Gesunde Arbeit

Vorarlberg: Weil man Arbeit auch teilen kann

40 BetriebsrätInnen diskutierten einen Tag lang Möglichkeiten und Perspektiven der Arbeitszeitteilung – die Idee der reinen Verkürzung wirft viele Fragen auf.

Freizeit statt Geld. Arbeitszeitverkürzung? Wo doch alle immer länger schuften müssen? Vielleicht gerade deshalb. 40 Betriebsrätinnen und Betriebsräte sowie Gewerkschafter haben sich an diesem Mittwochmorgen in der AK Vorarlberg eingeigelt. Gemeinsam fühlen sie den Tag hindurch der Arbeitszeitverkürzung als Allheilmittel auf den Zahn. Denn ein solches Wundermedikament scheint bitter nötig.

Krank und ungerecht
Wir sind eine kranke Gesellschaft geworden. Im Jahr 2000 hatten 5,41 Prozent aller Krankenstandstage psychische Ursachen. „2014 waren es bereits 12,43 Prozent“, entnimmt VGKK-Obmann Manfred Brunner der Statistik. Wir leben in einer überlasteten Gesellschaft. Im vergangenen Jahr leisteten Frau und Herr Österreicher 268,8 Millionen Überstunden. Und in einer ungerechten Gesellschaft noch dazu, denn 57,4 Millionen Überstunden wurden unbezahlt erbracht.

Ja, es lohnt sich, über andere Arbeitszeitmodelle nachzudenken, weil so viele Menschen am System kaputtgehen. Betriebsrätin Anja Burtscher arbeitet als Psychologin im Krankenhaus Maria Ebene. Sie hat das Bild eines 40-jährigen Patienten vor Augen. „Er ist Techniker. Und alkoholkrank.“ Vor Kurzem hat er das seinem Chef eröffnet. Jetzt ist er in Therapie und sucht Wege zu einem Neuanfang. Es ist die klassische Geschichte. „Die meisten kommen erst zu uns, wenn sie den Job verloren haben.“ Sie halten bis Ende 40 durch, dann sind die Kräfte erschöpft.


Berückend einfach
Aber was hilft? Die Freizeitoption, die derzeit in aller Munde ist? Mehr freie Zeit für sich und die Familie, dafür weniger Lohn? Das muss man sich leisten können. Oder die pure Arbeitszeitverkürzung? Die reicht nicht. Rasch wird im Laufe des Tages klar, dass es eine ganze Reihe an Arbeitszeitmodellen braucht, die auf die jeweiligen Lebenssituationen der Menschen zugeschnitten werden. Es geht um das „alternsgerechte Arbeiten“, betont Kammerrat und Betriebsratsvorsitzender Harald Einwaller, und um ein echtes Teilen der Arbeitszeit.

Denn so kann es nicht weitergehen. Joachim Moser, Vorsitzender des Angestellten-Betriebsrates beim Beschlägehersteller Blum, skizziert die Schwächen im gegenwärtigen Arbeitsalltag, die allen geläufig sind: „Wir gönnen uns immer kürzere Pausen, wir essen am Arbeitsplatz.“ Auch die Freizeit gerinnt zum Stressfaktor. Höher, schneller, stärker – dahinter verbirgt sich auch ein Quäntchen Entspannung. Die Zeiten, in denen man am Feierabend noch zusammenstand, scheinen passé. Aber vielleicht auch nicht. Gewerkschaft und AK Vorarlberg wollen weiter Arbeitszeitmodelle überlegen. Denn, da sind sich alle einig: „Es muss sich etwas ändern.“


Lexikon zum Thema Arbeitszeit
● Arbeitszeit ist die Zeit von Arbeitsantritt bis Arbeitsende ohne Berücksichtigung der Ruhepausen. Wegzeiten zur Arbeit oder von der Arbeit sind grundsätzlich keine Arbeitszeiten (hier sehen Kollektivverträge jedoch teils bessere Regelungen vor).
● Die gesetzliche
Normalarbeitszeit beträgt 8 Stunden pro Tag bzw. 40 Stunden pro Woche. In vielen Kollektivverträgen ist aber eine verkürzte Normalarbeitszeit (z. B. 38,5 Wochenstunden) vorgesehen.
● 
Teilzeitarbeit liegt vor, wenn die vereinbarte Wochenarbeitszeit unter der gesetzlichen oder kollektivvertraglich festgelegten Normalarbeitszeit liegt (z. B. 25 Stunden pro Woche).
● 
Überstunden liegen vor, wenn ArbeitnehmerInnen über die gesetzliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche bzw. die tägliche Normalarbeitszeit von 8 Stunden hinaus Arbeitsleistung erbringen. Für Überstundenarbeit ist in der Regel ein 50-prozentiger Zuschlag zu bezahlen.
● 
Mehrarbeit liegt vor, wenn ein Kollektivvertrag eine verkürzte Normalarbeitszeit festlegt und Arbeitsleistungen über dieses verkürzte Normalarbeitszeitausmaß hinaus bis Erreichen der gesetzlichen Normalarbeitszeit erbracht werden (z. B. KV 38,5 Wochenstunden; daher 1,5 Mehrarbeitsstunden bis 40 Wochenstunden gesetzliche Normarbeitszeit). Diese Mehrarbeit ist gewöhnlich zuschlagsfrei (KV kann Mehrarbeitszuschlag vorsehen).
● 
Mehrarbeit liegt auch vor, wenn Teilzeitbeschäftigte Arbeitsleistungen über das mit ihnen vereinbarte Arbeitszeitausmaß (z. B. 20 Wochenstunden laut Arbeitsvertrag) hinaus und unter dem gesetzlichen Normalarbeitszeitausmaß (in der Regel 40 Wochenstunden) erbringen. Mehrarbeit von Teilzeitbeschäftigten wird zuschlagspflichtig (plus 25 Prozent), wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten als Zeitausgleich abgebaut wird.
● Wenn ArbeitnehmerInnen Beginn und Ende ihrer täglichen Arbeitszeit innerhalb eines zeitlichen Rahmens selbst bestimmen können, spricht man von
Gleitzeit.
● Wenn mehrere ArbeitnehmerInnen einander an einem Arbeitstag auf einem Arbeitsplatz abwechseln („sich einen Arbeitsplatz teilen“), spricht man von
Schichtarbeit.
● Wenn ArbeitnehmerInnen ihren Aufenthaltsort selbst bestimmen können, aber jederzeit erreichbar sein müssen, spricht man von
Rufbereitschaft. Rufbereitschaft ist keine regulär bezahlte Arbeitszeit.
● 
Arbeitsbereitschaft bedeutet, dass sich ArbeitnehmerInnen an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort (in der Regel im Betrieb) zur jederzeitigen Arbeitsaufnahme bereithalten müssen. Arbeitsbereitschaft zählt zur Arbeitszeit.

Die ExpertInnen der Abteilung Arbeitsrecht in der Arbeiterkammer erreichen Sie in allen Geschäftsstellen bzw. telefonisch oder per E-Mail:
E-Mail: arbeitsrecht@ak-vorarlberg.at
Telefon: +43 05 02 58-2000
Fax: +43 05 02 58-2001

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