Gesunde Arbeit

Auftaktveranstaltung zur Europäischen Kampagne "Gesunde Arbeitsplätze - den Stress managen"

Dr. Ingrid Reifinger, Fachexpertin für ArbeitnehmerInnenschutz im ÖGB, und Alexander Heider, Leiter der Abteilung Sicherheit, Gesundheit und Arbeit in der Arbeiterkammer Wien, über die Bedeutung der Kampagne "Gesunde Arbeitsplätze - den Stress managen", die in Österreich am 5.6.2014 mit einer Veranstaltung im Haus der Musik in Wien startet
Ingrid Reifinger, ÖGB
Alexander Heider, AK Wien
Ingrid Reifinger, ÖGB
Alexander Heider, AK Wien

Statement von Dr. Ingrid Reifinger, Fachexpertin für ArbeitnehmerInnenschutz im ÖGB, Bereich Grundsatz, Referat für Gesundheitspolitik
Die Arbeitswelt hat sich seit den 70er Jahren grundlegend verändert, verbunden mit starken Wirkungen auf die Arbeitsbedingungen. Aktuell arbeiten bereits zwei Drittel der Beschäftigten im Dienstleistungsbereich, wo sie zum Teil mit hohen emotionalen Anforderungen konfrontiert sind. Darüber hinaus haben über die letzten beiden Jahrzehnte Managementmethoden Verbreitung gefunden, in denen die menschlichen Potenziale durch neue Steuerungs- und Organisationsformen (Abbau von Hierarchien, Profit-Center, Projektarbeit, Teamstrukturen, Zielvereinbarungen, … ) bestmöglich für das Unternehmen ausgeschöpft werden sollen. Die kommunikativen und sozialen Anforderungen in der Arbeit sind besonders durch die Zunahme von notwendigen Abstimmungs- und Vermittlungsprozessen mit anderen Abteilungen im Unternehmen, aber auch mit KundInnen oder PatientInnen gestiegen. Durch diese Entwicklungen wird die Psyche der ArbeitnehmerInnen bei weitem stärker und intensiver beansprucht als noch vor einigen Jahrzehnten.

Ergebnisse von europaweiten Befragungen von ArbeitnehmerInnen zeigen, dass in Österreich der berufliche Alltag vielfach durch hohe Arbeitsintensität und Zeitdruck geprägt ist. Diese beiden Stressfaktoren nehmen in Österreich seit 1990 kontinuierlich zu. Wir zählen mit diesen hohen Umfragewerten zu den Spitzenreitern in Europa. Dazu kommen als häufige Stressverursacher eine dünne Personaldecke in den Unternehmen, eine hohe Arbeitsmenge, kurzfristig gesetzte Termine, Ressourcenmangel bei der Bewältigung der Aufgaben, Umstrukturierungen und hohe emotionale Anforderungen. Eine Studie des WIFO im Auftrag der AK Wien (2012) hat ergeben, dass die gesamtwirtschaftlichen Kosten von arbeitsbedingten psychischen Belastungen in Österreich bei ca. 3,3 Milliarden Euro jährlich liegen. Die Herausforderung ist deshalb, die Prävention in diesem Bereich zu verbessern.

Da stärkste Instrument zur Prävention auf der betrieblichen Ebene ist die
Arbeitsplatzevaluierung gemäß § 4 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, hier im speziellen die verpflichtende Evaluierung der psychischen Belastungen seit 1. Jänner 2013. Wir setzen hier große Hoffnungen in die Umsetzung von Maßnahmen gegen psychische Belastungen in den Betrieben, die im Zuge der Evaluierung entwickelt werden.

Darüber hinaus gibt es u.a. zwei wichtige
Forderungen des ÖGB, um psychische Belastungen in den Betrieben nachhaltig zu reduzieren:

  • Arbeits- und OrganisationspsychologInnen sollen als dritte gleichwertige Präventivfachkraft zusätzlich zur ArbeitsmedizinerIn und Sicherheitsfachkraft den/die ArbeitgeberIn im Betrieb vor allem bei der Prävention von psychischen Belastungen verpflichtend unterstützen.
  • Die Prävention von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren muss eine Pflichtaufgabe der AUVA werden.

Mehr zum Thema psychische Belastungen können Sie auf der Internetplattform www.gesundearbeit.at lesen, eine Initiative von ÖGB und AK. Sie versteht sich als Lösungswelt zu Sicherheit und Gesundheit in der Arbeit, die alle relevanten Informationen zum Thema zusammenträgt. Die Bandbreite erstreckt sich von aktuellen News, Rechtsvorschriften, Veranstaltungshinweisen, Musterbetriebsvereinbarungen, Studien, Buchtipps, interessanten Broschüren und Links bis hin zum regelmäßig erscheinenden elektronischen Newsletter. Anmeldung für den Newsletter unter www.gesundearbeit.at/newsletter oder direkt auf der Homepage.

