Gesunde Arbeit

„Ich glaub', ich krieg' die Krise“ – erschütternde Umfrageergebnisse

Die österreichischen ArbeitnehmerInnen im Gesundheitswesen und der Langzeitpflege erleben durch die Corona-Pandemie eine deutliche Beeinträchtigung ihrer psychischen Gesundheit. Die Ergebnisse der Umfrage „Ich glaub', ich krieg' die Krise“ zeigen ein erschütterndes Bild.
Ich glaub', ich krieg' die Krise
Umfrage: Psychische Folgen der Corona-Pandemie Ich glaub', ich krieg' die Krise

Die österreichischen ArbeitnehmerInnen im Gesundheitswesen und der Langzeitpflege erleben durch die Corona-Pandemie eine deutliche Beeinträchtigung ihrer psychischen Gesundheit. Die laufend anwachsenden beruflichen Belastungen sind eine wesentliche Ursache dafür. In der Folge denken immer mehr Berufsangehörige an einen Berufswechsel. Damit verschärft sich die ohnehin bereits bestehende Personalnot im Gesundheitswesen und der Langzeitpflege. Das belegen auch die Ergebnisse der Umfrage „Ich glaub', ich krieg' die Krise“.

Das Fass der Belastungen läuft über
Zentral ist das deutliche Ansteigen der ohnehin bereits hohen Arbeitsbelastung durch ständige, kaum planbare Mehrarbeit. Mehr als sechs von zehn Befragten arbeiten regelmäßig mehr, als in ihrem Arbeitsvertrag vereinbart ist. Und nicht nur der Anteil der regelmäßigen MehrarbeiterInnen ist gestiegen, auch das Ausmaß der Mehrarbeit ufert aus.

Das überlaufende Fass der Belastungen führt zu einer Reihe psychischer Beeinträchtigungen. Mehr als drei Viertel (78,7 %) der Befragten zeigen zumindest eine „geringe“ Symptombelastung im Bereich Depression. Für fast die Hälfte (48,4 %) trifft dies auch für Angst zu. Bei vielen Befragten haben sich entsprechende Beeinträchtigungen eingestellt, die sich negativ im privaten und beruflichen Alltag auswirken. Die drei häufigsten Kategorien sind Schlafprobleme (54,4 %), Vergesslichkeit (48,6 %) und Konzentrationsprobleme (47,1 %). Diese Belastungsfolgen sind nicht nur für die Betroffenen im privaten und beruflichen Alltag schwierig. Sie sind auch für die Sicherheit von kranken und pflegebedürftigen Menschen relevant, weil sie das Risiko für Fehler und Fehlleistungen erhöhen. Wir sind soweit, dass bereits 42,4 % der Befragten aus den Gesundheits- und Sozialbetreuungsberufen mindestens einmal im Monat an einen Berufswechsel (=Berufsausstieg) denken.


Warnung vor Alarmstufe Rot
Gerald Gingold, Vizepräsident und Obmann der Kurie angestellte Ärzte der Ärztekammer für Wien warnt: „Die Situation ist dramatisch. Unsere Kolleginnen und Kollegen sind extrem überlastet, und die Pandemie hat diese Entwicklungen nur noch verstärkt und beschleunigt.“

Diesen Befund bestätigt auch Silvia Rosoli, Leiterin der Abteilung Gesundheitsberufe und Pflegepolitik der Arbeiterkammer Wien: „Dass die Beschäftigten in der Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege schon längst am Ende ihrer Kräfte sind, wissen wir. Aber die Ergebnisse unserer Umfrage sind sogar noch dramatischer, als ich erwartet habe. Fast die Hälfte aller Befragten denkt daran, den Beruf zu verlassen – und sie tun es auch, wie wir an den leerstehenden Betten in den Spitälern und Pflegeheimen sehen. Die Lage ist besorgniserregend, denn wenn es den Beschäftigten im Gesundheitsbereich und der Langzeitpflege schlecht geht, dann geht es auch den PatientInnen und KlientInnen nicht gut, wie zuletzt die Volksanwaltschaft und das Vertretungsnetz in erschreckender Weise berichtet haben.“

Reinhard Waldhör, Vorsitzender der GÖD-Gesundheitsgewerkschaft dazu: „Die ,Offensive Gesundheit’ fordert seit Langem die Umsetzung einer Ausbildungsoffensive in allen Gesundheits- und Pflegeberufen. Nur, wenn wir die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen verbessern, werden wir genügend Menschen für diese Professionen begeistern können. Andernfalls wird sich die Pflegekrise, in der wir uns bereits befinden, drastisch verschärfen.“

Gerald Mjka, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft vida, Fachbereich Gesundheit: „Alarmstufe Rot! Im Gesundheits- und Pflegebereich fehlt es an allen Ecken und Enden an Personal. Die KollegInnen können und wollen nicht mehr unter den seit Jahren immer schlechter werdenden Bedingungen arbeiten.“


Forderungen der Offensive Gesundheit
Wollen wir die ArbeitnehmerInnen im Gesundheitswesen und der Langzeitpflege produktiv und gesund in der Berufsausübung halten, brauchen wir deutlich bessere Arbeitsbedingungen und sofortige Entlastungsmaßnahmen. Das bedeutet:

  • Bearbeitung der Belastungsfolgen, etwa durch psychologische und psychosoziale Begleitung bis hin zur Behandlung von Traumatisierungen. Diese Aufgabe scheint vielen zuständigen EntscheidungsträgerInnen in Politik und in den Geschäftsleitungen noch nicht ausreichend bewusst zu sein.
  • Vermehrte Unterstützung junger KollegInnen am Arbeitsplatz sowie bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
  • Verbesserte Berechnungsregeln für Personaleinsatz, die klar festlegen, wer und welche Arbeitsstunden in Personalschlüssel eingerechnet werden dürfen und wer beziehungsweise welche Stunden nicht.
  • Stabile Dienstpläne für planbare Arbeits- und Freizeit anstatt laufendes Einspringen für durch Weiterbildungen oder Krankheit ausgefallene KollegInnen.
  • Einschränkungen für geteilte Dienste in der mobilen Betreuung und Pflege.
  • Keine Nachtdienste allein pro Zuständigkeitsbereich.
  • Mehr Zeit für die Menschen mit Betreuungs- und Pflegebedarf.
  • Leichterer Zugang in die Schwerarbeitspension, da die Belastungen in diesen Berufen enorm zugenommen haben.

Österreich braucht eine große Anzahl zusätzlicher Menschen in den Gesundheitsberufen bis zum Jahr 2030 – je nach Berechnung in der Pflege 100.000 und in den sieben MTD-Berufen bis zu 30.000 Berufsangehörige. Und in vielen anderen Berufen kennen wir die Bedarfsdimensionen noch gar nicht.

Attraktive Aus-, Fort- und Weiterbildungen sind eine Notwendigkeit. Deshalb braucht es:

  • Kostenfreie Ausbildungen und bezahlte Praktika
  • Echte Existenzsicherung während des zweiten Bildungswegs (zum Beispiel erhöhter Bildungsbonus oder Qualifizierungsgeld).
  • Aufnahme der höheren berufsbildenden Schulen für Gesundheitsberufe ins Regelschulwesen
  • Verkürzte Ausbildungen für Assistenzberufe an den Fachhochschulen

Video der Pressekonferenz am 20. Oktober 2021

PK: Offensive Gesundheit: Ergebnisse der Umfrage „Ich glaub‘ ich krieg‘ die Krise“ from AK Österreich on Vimeo.

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