Vertrauensarbeitszeit: Ein Modell mit Tücken
Gleich vorweg: Zur Vertrauensarbeitszeit existiert keine spezielle gesetzliche Regelung. Sie hat sich vielmehr aus der Praxis heraus entwickelt und wird als Modell verstanden, mit dem auf eine formelle Zeiterfassung und -kontrolle verzichtet wird. Die Steuerung erfolgt stattdessen durch Zielvorgaben und Ergebnisse. Auch wenn Vertrauensarbeitszeit gelebt wird, treten arbeitszeitrechtliche Regeln und Grenzen hinsichtlich Aufzeichnung, Einhaltung der Normal- und Höchstarbeitszeit, Überstunden, Pausen etc. betrieblich nicht außer Kraft. Das betrifft auch die weitreichende Verantwortung der ArbeitgeberInnen in all diesen Zusammenhängen.
Aus Unternehmenssicht werden durch Vertrauensarbeitszeit Leerläufe reduziert und die Arbeit wird effektiver an den betrieblichen Bedarf abgestimmt. Für die Beschäftigten bedeutet die zugestande Zeitsouveränität eine Chance zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatem. Allem Anschein nach eine Win-win-Situation, deren positive Wirkung auf Arbeitszufriedenheit und Gesundheit der Beschäftigten auf der Hand liegt. Nicht verwunderlich also, dass sich einige Unternehmen den Einsatz von Vertrauensarbeitszeit auch bei der betrieblichen Gesundheitsförderung auf die Fahnen heften.
Die Kehrseite der Medaille
Das mit der Vertrauensarbeitszeit verbundene Risiko einer weiteren Leistungsintensivierung und Entgrenzung der Arbeit ist jedenfalls gegeben. Die Erfahrung zeigt, dass eine arbeitnehmerInnenbestimmte Zeiteinteilung oft Theorie ist, die durch informell vorausgesetzte „Kernzeiten“ und im Betriebsinteresse verstandene Flexibilität konterkariert wird. Überlange Arbeitszeiten und alle damit verbundenen gesundheitlichen Folgen sind vorprogrammiert.
Vertrauen und Regeln schaffen
Die Tendenz zu unkontrollierter und nicht nachweisbarer Mehr- und Überstundenarbeit ist bei Vertrauensarbeitszeit real nicht zu vermeiden. Wird dieses Arbeitszeitmodell eingeführt, ist es umso wichtiger, einen fairen Rahmen festzulegen, der dem geltenden Arbeitszeitrecht entspricht und Instrumente zum Ausgleich der Risiken enthält. Die Evaluierung der Belastungssituation schon vor Einführung des Modells sichert dafür eine gute Ausgangsbasis. Außerdem sollten wirksame Mechanismen festgelegt werden, die eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit verhindern und die ordnungsgemäße Vergütung der tatsächlich erbrachten Arbeitszeit sicherstellen. Dazu gehören soziale Audit-Verfahren wie etwa die regelmäßige Erstellung und Erörterung einer betrieblichen Arbeitszeitbilanz.
Stellen sich Unternehmen ernsthaft diesem verantwortungsvollen Gestaltungsauftrag, wird Vertrauensarbeitszeit auch nicht zum gesundheitlichen Bumerang für die Beschäftigten.