Gesunde Arbeit

„Wir brauchen mehr gute Arbeit!“

Handlungsspielraum in der Arbeit und bei der Gestaltung der Arbeitszeit, die Möglichkeit der Mitbestimmung sowie Anerkennung und Wertschätzung – all das zeichnet gute Arbeit aus, sagt ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian im Gespräch mit der „Gesunden Arbeit“.
Wolfgang Katzian: „Arbeiten bei Hitze ist nicht gesund, manchmal auch gefährlich. Deshalb braucht es im Gesetz eindeutige Temperaturwerte, die ArbeitgeberInnen dazu verpflichten, Maßnahmen zu setzen.“
Wolfgang Katzian ist seit Juni 2018 ÖGB-Präsident. Davor war er von 2005 bis 2018 Vorsitzender der GPA-djp.
Bild von Wolfgang Katzian im Gespräch mit Ingrid Reifinger Wolfgang Katzian: „Arbeiten bei Hitze ist nicht gesund, manchmal auch gefährlich. Deshalb braucht es im Gesetz eindeutige Temperaturwerte, die ArbeitgeberInnen dazu verpflichten, Maßnahmen zu setzen.“
Bild von Wolfgang Katzian 2019 Wolfgang Katzian ist seit Juni 2018 ÖGB-Präsident. Davor war er von 2005 bis 2018 Vorsitzender der GPA-djp.

Als ÖGB-Präsident hast du einen fordernden Job. Wie hältst du dich gesund?
Zuallererst kommt die Freude an unserer Aufgabe: der Einsatz für ein gutes Leben für alle! Im Laufe der Jahre habe ich auch gelernt, meine Grenzen zu kennen und auf mich zu achten. Neben regelmäßigem Schwimmen hilft es mir, ein Team zu haben, auf das ich mich blind verlassen kann. So kann ich etwa auch im Urlaub mal ganz abschalten und getrost auch für ein paar Tage das Handy beiseite legen.

Was zeichnet für dich gute Arbeit aus, die auch gesund hält?
Kurz zusammengefasst: alles, was hilft, nicht im Hamsterrad gefangen zu sein. Dazu gehören etwa Handlungsspielraum in der Arbeit und bei der Gestaltung der Arbeitszeit, die Möglichkeit der Mitbestimmung sowie Anerkennung und Wertschätzung. Die meisten Menschen brauchen auch ein Gefühl der Sicherheit im Job, also einen stabilen Rahmen und ein sicheres und faires Einkommen. Das erleichtert auch die Lebensplanung. All das sind berechtigte Bedürfnisse von ArbeitnehmerInnen, die im Betrieb respektiert werden müssen, wenn man im Gegenzug auch möchte, dass die Leistung stimmt. Geben und Nehmen müssen in der Balance sein. Am besten funktioniert das mit einer guten ArbeitnehmerInnenvertretung im Betrieb – angefangen vom Jugendvertrauensrat über BetriebsrätInnen, Sicherheitsvertrauenspersonen und Behindertenvertrauenspersonen. Sie sind die besten Garanten für ein gutes Miteinander.

Andersherum gefragt: Wie kann krank machende Arbeit verhindert werden und wer soll dies tun?
Arbeit darf nicht krank machen – hier sind eindeutig die ArbeitgeberInnen in der Verantwortung, sie haben dafür Sorge zu tragen. Das ist die sogenannte Fürsorgepflicht. Dabei muss man das Rad nicht neu erfinden – die AUVA zeigt mit viel Know-how, wie gute Präventionsarbeit geleistet werden kann, und unterstützt in der Umsetzung. Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, die Erfahrung lehrt: Dort, wo mit BetriebsrätInnen und Sicherheitsvertrauenspersonen zusammengearbeitet wird, klappt es besser.

Das Gesetz zum 12-Stunden-Tag ist von der Regierung beschlossen worden, obwohl nachweislich lange Arbeitszeiten auf Dauer krank machen. Was werden ÖGB und Gewerkschaften nun weiter tun?
Das Gesetz wurde durchs Parlament gepeitscht, die Möglichkeiten, 12 Stunden zu arbeiten, damit massiv ausgeweitet. BetriebsrätInnen wurde das Recht genommen, auf betrieblicher Ebene einen Ausgleich herzustellen. Wir sind nun dabei, auf Kollektivvertragsebene mühsam wieder Regelungen zu finden, die auch Vorteile für die Beschäftigten bringen. Erreicht haben wir etwa 100%ige Zuschläge in der Metallbranche oder die 4-Tage-Woche im Handel. Diesen Weg werden wir konsequent fortsetzen. Wir werden aber auch unsere Forderung nach Arbeitszeitverkürzung weiterverfolgen.

