Gesunde Arbeit

Arbeitsplätze klimafit machen

Die Klimakrise wird in Österreich immer spürbarer. Die Anzahl der Hitzetage, aber auch der Tropennächte, nimmt zu. Gesetze, die Arbeitnehmer:innen vor den gesundheitlichen Auswirkungen der hohen Temperaturen schützen sollen, sind vage formuliert und damit zahnlos. Es muss daher rasch gelingen, Unternehmen dazu zu bewegen, Arbeitsplätze klimafit zu gestalten.
Die Klimakrise ist in der Arbeitswelt angekommen. Die Arbeitgeber:innen tragen die Verantwortung dafür, die Arbeitsplätze für ihre Arbeitnehmer:innen klimafit zu gestalten, um sie vor Hitze oder anderen Wetterextremen zu schützen.
Die Zahl der Hitzetage nimmt stetig zu. Ab einer Lufttemperatur von 32,5 Grad Celsius können Arbeitgeber:innen in der Baubranche Hitzefrei geben.
Für Arbeitnehmer:innen, die im Freien arbeiten, steigt die Gefahr, durch UV-Strahlung an weißem Hautkrebs zu erkranken.
Arbeitsplätze klimafit machen Die Klimakrise ist in der Arbeitswelt angekommen. Die Arbeitgeber:innen tragen die Verantwortung dafür, die Arbeitsplätze für ihre Arbeitnehmer:innen klimafit zu gestalten, um sie vor Hitze oder anderen Wetterextremen zu schützen.
Arbeitsplätze klimafit machen Die Zahl der Hitzetage nimmt stetig zu. Ab einer Lufttemperatur von 32,5 Grad Celsius können Arbeitgeber:innen in der Baubranche Hitzefrei geben.
Arbeiten im freien und weißer Hautkrebs Für Arbeitnehmer:innen, die im Freien arbeiten, steigt die Gefahr, durch UV-Strahlung an weißem Hautkrebs zu erkranken.

„Wir merken, dass die Kollegen, wenn es über 30 Grad hat, an ihre körperlichen Grenzen kommen“, sagt Wolfgang Birbamer, Landesgeschäftsführer der Gewerkschaft Bau-Holz in Wien. Gerade am Bau werde oft mit viel Gewicht gearbeitet, „kommen dann noch hohe Temperaturen dazu, sind die Arbeiter dem Erschöpfungszustand nahe“.

Hitzefrei Die Baubranche ist in Österreich immerhin die einzige Branche, die mit dem Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz zumindest eine Regelung anbietet, die Arbeitnehmer:innen bei Hitze potenziell schützt. Warum nur potenziell? Ab einer Lufttemperatur von 32,5 Grad, festgehalten bei der nächstgelegenen Messstelle der Bundesanstalt GeoSphere Austria, können Arbeitgeber:innen Beschäftigte dienstfrei stellen – müssen dies aber nicht. Machen sie von der Möglichkeit Gebrauch, erhalten die Arbeitnehmer:innen 60 Prozent des Lohns, bezahlt wird dieser aus einem dafür eingerichteten Fonds. Immerhin: Zuletzt stieg die Inanspruchnahme dieser Möglichkeit. 2021 gab es 17 Hitzetage und insgesamt 646 Betriebe gaben ihren Mitarbeiter:innen Hitzefrei. Ersatzzahlungen gab es für 41.091 Arbeitsstunden, dafür flossen aus dem Fonds insgesamt 364.543 Euro. Sie wurden unter 13.962 Arbeitnehmer:innen aufgeteilt. 2022 wurden 21 Hitzetage gezählt. Im Vorjahr gaben allerdings bereits 1.351 Unternehmen ihrer am Bau arbeitenden Belegschaft bei hohen Temperaturen frei und es gingen insgesamt 1,88 Millionen Euro an 38.842 Beschäftigte. Damit wurden 176.467 Arbeitsstunden abgegolten.

