Gesunde Arbeit

Arbeiten mit Gefühl

Die Arbeitswelt hat sich verändert, dementsprechend sind die Anforderungen an den Menschen gestiegen. Immer mehr ArbeitnehmerInnen leisten Gefühls- bzw. Emotionsarbeit. Was das ist bzw. welche gesundheitlichen Folgen entstehen, erläutert Univ.-Prof. Dr. Jürgen Glaser, Professor für Angewandte Psychologie mit Schwerpunkt Arbeit und Gesundheit an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, im Gespräch mit der Gesunden Arbeit.
Univ.-Prof. Dr. Jürgen Glaser: „Emotionsarbeit heißt, eigene Gefühle im Einklang mit beruflichen Anforderungen zu regulieren. Gefühlsarbeit meint die Beeinflussung der Gefühle der InteraktionspartnerInnen im Dienst der Arbeitsaufgaben.“
Univ.-Prof. Dr. Jürgen Glaser: „Wenn Abschalten von der Arbeit bei psychischem Stress nicht, schlecht oder nur mit Substanzgebrauch gelingt, fehlt Erholung von der Arbeit, was in eine Erschöpfungsspirale mit weiteren Gesundheitsproblemen mündet.“
Univ.-Prof. Dr. Jürgen Glaser Univ.-Prof. Dr. Jürgen Glaser: „Emotionsarbeit heißt, eigene Gefühle im Einklang mit beruflichen Anforderungen zu regulieren. Gefühlsarbeit meint die Beeinflussung der Gefühle der InteraktionspartnerInnen im Dienst der Arbeitsaufgaben.“
Univ.-Prof. Dr. Jürgen Glaser Univ.-Prof. Dr. Jürgen Glaser: „Wenn Abschalten von der Arbeit bei psychischem Stress nicht, schlecht oder nur mit Substanzgebrauch gelingt, fehlt Erholung von der Arbeit, was in eine Erschöpfungsspirale mit weiteren Gesundheitsproblemen mündet.“

Wie hat sich die Arbeitswelt in den letzten Jahrzehnten verändert?
Arbeit hat sich verdichtet und wird immer mehr an Kennzahlen gemessen. Globale Zusammenarbeit, neue Technologien und flexiblere Arbeitszeiten – der „lange Arm der Arbeit“ reicht zunehmend in das Privatleben. Ein Großteil der Arbeit wird heute als Dienst in der Interaktion mit Menschen – KundInnen, KlientInnen, PatientInnen, SchülerInnen, MitarbeiterInnen, GeschäftspartnerInnen – verrichtet. Hier zählt nicht nur das Produkt, sondern auch der Prozess und folglich auch, wie Menschen bei der Arbeit miteinander umgehen. Dabei spielen Gefühle eine wichtige Rolle.

Inwiefern hat sich der Stellenwert von Gefühlen am Arbeitsplatz gewandelt?
Ob sich ein Patient/eine Patientin ärgert, der Kunde/die Kundin unsere Arbeit lobt oder Kritik vom Chef/von der Chefin droht – Gefühle wie z. B. Ärger, Angst, Ekel, Freude oder Stolz sind schon immer ein Baustein menschlichen Arbeitshandelns. In den Arbeitswissenschaften und in der betrieblichen Praxis ist das erst allmählich in den Fokus der Aufmerksamkeit gelangt. Die Arbeitssoziologin Arlie Hochschild meint, dass der Umgang mit Gefühlen am Arbeitsplatz ein wichtiger Teil von Erwerbsarbeit und Arbeitsleistung ist. In ihrem Buch „Das gekaufte Herz“ veranschaulicht sie Anforderungen an FlugbegleiterInnen, eigene Gefühle zu managen, und fordert, Emotionsarbeit zu berücksichtigen und zu würdigen. Wenn das Management von Gefühlen in der Arbeit nicht gelingt, sind gesundheitliche Probleme wahrscheinlich. Burn-out ist in helfenden Berufen stark verbreitet. Wir sehen das aber auch im gesellschaftlichen Trend zu mehr „Gefühlsverstimmung“ im pathologischen Sinn. Hiermit meine ich die klinische Diagnose Depression, bei der Antriebs- und Freudlosigkeit nicht nur die Arbeit, sondern alle Lebensbereiche durchdringen.