Welche Änderungen erwarten uns durch das Sozialversicherungs-Organisationsgesetz? Kommt dabei die Prävention auf ein Abstellgleis?
Das Ziel dieser „Reform“ ist, die Selbstverwaltung der ArbeitnehmerInnen auszuschalten und ihren Einfluss deutlich zu schwächen. Die Bundesregierung hält auch nicht hinter dem Berg, welche Interessen dahinterstecken: Lohnnebenkosten senken und Privatisierung vorantreiben. Auch die finanziellen Einschnitte in der AUVA werden wir spüren, gerade in der Präventionsarbeit. Unsere Forderung, dass die AUVA auch gegen arbeitsbedingte Gesundheitsgefährdung präventiv tätig wird, ist damit wohl in weite Ferne gerückt. Das ist insofern bedauerlich, als gerade durch Prävention viel Leid verhindert, aber auch viel Geld eingespart werden kann. Ein gutes Beispiel dafür ist das Projekt der AUVA zur Hautprävention und Rehabilitation. ArbeitnehmerInnen, die durch ihre Arbeit Probleme mit der Haut bekommen, werden von der AUVA umfassend beraten und geschult. Sehr oft können sie dann im Job bleiben. Das Pilotprojekt war so erfolgreich, dass es auf ganz Österreich ausgerollt wurde. Die AUVA wird sich dadurch bis zu 10 Millionen Euro pro Jahr ersparen.

Der Klimawandel macht unsere Sommer immer heißer. Was sind die Forderungen des ÖGB?
Arbeiten bei Hitze ist nicht gesund, manchmal auch gefährlich. Deshalb braucht es im Gesetz eindeutige Temperaturwerte, die ArbeitgeberInnen dazu verpflichten, Maßnahmen zu setzen. Darüber hinaus braucht es auch Klarheit, ab welcher Temperatur in einem Raum nicht mehr gearbeitet werden darf. Die Klimafrage wird zunehmend auch eine soziale Frage: Wer kann sich wie gegen Hitze und vor Naturkatastrophen schützen? Wer muss aufgrund von Klimaveränderungen flüchten? Der ÖGB fordert daher eine verbindliche Klimastrategie ein, die nicht nur auf dem Papier existieren darf.  

Der EGB-Kongress mit über 600 Delegierten aus ganz Europa wird heuer im Mai in Wien stattfinden. Welches europäische Thema im ArbeitnehmerInnenschutz findest du wichtig?
„Kein Krebs durch Arbeit.“ Wir stehen voll und ganz hinter dieser Zielsetzung des EGB. Viel zu viele Menschen erkranken arbeitsbedingt an Krebs, pro Jahr sterben dadurch über 100.000 Menschen in der ganzen EU. Wir Gewerkschaften fordern dringend, die Grenzwerte bei krebserzeugenden Arbeitsstoffen deutlich zu senken, auch bei uns in Österreich. Denn auch in Österreich sterben ca. 1.820 Menschen pro Jahr durch arbeitsbedingte Krebserkrankungen. Diese werden oft nicht als Berufskrankheit gemeldet, dadurch haben wir eine sehr hohe Dunkelziffer bei den Berufskrankheiten. Das hängt auch mit der langen Latenzzeit dieser Erkrankungen zusammen. Die Betroffenen sind oft schon in Pension, wenn sie krank werden. Hier sind besonders die Ärztinnen und Ärzte gefordert, genau nachzufragen, welcher Arbeit die Erkrankten nachgegangen sind, und im Fall der Fälle eine Meldung an die AUVA zu machen.

Welchen Tipp gibst du BetriebsrätInnen und Sicherheitsvertrauenspersonen für die betriebliche Praxis mit auf den Weg?
Meiner Erfahrung nach wissen BetriebsrätInnen und Sicherheitsvertrauenspersonen über die betriebliche Praxis bestens Bescheid. Tipps von mir brauchen sie hier nicht. ÖGB, AK und Gewerkschaften stehen helfend zur Seite, wenn Unterstützung gebraucht wird. Mein Appell: Zögert nicht, diese Hilfe auch in Anspruch zu nehmen!

Ich danke für das Gespräch!
Interview: Ingrid Reifinger, ÖGB

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