„30 ist genug“
Das Onlinemarketing-Unternehmen eMAGNETIX ist ein absoluter Vorreiter, wenn es um gute Arbeitsbedingungen geht. Seit 2018 steht im Betrieb das Motto „30 ist genug“ im Vordergrund, das für eine Arbeitszeitreduktion auf 30 Wochenstunden steht. Doch wie kam es dazu, wie funktioniert das und was sagen die Arbeitnehmer:innen dazu?
Ausgangslage Wir springen zurück in das Jahr 2015. Damals war das Team der Firma eMAGNETIX deutlich kleiner und bestand aus 12 Personen. Klaus Hochreiter, Geschäftsführer und Gesellschafter, hatte eine Schlüsselposition ausgeschrieben und kam das erste Mal mit den Auswirkungen des Fachkräftemangels in Berührung. Denn obwohl er das Gehalt für diese Senior-Stelle weit über dem Branchenschnitt angesetzt hatte, flatterten über Wochen und sogar Monate keine Bewerbungen ins Haus. Dies war der Auslöser für einen Prozess bei dem innovativen Geschäftsführer: Er beschäftigte sich mit den Bedürfnissen der jüngeren Generation und stellte fest, dass für diese Arbeitnehmer:innen der finanzielle Aspekt nicht länger das wichtigste Entscheidungskriterium für eine Jobzusage war. „Das neue Statussymbol ist für viele die Zeit“, fand er heraus. Im Austausch mit Expert:innen aus dem skandinavischen Raum stieß er auf das Konzept der Arbeitszeitverkürzung. „Ich habe sofort gewusst: Das ist es“, erinnert er sich zurück.
Gemeinsam entscheiden Dass alle an Bord geholt werden müssen, um die geplante Arbeitszeitverkürzung im Unternehmen einführen zu können, war Klaus Hochreiter von Anfang an klar. Ihm war es daher wichtig, die Idee so früh wie möglich intern vorzustellen und gemeinsam die Details zu erarbeiten. Die internen Reaktionen waren großteils euphorisch, es waren aber auch kritische Stimmen darunter, die befürchteten, dass sich die Arbeit mit weniger Stunden nicht ausgehen würde.
So begann ein Prozess, in dem gemeinsam evaluiert wurde, wo Zeit eingespart werden könnte, wo es möglich wäre, effizienter zu arbeiten bzw. manuelle Tätigkeiten zu digitalisieren. Die Motivation der Arbeitnehmer:innen war sehr hoch, immerhin hatten sie den Anreiz, pro Woche 8,5 Stunden weniger zu arbeiten, Zeit, die ihnen zusätzlich für Familie, Freizeit und Hobbys zur Verfügung stehen würde. Das Ergebnis des Prozesses war eine Liste mit über 100 Maßnahmen.
Schließlich ging das Projekt Arbeitszeitverkürzung im Herbst 2017 in eine achtwöchige Testphase – überaus erfolgreich. Offiziell verkündet wurde die Einführung der 30-Stunden-Woche nach außen und an die Kund:innen erst im Februar 2018. Klaus Hochreiter wählte hierfür bewusst den 2. Februar aus, den Welttag der sozialen Gerechtigkeit.
Positive Veränderungen Seither hat sich vieles zum Positiven verändert. Die Problematik mit ausbleibenden Bewerbungen hat sich in Luft aufgelöst. Mittlerweile ist das Team von eMAGNETIX auf 40 Personen gewachsen. Auch die Arbeitnehmer:innen sind begeistert. Sie können selbst entscheiden, ob sie die wöchentlichen 30 Arbeitsstunden auf vier oder fünf Tage verteilen möchten. So haben alle die Möglichkeit, die Arbeit flexibel an ihre Bedürfnisse und Lebensumstände anzupassen.
Das hat das Leben von allen sehr verändert. Verena Fleischanderl, Assistenz und Buchhaltung, ist bereits seit der Unternehmensgründung 2009 Teil des Teams und kann einen guten Vorher-Nachher-Vergleich ziehen. „Es hat sich so ziemlich alles verändert“, erzählt sie mit einem Lächeln auf den Lippen. Besonders gut findet sie, dass sie ihre Arbeitszeiten an ihren Partner anpassen kann, der Schichtarbeit leistet. Zudem bemerkte sie positive Effekte auf ihre Gesundheit, da sie sich durch die Arbeitszeitverkürzung viel besser regenerieren kann.
Andreas Gärtner, Beratung und Projektmanagement, stieß 2019 ins Team. In seiner vorherigen Anstellung erlebte er im Rahmen eines All-in-Vertrags oft das Gefühl von Erschöpfung. Bei eMAGNETIX kann er nun eine gute Harmonie herstellen zwischen Beruf, Familie und seinen persönlichen Bedürfnissen: „Ich habe mehr Zeit für Ausgleich und für mich selbst.“
Partizipative Unternehmenskultur Nur mit einer Verkürzung der Arbeitszeit und dem Angebot des ortsflexiblen Arbeitens ist es jedoch nicht getan, weiß Klaus Hochreiter. „Es braucht auch die entsprechende Unternehmenskultur“, gibt er zu bedenken. Bei eMAGNETIX stehen dabei drei Werte im Vordergrund: Mitspracherecht, Eigenverantwortung und Vertrauen. So werden alle Arbeitnehmer:innen bei großen Veränderungen miteinbezogen. Sie werden dazu ermutigt, sich aktiv einzubringen, kritisch zu hinterfragen, ihre Bedürfnisse mitzuteilen und monatlich anonymes Feedback abzugeben. Mitspracherecht gibt es auch bei der Personalsuche: Ein sogenanntes „Culture-Fit-Gespräch“ ist Teil des mehrstufigen Bewerbungsprozesses, wodurch mit bestehenden Mitarbeiter:innen gemeinsam sichergestellt werden soll, dass die neue Person auch wirklich ins Team passt.
Um den Herausforderungen des ortsflexiblen Arbeitens zu begegnen, gibt es im Betrieb pro Woche einen fixen Tag, an dem alle Beschäftigten ins Büro kommen. Dadurch wird der regelmäßige persönliche Austausch ermöglicht und der Teamzusammenhalt gestärkt. Herausforderungen wird es auch in der Zukunft geben, weiß Hochreiter. Doch mit seinem Ansatz, gemeinsam mit den Arbeitnehmer:innen nach Lösungen zu suchen, ist die Firma eMAGNETIX auf einem guten Weg, diese Herausforderungen auch langfristig erfolgreich zu meistern.