Was bedeuten die Begriffe „Emotionsarbeit“ bzw. „Gefühlsarbeit“ überhaupt?
Emotionsarbeit heißt, eigene Gefühle im Einklang mit beruflichen Anforderungen zu regulieren. Das geschieht durch Oberflächenhandeln oder Tiefenhandeln. Oberflächenhandeln bedeutet, den gewünschten Gefühlsausdruck (z. B. Freundlichkeit) zu zeigen, obwohl man sich selbst nicht so fühlt. Tiefenhandeln bedeutet, das erwünschte Gefühl tatsächlich bei sich herzustellen. Im Umgang mit Menschen kommt es zu emotionaler Dissonanz, dem Widerspruch zwischen gefordertem Gefühlsausdruck und eigenem Gefühl. Emotionale Dissonanz (z. B. freundlich sein, obwohl man sich ärgert) geht eng mit emotionaler Erschöpfung einher. Während sich Emotionsarbeit auf die Regulierung eigener Gefühle richtet, meint Gefühlsarbeit die Beeinflussung der Gefühle der InteraktionspartnerInnen im Dienst der Arbeitsaufgaben. In Studien in Krankenhäusern wurden Typen von Gefühlsarbeit identifiziert. Dazu zählt die Fassungsarbeit, die darin bestehen kann, dass eine Pflegekraft beruhigend und ermutigend auf einen Patienten/eine Patientin einwirkt, um die schmerzhafte ärztliche Untersuchung zu unterstützen. Oder Erziehungs- und Berichtigungsarbeit, die im Krankenhaus, aber z. B. auch in Schulen nötig ist, um durch Ermahnungen für ungestörte Arbeitsabläufe zu sorgen. Ein vollständiges Bild der Arbeit mit und an Gefühlen entsteht, wenn die Regulierung eigener Gefühle und der Gefühle der InteraktionspartnerInnen berücksichtigt wird. Beides beeinflusst sich, weil der Gefühlsausdruck gegenseitig stimuliert. Hohe Dienstleistungsqualität erwächst daraus, dass beides – Emotionsarbeit und Gefühlsarbeit – gut gelingt. Misslingt dies, entstehen Konsequenzen für Menschen und Unternehmen.

Welche Auswirkungen hat dies auf den einzelnen Arbeitnehmer bzw. die einzelne Arbeitnehmerin und die Organisation?
Neben den erwähnten Folgen misslingender Interaktion in Form von Burn-out oder Depression, kann es bei ArbeitnehmerInnen – je nach Bewältigungsverhalten – zu weiteren Gesundheitsproblemen kommen. Wenn Abschalten von der Arbeit bei psychischem Stress nicht, schlecht oder nur mit Substanzgebrauch gelingt, fehlt Erholung von der Arbeit, was in eine Erschöpfungsspirale mit weiteren Gesundheitsproblemen mündet. Schon im Arbeitsalltag ziehen misslingende Interaktionen Konflikte bis zu Mobbing und Gewalt nach sich. Wenn die durch Personalengpässe geplagte Pflegekraft oder die durch große Klassen überforderte Lehrkraft den Ansprüchen an Interaktionsarbeit nicht mehr genügt, zeigt sich problematisches Verhalten, z. B. gegen Widerstände von PatientInnen arbeiten, durch Drohungen das Klassenklima verschlechtern. Für Organisationen können ebenfalls erhebliche Nachteile entstehen. Kundenzufriedenheit ist gefährdet, aber auch Gesundheitsbeeinträchtigungen, Arbeitsunzufriedenheit, Kündigungsabsichten gehen mit erheblichen Kosten einher.

Welche Möglichkeiten hat hier der/die ArbeitgeberIn, die Arbeitsbedingungen positiv zu beeinflussen?
In erster Linie ist zu gewährleisten, dass die Arbeitsmenge und -komplexität bei ausreichender Personalkapazität ohne Überforderung bewältigt werden kann und dass keine anderen Arbeitsstressoren (z. B. Arbeitsunterbrechungen, Informationsprobleme) vorliegen. Für gelingende Emotions- und Gefühlsarbeit bedarf es aber weiterer Voraussetzungen. ArbeitnehmerInnen brauchen Spielräume und soziale Unterstützung durch Vorgesetzte und KollegInnen, um die hohen Anforderungen interaktiver Arbeit zu meistern. Sie brauchen aber auch interaktive Kompetenzen zur Regulierung eigener und fremder Gefühle. Die Forschung zu „Detached Concern“ von Bettina Lampert in meinem Team zeigt, dass hohe empathische Zuwendung („concern“) verbunden mit hoher Distanzierung („detachment“) Schutz vor Burn-out bietet und zu KlientInnenzufriedenheit führt. Das lässt sich trainieren. Gerade in Berufen mit hohen Interaktionsanforderungen sollten Betriebe gemeinsam mit Ausbildungseinrichtungen für bessere Qualifikation sorgen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Johanna Klösch, AK Wien

Kontakt: Jürgen Glaser, Institut für Psychologie, Universität Innsbruck, juergen.glaser@uibk.ac.at

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