Gesunde Arbeit

Konkurrenz belastet, Solidarität hilft

Ein Großteil der heutigen arbeitsbedingten Erkrankungen geht auf psychische Belastungen zurück. Erschöpfung, egal ob nun als Depression, Anpassungsstörung oder Burn-out diagnostiziert, ist, wie die Soziologin Stefanie Graefe treffend formuliert, die Staublunge des 21. Jahrhunderts.
Kollegialität und Solidarität dürfen nicht auf der Strecke bleiben.
Symbolbild Solidarität Kollegialität und Solidarität dürfen nicht auf der Strecke bleiben.

Die Anforderungen der Arbeitswelt haben sich in den vergangenen drei Jahrzehnten grundlegend gewandelt und damit auch die Erwartungshaltung an die eigene Arbeitsleistung. Während Erwerbsarbeit noch in den 1970er-Jahren durch äußere Kontrolle und Disziplin geprägt war und klar vom Privatleben abgegrenzt werden konnte, werden Beschäftigte heute vermehrt dazu angehalten, die Erwerbsarbeit als zentralen Teil der eigenen Identität zu begreifen. Damit werden Management- und Marktprinzipien direkt an die Beschäftigten herangetragen, die damit zur Produktivkraft gemacht werden.

In der Konkurrenzfalle
Konkurrenz ist ein grundlegendes Prinzip kapitalistischer Gesellschaften. Doch während sie in der Arbeitswelt alten Typs auf die Konkurrenz zwischen den Unternehmen beschränkt war, wird sie heute gezielt auch als Steuerungsinstrument innerhalb von Belegschaften eingesetzt. Die Angst, im direkten Vergleich zu den Kolleginnen und Kollegen nicht zu bestehen, sowie Avancen, sich die Gunst der Vorgesetzten zu sichern, sind Reaktionen der ArbeitnehmerInnen auf den zunehmenden Druck.

Wenn sich Beschäftigte verstärkt konkurrierend gegenüberstehen, drohen Kollegialität und Solidarität auf der Strecke zu bleiben. „Der Blick auf mögliche Vorteile ist der Todfeind der Bildung menschenwürdiger Beziehungen überhaupt“, so der kritische Theoretiker Theodor W. Adorno.


Ausweg Aufrichtigkeit
Die ehrliche Selbstreflexion und das offene Wort zwischen Kolleginnen und Kollegen, der aufrichtige Austausch über die wahrgenommene Konkurrenz und den verinnerlichten Leistungsdruck können ein erster Ansatzpunkt für den (Wieder-)Aufbau solidarischer Strukturen sein und damit nicht nur therapeutisch wirken, sondern präventiv – im Kleinen – dem verschärften Druck im Betrieb entgegenwirken und informelle Freiräume aufbauen. Diese geöffneten „Poren des Arbeitsalltags“ (Karl Marx) ermutigen, Kritik zu äußern, Nein zu sagen, sich nicht alles gefallen zu lassen, und helfen, die Unmittelbarkeit der Arbeitsanforderungen aufzulösen.

Klar ist aber auch, dass Maßnahmen nicht auf das Betriebsgelände beschränkt bleiben können. Zentral sind gesellschaftspolitische Maßnahmen, die dazu beitragen, Konkurrenz innerhalb der Belegschaften sowie zwischen Arbeitenden (mit welchem Vertrag auch immer) und Arbeitssuchenden zu minimieren. Dazu gehören etwa eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung und Neuverteilung von Arbeit. Um dies einzufordern, bedarf es ebenfalls Solidarität!

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