilfe und Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
Steininger verweist zudem darauf, dass all die Gespräche, die ihm Rahmen dieser Kriseninterventionen geführt werden, vertraulich behandelt werden und Inhalte innerhalb des Teams bleiben. Es wird nichts an die Arbeitgeberin oder andere Personen weitergegeben – außer dies wird dezidiert von den Betroffenen gewünscht. Hier gilt im Einsatz eine strenge Verschwiegenheitsklausel. Datenschutz steht dabei an oberster Stelle.
All diese Maßnahmen zeigen, dass das Engagement der Beteiligten sowie auch das klare Bekenntnis auf Geschäftsführungsebene dafür gesorgt haben, ein gut funktionierendes System zu etablieren: einerseits zur Prävention von Gewalt, Mobbing und Belästigung sowie andererseits als wichtige Unterstützungshilfe für Betroffene in Krisenfällen.