Gesunde Arbeit

Abbrucharbeiten am Europäischen ArbeitnehmerInnenschutz

Zwei Jahrzehnte einer schwungvollen Entwicklung des europäischen Arbeitsschutzes haben einen relativ umfangreichen Rechtsrahmen geschaffen, der die nationalen Politiken angetrieben hat. Seit Ende der 1990er-Jahre ist jedoch Stagnation eingetreten – aktuell weist die politische Großwetterlage in Richtung Deregulierung.

Unter dem Titel „Gefahr der Deregulierung des Arbeitsschutzrechtes“ hat Jan Cremers in den „CLR-News“ über Entwicklungen der europäischen Rechtsetzung im Bereich des Arbeitsschutzes berichtet. Der viermal im Jahr erscheinende Newsletter wird vom Europäischen Construction Labour Research Institute, einem Netzwerk von Wissenschaftern und gewerkschaftlichen Praktikern, herausgegeben.

Aufwärtsharmonisierung
Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass seit der Verabschiedung der Römischen Verträge das Ziel einer „Aufwärtsharmonisierung“ bei den Arbeitsbedingungen verankert ist und einen Bezugspunkt für die Akteure des Arbeitsschutzes bietet. Mit der Verabschiedung der Europäischen Rahmenrichtlinie und den auf ihr basierenden Einzelrichtlinien sei ein Rahmen für die Mitgliedstaaten geschaffen worden, der auch in Ländern mit einer starken Arbeitsschutztradition „neue Dynamiken mit substanziellen Verbesserungen“ bewirkt habe. Diese Entwicklung basierte auf der von Jacques Delors verfolgten Politik, die in hohen Arbeitsschutzstandards einen Eckpfeiler eines sozialen Europas sah.

Cremers stellt fest, dass diese progressive Phase Ende der 1990er-Jahre zum Erliegen gekommen ist. War in der Folgezeit vor allem „ein Mangel an Initiative“ zu diagnostizieren, ist die Europäische Kommission 2013 dazu übergegangen, aktive Deregulierung im Arbeitsschutzrecht zu betreiben. Eine Reihe von Vorhaben ist von der Kommission suspendiert worden.


Deregulierungstendenzen
Der Autor legt kenntnisreich dar, wie die Arbeit der sogenannten Stoiber-Gruppe („High Level Group on Administrative Burdens“) den Grundsatz, dass der europäische Arbeits- und Gesundheitsschutz nicht ökonomischen Kriterien oder der Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft untergeordnet werden soll, desavouiert hat. Insbesondere ist interessant, dass er diese Politik mit Praktiken der Arbeitsmigration und zeitbefristeter Beschäftigung im europäischen Bausektor konfrontiert. Eine Reihe von Untersuchungen zeigt, dass insbesondere ArbeitsmigrantInnen häufig von Arbeitsschutzeinrichtungen und -maßnahmen ausgenommen sind. Aktuelle Beschäftigungspolitiken untergraben so erreichte Arbeitsschutzniveaus.

Cremers unterstreicht die Notwendigkeit, gegenüber diesen Tendenzen erneut zu insistieren, dass Arbeitsschutz Menschen- und Grundrecht ist, ansonsten würden die Erfolge des Europäischen ArbeitnehmerInnenschutzes bald der Vergangenheit angehören.

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