Statement von Alexander Heider, Leiter der Abteilung Sicherheit, Gesundheit und Arbeit in der Arbeiterkammer Wien
Zu viel Stress umzudeuten ist Selbstbetrug und macht krank

Mit den Entwicklungen in der Arbeitswelt haben sich auch die krankmachenden Faktoren in der Arbeit verändert. Mittlerweile ist anerkannt, dass psychische Erkrankungen als Folge von Arbeitsbelastungen auf dem Vormarsch sind. Psychische Krankmacher in der Arbeit führen zu enormen psychischem und körperlichem Leid sowie zu hohen Kosten für die Gesamtwirtschaft. Studien belegen, dass die gesamtwirtschaftlichen Kosten auf Grund psychischer Arbeitsbelastungen mit etwa 1,2 Prozent des BIP oder 3,3 Milliarden Euro jährlich anzusetzen sind (arbeitsbedingte Erkrankungen wegen körperlicher Arbeitsbelastungen betragen jährlich rund 2,8 Milliarden Euro).

Übermäßige psychische Arbeitsbelastungen machen ArbeitnehmerInnen nachweislich krank. Sie verursachen nicht nur psychische Störungen, sondern verstärken auch andere Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Muskel-Skelett-Erkrankungen, Magenbeschwerden, Schlafstörungen, Diabetes. Auch andere chronische Krankheiten wie Bluthochdruck als stressbedingte Erkrankung und körperliche Schmerzen im Bewegungs- und Stützapparat zählen dazu.

In den letzten Jahren stiegen psychiatrische Krankheiten drastisch an. Sie liegen bereits an 3. Stelle bei der Anzahl der Krankenstandstage mit 3,1 Millionen Tage (2011) und damit sogar vor den Arbeitsunfällen (2,4 Mio. Tage).

Die Menschen hinter den Statistiken sind real und bilden nur die Spitze des Eisberges ab. Psychische Überforderung ist weder künstlich aufgebauscht noch eine kurzfristige Modeerscheinung. Psychische Arbeitsbelastungen klein zu reden oder mit unzureichenden Maßnahmen das Verhalten oder die Einstellung der Menschen zu beeinflussen, ohne die Ursachen anzugehen, macht ebenso krank.


Evaluierung psychischer Arbeitsbelastungen soll die Verhältnisse ändern

Die Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastungen ist zweifelsohne ein bedeutender sozialpolitischer Fortschritt, wobei ihre betriebliche Umsetzung nur zögerlich erfolgt. Es braucht noch viel Überzeugungsarbeit, trotz eindeutiger gesetzlicher Verpflichtung und der Schwerpunktbildung bei Kontrollen durch die Arbeitsinspektion. Hier ist es Aufgabe der Arbeitsinspektion nach langer „Schonfrist“ ab nun auch mit Strafanträgen die, den Arbeitnehmer/innen geschuldete, Umsetzung zu unterstützen.

Zudem ist zu beobachten, dass die geforderte Qualität und der inhaltliche Umfang bei der Ermittlung und Beurteilung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz nicht immer gegeben sind. Daher sind Arbeits- und Organisationspsycholog/innen zwingend einzubeziehen. Sie verfügen über die Kompetenz die Evaluierung zu planen, durchzuführen und bei der Ableitung passender Maßnahmen zielführend zu beraten. Schließlich brauchen ArbeitgeberInnen die fachliche Unterstützung, weil psychische Erkrankungen, geminderte Arbeits- und Leistungsfähigkeit oder Störungen der Arbeitsorganisation betriebs- und gesamtwirtschaftliche Kosten auslösen, die mittlerweile ein beachtlicher Wettbewerbsfaktor sind.


Weiterführende Maßnahmen sind unerlässlich, wenn psychische Belastungen am Arbeitsplatz hochwirksam und dauerhaft vermieden werden sollen:

  • So ist die Verankerung von Arbeits- und Organisationspsycholog/innen als 3. Säule der betrieblichen Prävention samt adäquater Präventionszeit vordringlich.
  • Es braucht höhere Präventionszeiten für alle Präventivfachkräfte und ein produktives Miteinander von Sicherheitsfachkräften, Arbeitsmediziner/innen und Arbeitspsycholog/innen. Gemeinsam können sie die ganzheitliche Prävention in Betrieben besser vorantreiben.
  • Die Prävention „arbeitsbezogener Gesundheitsgefahren“ soll Pflichtaufgabe im jeweiligen Wirkungsbereich eines Präventionsträgers sein. Die Umsetzung der Prävention „arbeitsbezogener Gesundheitsgefahren“ soll den Unfallversicherungsträgern übertragen werden.

Immer aktuell mit der Lösungswelt Gesunde Arbeit

Die Lösungswelt www.gesundearbeit.at ist die innovative Zusammenführung von Themen zu Sicherheit und Gesundheit in der Arbeitswelt. Ihre Besonderheit ist ihre Vielfalt mit dem Anspruch einer aktuellen Plattform mit laufender redaktioneller Betreuung durch den ÖGB-Verlag. Die Bandbreite erstreckt sich von Rechtsvorschriften, Veranstaltungshinweisen, Wissenswertes zum Arbeitsumfeld, Informationen zu Kampagnen, Studien, Buchtipps, interessante Broschüren und Links bis hin zum regelmäßig erscheinenden elektronischen Newsletter.

Neu ist der kostenlose Zugang zur Online-Datenbank „Gesetze und Verordnungen zum ArbeitnehmerInnenschutz“ mit über 100 Rechtsnormen. Absolutes Highlight sind die aktuellen Meldungen. Der monatlich erscheinende Newsletter erweitert die Perspektive für mittlerweile einige Tausend Bezieher/innen. Die Lösungswelt Gesunde Arbeit wird zu einer Marke, an der in Österreich niemand vorbei kann.

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