Kranke Arbeitszeit
„Acht Stunden arbeiten, acht Stunden schlafen und acht Stunden Freizeit“ – dieser vertraute Lebensrhythmus, erstmals gefordert durch den Sozialpolitiker Ferdinand Hanusch, ist seit dem 1. September 2018 Vergangenheit. Die von der Regierung durchgepeitschte Arbeitszeitverlängerung ist in Kraft – die beruflichen und gesellschaftlichen Auswirkungen werden viele ArbeitnehmerInnen auch mittel- und langfristig zu spüren bekommen.
Alter Wein in neuen Schläuchen
Noch kurz vor dem Inkrafttreten des 12-Stunden-Arbeitstages versprachen uns die Gesetzesverantwortlichen: „Mit geblockten 12-Stunden-Tagen wird die 4-Tage-Woche Realität! Endlich mehr Selbstbestimmung für die Beschäftigten bei ihrer Arbeitszeit und Freizeit!“ Ist das wirklich so? Die Fakten: Auch vor der Einführung der Arbeitszeitverlängerung konnten sich die ArbeitnehmerInnen mit geblockten 10-Stunden-Tagen ein verlängertes Wochenende gönnen – das Einvernehmen mit dem Arbeitgeber/der Arbeitgeberin vorausgesetzt. Heute trinken wir den gleichen alten Wein aus neuen Schläuchen – keine Spur von der neuen Selbstbestimmung. Ein Recht auf eine selbstbestimmte 4-Tage-Woche? Fehlanzeige! Ganz so ernst war das mit dem „Mehr an Selbstbestimmung für die Beschäftigten“ wohl doch nicht gemeint.
Ermüdungsausgleich statt Mußestunden?
ArbeitsmedizinerInnen predigen fast schon gebetsmühlenartig: 12-Stunden-Arbeitstage sind grundsätzlich ein Risiko für die Gesundheit der ArbeitnehmerInnen! Noch mehr Vorsicht ist bei geblockten 12-Stunden-Arbeitstagen geboten. Eine Studie der Universität Wien zeigt: Bei einem 12-Stunden-Arbeitstag ist der Ermüdungszuwachs dreieinhalb (!) Mal höher als an einem arbeitsfreien Tag. Wird an zwei aufeinanderfolgenden Tagen jeweils 12 Stunden gearbeitet, steigt die Ermüdung noch weiter an. Die Folge: Die Erholung am Tagesrand reicht nicht mehr aus, um die Ermüdung auszugleichen. Bei zwei geblockten 12-Stunden-Arbeitstagen brauchen wir bereits drei freie Tage, um unseren Erholungs-Akku wieder voll aufzuladen. Ein weiteres Ergebnis der Studie: Die angestaute Ermüdung verhindert es, unsere Freizeit richtig zu genießen. Freizeit 4.0 – Ermüdungsausgleich statt entspannte Mußestunden?
Zeit für die wichtigen Dinge
Auch wenn es die GesetzesmacherInnen nicht hören wollen: Überlange Arbeitstage und geblockte 12-Stunden-Tage rauben den ArbeitnehmerInnen Gesundheit und Energie – vor allem, wenn die nötige Selbstbestimmung fehlt, die Arbeitszeit mit dem Privatleben in Einklang zu bringen. Arbeit darf uns nicht die Kraft und Zeit für jene Bereiche rauben, die uns Menschen Sinn, Erfüllung und Stabilität im Leben geben: Familie, Freunde, Hobbys, Gesundheit und Zeit für uns selbst.