Umdenken ist angesagt Für Birbamer ist allerdings auch das keine zufriedenstellende Lösung. „Die betroffenen Kollegen haben dann ja finanzielle Einbußen. Wir fordern daher die Firmen auf, die Arbeit anders einzuteilen.“ An sehr heißen Tagen könne man etwa Innenarbeiten ansetzen – oder man verlege die Arbeiten in die Morgen- oder Abendstunden und lasse die Arbeitnehmer:innen an solchen Tagen nach fünf oder sechs Stunden heimgehen, ohne dass etwas vom Lohn abgezogen werde. „Das hat einen Mehrwert für alle.“
Was sich der Bau-Holz-Gewerkschafter zudem wünscht: „Wir brauchen hier einen allgemeinen Diskussionsprozess. Wir müssen uns hier andere Formen der Arbeitszeit überlegen. Wir müssen umdenken. Es kann ja nicht sein, dass sich die einen auf ein kühles Blondes in den Schanigarten setzen, aber der Kellnerin oder dem Kellner gibt es jedes Mal eine Watschen, wenn sie oder er aus dem klimatisierten Lokal hinaus ins Freie muss.“
Stichwort umdenken: Hier setzt auch Harald Bruckner, Referent in der Abteilung Sicherheit, Gesundheit und Arbeit in der AK Wien, an. Für alle Beschäftigten gelten die Vorgaben des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes und teilweise gilt die Arbeitsstättenverordnung. Darin wird zwar festgehalten, dass Arbeitnehmer:innen vor übermäßiger Hitze zu schützen seien, konkrete Vorgaben – also Höchsttemperaturen – sucht man aber vergeblich.


Klimafitte Arbeitsplätze „Die steigenden Temperaturen sind da“, betont Bruckner. „Jetzt müssen sich die Arbeitgeber:innen überlegen, wie sie die Arbeitsplätze für ihre Arbeitnehmer:innen klimafit gestalten“, fordert der Experte. „Das muss endlich in den Köpfen ankommen.“ Hilfreich wären da klare Vorgaben des Gesetzgebers. „Wir fordern eine gesetzliche Regelung, wonach Arbeitgeber:innen ab einer Temperatur von 25 Grad in Innenräumen verpflichtet werden, Maßnahmen zu setzen, die vor einer weiteren Erwärmung schützen. Erreicht die Temperatur 30 Grad, dürften dann in der Folge Innenräume nicht mehr genutzt werden und Arbeitnehmer:innen bekommen Hitzefrei – das Gleiche hat auch für Arbeitnehmer:innen, die im Freien arbeiten, zu gelten. Was dann nicht mehr funktioniert: dass Arbeitgeber:innen Hitzetage einfach ignorieren.“ Im Außenbereich müssten zudem stärker als bisher die Möglichkeiten von Beschattungen zum Einsatz kommen.
Wichtig wäre aber auch, vor Hitze schützendes Equipment, also persönliche Schutzausrüstung, zu verwenden und dass dies vom Arbeitsinspektorat entsprechend kontrolliert wird, betont Bruckner. Das reicht für im Freien Arbeitende etwa von Sonnenbrillen bis zu langärmeliger UV-Schutzkleidung und Kappen mit Schirm und Nackenschutz. Auch Birbamer wäre dafür, „dass das Arbeitsinspektorat das mitprüft. Wenn der Arbeitsminister hier Verordnungen nachschärfen würde, wäre das hilfreich“.
Bruckner beschreibt drei Gruppen von von Hitze betroffenen Arbeitnehmer:innen: einerseits Beschäftigte in Innenräumen, wie etwa Büros, Werkstätten oder Fabriken, die nicht gedämmt, beschattet oder gekühlt sind. Andererseits sind durch Hitze besonders jene Berufsgruppen belastet, die im Freien arbeiten – von den eingangs bereits angeführten Bauarbeiter:innen über Monteur:innen und Gärtner:innen bis hin zu Erntehelfer:innen. Drittens gibt es zudem jene, die in sehr kleinen, nicht klimatisierten Kabinen arbeiten, wie etwa in Zugführerständen oder Krankabinen. Hier wäre eine Lösung einfach: Es sollten nur mehr klimatisierte Fahrzeuge zum Einsatz kommen dürfen.


