Gesunde Arbeit

Treten, kratzen, beißen: Gewalt im Gesundheits- und Sozialbereich nicht als "Berufsrisiko" abtun

„Gewalt gegenüber Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich darf nicht stillschweigend hingenommen oder als persönliches Problem der Betroffenen verharmlost werden“, sagt Dr. Johann Kalliauer, Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich, mit Blickrichtung auf Arbeitgeber/-innen und Führungskräfte. Auf ihrer Website bietet die AK einen Online-Gewaltcheck an.
Johann Kalliauer
Bild von Johann Kalliauer Johann Kalliauer

Schlagen, treten, kratzen, beißen, stoßen, zwicken, anspucken – das Spektrum ist vielfältig. Eine von der AK in Auftrag gegebene aktuelle Studie („Arbeitsbedingungen in der Langzeitpflege aus Sicht der Beschäftigten“) zeigt das Ausmaß der Gewalt am Beispiel der Alten- und Pflegeheime: Österreichweit sind 35,6 Prozent der Beschäftigten mindestens einmal im Monat körperlicher Gewalt ausgesetzt. In Oberösterreich ist mit 47,9 Prozent fast die Hälfte der Beschäftigten betroffen! Von sexueller Belästigung sind österreichweit 20 Prozent, in Oberösterreich 23,7 Prozent betroffen. Auch am Beispiel der oberösterreichischen Krankenhäuser zeigt sich, dass die Gewalt zunimmt. 41 Prozent der Befragten einer anderen aktuellen AK-Studie stimmen dieser Aussage zu. Und das in einem Arbeitsumfeld, in dem die zunehmende Zahl der Aufgaben ohnehin schon kaum zu bewältigen ist, wie 89 Prozent der Befragten bestätigen.

Zusammenhang zwischen Personalnotstand und Gewalt
Gewalt und Aggressionen entstehen vor allem dort, wo zu wenig Zeit für Betreuung bleibt oder lange Wartezeiten vorkommen. Der Zusammenhang zwischen Gewalt und Personalmangel ist unübersehbar. In Nachtdiensten, in denen es besonders häufig zu gewaltsamen Übergriffen kommt, arbeiten Pflegekräfte meist alleine. Ein Grund mehr für AK-Präsident Kalliauer, ausreichend Personal für den Gesundheits- und Sozialbereich zu fordern: „Wir haben schon mit unseren Studien zum Mindestpflegepersonalschlüssel in den Alten- und Pflegeheimen sowie zur Personalberechnung in den oberösterreichischen Krankenhäusern darauf hingewiesen: Wir brauchen mehr Personal, und das rasch.“ Kalliauer erneuert in diesem Zusammenhang noch einmal sein Angebot an die ressortverantwortliche Landeshauptmann-Stellvertreterin Mag.a Christine Haberlander, die Expertise der AK in einer gemeinsamen Strategiegruppe einzubringen: „Das Land muss jetzt wirklich alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die Situation der Beschäftigten zu verbessern und damit die Qualität der Gesundheitsversorgung in Oberösterreich sicherzustellen.“

Nicht nur körperliche Gewalt verletzt
Häufige verbale Attacken zeigen langfristig die gleiche Wirkung auf die Gesundheit der Beschäftigten wie gewalttätige Übergriffe. Mehr als ein Viertel der Beschäftigten in den Alten- und Pflegeheimen (27,7 Prozent) erlebt mindestens einmal pro Woche Beleidigungen und Beschimpfungen.

Arbeitgeber und Führungskräfte in der Pflicht
Für die Arbeiterkammer geht es darum, alle Beteiligten für das Thema zu sensibilisieren: die Beschäftigten, ihre Vorgesetzten, die Betriebsrätinnen und Betriebsräte, die Träger der Einrichtungen, in denen sie arbeiten, und auch die Patientinnen und Patienten. „Und wir wollen die Führungen in die Pflicht nehmen: Sie sind es, die dafür sorgen müssen, dass ihre Beschäftigten bestmöglich vor jeglicher Art von Gewalt geschützt werden“, ergänzt Kalliauer. Die Arbeiterkammer fordert deshalb eine Konkretisierung der gesetzlichen Regelung zur Verantwortlichkeit der Arbeitgeber/-innen und eine Verankerung der Gewaltprävention als Gesundheitsziel im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz.

Online-Gewaltcheck der AK
Um das Tabu zu brechen und die Beschäftigten zu unterstützen, bietet die Arbeiterkammer Oberösterreich auf ihrer Homepage einen Online-Gewaltcheck. „Damit können Kolleginnen und Kollegen die individuelle Betroffenheit sowie den Umgang mit Gewalt im Betrieb besser einschätzen. Und sie können überprüfen, inwieweit das eigene Arbeitsumfeld gewaltförderlich wirkt“, erklärt AK-Präsident Kalliauer.

Den Online-Gewaltcheck und viele weitere Informationen zum Thema finden Sie auf

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