Wenn die Bandscheiben nicht mehr mitspielen
Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) betreffen Millionen von ArbeitnehmerInnen. In Österreich sind laut Fehlzeitenreport 2020 rund ein Fünftel (21,3 Prozent) aller Krankenstandstage auf Muskel-Skelett-Erkrankungen zurückzuführen. Arbeitsbedingte MSE werden häufig durch schwere körperliche Arbeit und übermäßige physische Beanspruchungen verursacht. Beim Hantieren mit Lasten sind die Bandscheiben (vor allem im Bereich der Lendenwirbelsäule) und der Schultergürtel besonders belastet. In ihrer Verbreitung sind MSE weder ein ausschließlich männliches noch ein ausschließlich altersbedingtes Phänomen: Nach einer europäischen Umfrage haben etwa 7 Millionen Frauen im Gesundheitssektor täglich PatientInnen, die sie bewegen oder heben müssen, und zwei Drittel von ihnen klagen über Rückenschmerzen. Auch im Handel heben europaweit etwa 5 Millionen Frauen schwere Lasten. Den Risikofaktoren schwere körperliche Arbeit, ungünstige Arbeitshaltungen oder repetitive Arbeit sind auch junge ArbeitnehmerInnen vielfach ausgesetzt.
Deutschland als Vorbild?
In Deutschland sind bandscheibenbedingte Erkrankungen der Hals- und Lendenwirbelsäule als Berufskrankheiten anerkannt. Sie gehören zu den am häufigsten gemeldeten Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems. In den Berufskrankheiten-Nummern 2108, 2109 und 2110 der deutschen Berufskrankheitenliste werden Erkrankungen beschrieben, die durch eine überdurchschnittliche Belastung der Bandscheiben der Lendenwirbelsäule oder der Halswirbelsäule entstanden sind. Das kann durch das jahrelange Tragen und Heben schwerer Gegenstände (z. B. bei FleischträgerInnen) oder Tätigkeiten in gebeugter Haltung oder sitzende Tätigkeiten mit Ganzkörperschwingungen (z. B. ungefederte landwirtschaftliche Fahrzeuge) geschehen. Österreich hat diese Art von Erkrankungen noch nicht in seine Berufskrankheitenliste aufgenommen.
Prävention und Anerkennung als Berufskrankheit sind wichtig
Während MSE weit verbreitet sind und bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lenden- und Halswirbelsäule zu längeren Ausfällen führen können, sind sie jedoch keine unüberwindliche Problematik. Da diese degenerativen Erkrankungen häufig auf Fehl- oder Überbelastungen zurückzuführen sind, kann das Risiko durch präventive Maßnahmen gezielt reduziert oder vermieden werden. Wichtig ist die Information über Gefahren, um Fehlbelastungen früh zu erkennen und zu vermeiden. Der Schwerpunkt bei den Verbesserungsmaßnahmen muss jedoch bewusst auf der Verhältnisebene gesetzt werden, d. h. bei der Reduktion der körperlichen Belastung durch technische Hilfsmittel, wie etwa Hebehilfen.