Gesundheitliche Auswirkungen der steigenden Temperaturen Die potenziellen Auswirkungen der hohen Temperaturen auf die Gesundheit sind vielfältig: Da ist zum einen die Belastung des Herz-Kreislauf-Systems, die vielen Beschäftigten in Innenräumen zu schaffen macht, bis hin zum Sonnenstich oder Hitzschlag im Freien. Beschwerden wie Dehydrierung, Schwindel und generell Kreislaufprobleme können zudem verantwortlich für Arbeitsunfälle sein. Da ist zum anderen die Gefahr, durch UV-Strahlung an weißem Hautkrebs zu erkranken. Auch grauer Star kann durch diese Strahlung verursacht werden. Verstärkt werden können aber auch Allergien – und last, but not least besteht die Gefahr von Infektionskrankheiten, wie etwa des Dengue-Fiebers, das durch die Tigermücke aufgrund der steigenden Temperaturen inzwischen vereinzelt auch schon in unseren Breiten übertragen wurde.
Fabian Gamper, Referent in der Abteilung Sozialversicherung in der AK Wien, bemängelt, dass die Liste der Erkrankungen, die in Österreich als Berufskrankheit anerkannt werden, zuletzt 2014 aktualisiert wurde. Während es diesbezüglich in Deutschland eine laufende Überarbeitung durch Arbeitsmediziner:innen gebe, werde dies hierzulande auf der politischen Ebene entschieden. „Deswegen sind wir auch immer hinterher.“
Der weiße Hautkrebs beispielsweise ist in Deutschland bereits eine anerkannte Berufskrankheit. Daher liegen dazu Zahlen vor: Von 2021 insgesamt 277.730 Fällen von angezeigten möglichen Berufskrankheiten wurden 123.626 auch als solche anerkannt. 3.025-mal handelte es sich dabei um weißen Hautkrebs. In 808 Fällen wurde eine Rente oder eine andere Geldleistung zuerkannt, 21 Menschen verstarben. Grundsätzlich ist die deutsche Liste der Berufskrankheiten durch die regelmäßige Überarbeitung auch deutlich länger als die österreichische: 82 Berufskrankheiten sind in Deutschland anerkannt, 53 sind es derzeit in Österreich.


Berufskrankheitenliste erweitern! Gamper fordert, die Berufskrankheitenliste wie in Deutschland laufend zu aktualisieren und bei solchen Erkrankungen, die sich bereits auf der Liste finden, aber nur für eine eingeschränkte Beschäftigtengruppe gelten, wie etwa gewisse Karzinome in der holzverarbeitenden Industrie, diese auch auf andere Branchen auszuweiten. Die Anerkennung als Berufskrankheit hat für Betroffene Vorteile. Einerseits sind sie bei Berufsunfähigkeit durch eine Versehrtenrente abgesichert, andererseits sorgt die AUVA für eine umfassende medizinische Behandlung und Betreuung.
„Bei anderen Krankheitsbildern wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen wird es dennoch schwierig bleiben, eine direkte Verbindung zur beruflichen Tätigkeit herzustellen“, sagt der AK-Experte. Hier brauche es mehr Bewusstsein und entsprechendes Agieren der Krankenversicherungsträger. Der graue Star wiederum finde sich zwar bereits auf der Berufskrankheitenliste, aber nur für Beschäftigte in Glas- und Eisenhütten sowie in Metallschmelzereien. Für Outdoor-Worker:innen sei dies noch keine anerkannte Berufskrankheit.
Der Blick in Richtung EU zeigt, dass auch die dort vorgesehenen Regelungen noch recht unkonkret sind. Die EU-OSHA, die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, spreche zwar die Auswirkungen der Klimakrise auf den Arbeitnehmer:innenschutz an, sagt Julia Nedjelik-Lischka, Expertin für Internationales in der Abteilung für Sicherheit, Gesundheit und Arbeit in der AK Wien. „Die Empfehlungen bleiben dann aber sehr allgemein.“


Arbeitnehmer:innenschutz in Lieferketten Immer heißer wird es aber nicht nur in Europa, global machen seit Jahren Dürren und extreme Hitzeereignisse Schlagzeilen. Das spielt dann auch beim Thema Lieferketten eine Rolle. Die EU-Kommission halte daher fest, dass der Arbeitnehmer:innenschutz in den globalen Lieferketten gefördert gehörte, so Nedjelik-Lischka. Ähnliche Statements gebe es auch von den G7 sowie den G20 – Arbeitsplätze sollen sicher sein, töne es da. „Das sind aber leider nur plakative Äußerungen.“
Es ist dafür zu sorgen, dass Arbeitsplätze in Österreich tatsächlich klimafit gestaltet werden. „Unsere Leute wollen ja arbeiten“, betont Birbamer. „Aber es bringt nichts, wenn einer am Dachstuhl arbeitet, ihm schwindlig wird, er herunterfällt und dann verstirbt.“ Eine genaue Statistik zur Anzahl der Arbeitsunfälle, die durch Hitze verursacht wurden, gibt es übrigens nicht. „Das wird nicht gerne publik gemacht, und wenn jemand einen Kreislaufkollaps erleidet, ist es ja auch nicht zwingend die Hitze.“ Umso wichtiger wäre hier vorbeugender Schutz, betont der Gewerkschafter.

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