Gesunde Arbeit

Schutz – bevor sexuelle Belästigung passiert!

27 Prozent der Frauen sagen laut Statistik Austria, dass sie sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt haben. Arbeitgeber:innen müssen ihre Fürsorgepflicht stärker als bisher wahrnehmen und Arbeitnehmer:innen vor Übergriffen schützen, fordert daher die AK Wien.
27 Prozent der Frauen sagen laut Statistik Austria, dass sie sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt haben.
Belästigte Arbeitnehmerin 27 Prozent der Frauen sagen laut Statistik Austria, dass sie sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt haben.

„Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist in unserer Gesellschaft leider noch immer ein Massenphänomen“, sagt Ludwig Dvořák, Leiter des Beratungsbereichs der AK Wien: „27 Prozent der Frauen sagen laut Statistik Austria, sie haben sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt. Und das obwohl sexuelle Belästigung gesetzlich verboten ist!

Wie können Arbeitnehmer:innen geschützt werden, bevor sexuelle Belästigung passiert? Schlussfolgerungen aus AK-Arbeitsrechtsberatung und -Rechtsschutz hören Sie bei dieser Pressekonferenz:

231130 | PK: Sexuelle Belästigung im Job from AK Österreich on Vimeo.

Das tut die AK
Wir beraten Arbeitnehmer:innen, die von sexuellen Übergriffen im Job betroffen sind, und vertreten sie im Fall des Falles auch vor Gericht. Neben der arbeitsrechtlichen Beratung bieten wir in Zusammenarbeit mit dem Verein sprungbrett eine Telefonberatung für Betroffene von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz an, wenn Betroffene ihre Erlebnisse erst einmal einordnen und darüber reden wollen – vertraulich, kostenlos (ortsüblicher Telefontarif) und auf Wunsch anonym. Act4Respect, 0670 600 70 80, Montag 11 bis 14 Uhr, Donnerstag 16:00 bis 19:00 Uhr.

In Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft VIDA und der Fachgruppe Gastronomie in der Wirtschaftskammer Wien läuft außerdem derzeit eine Umfrage unter Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen zum Thema sexuelle Belästigung. Die Erkenntnisse aus der Umfrage sollen schließlich dazu führen, Schutzkonzepte für Arbeitnehmer:innen in der Gastronomie zu entwickeln.


Fälle

Wegschauen, bis die Arbeitnehmerin das Handtuch wirft

Eine Telefonistin wurde im laufenden Arbeitsverhältnis von einem Kollegen belästigt. Er rief sie ungefragt privat an, lud sie zum Essen und zu sonstigen Unternehmungen ein und machte dabei seine sexuelle Absicht deutlich. Ihre Ablehnung überhörte er. Er machte auch vor Kolleg:innen anzügliche Bemerkungen über den Körper der Arbeitnehmerin. Die Arbeitnehmerin fühlte sich bedrängt, niedergeschlagen, hatte Angst davor, ihre Arbeit zu verlieren, zweifelte an sich selbst und litt unter Schlaflosigkeit.

Die Arbeitnehmerin sprach ihren Vorgesetzen an, der sagte ihr zu, dass ihr Anliegen ernst genommen und geprüft wird. Doch es geschah nichts. Die Arbeitnehmerin wandte sich an die AK, die sie nun bei weiteren Schritten unterstützt. Sie will so schnell wie möglich aus dem Unternehmen ausscheiden.


Es geht auch anders: Arbeitgeber kündigt Belästiger

Dass es auch anders geht, zeigt ein weiterer Fall aus dem Rechtsschutz der Arbeiterkammer Wien: Eine 15-jährige Praktikantin wurde von einem Kollegen mehrfach verbal und körperlich belästigt und bedrängt. Als sie sich dagegen zu Wehr setzte, reagierte er zunehmend aggressiv. Nachdem die Praktikantin den Vorgesetzten verständigt hatte, reagierte der Arbeitgeber unverzüglich und löste das Arbeitsverhältnis des Kollegen auf.

Handelsangestellte wurde geschlagen

Bereits beim Vorstellungsgespräch teilte der Arbeitgeber einer Handelsangestellten mit, sie sei hübsch und fragte, ob sie einen Partner hat. Die Arbeitnehmerin fühlte sich unter Druck und erduldete während des Probemonats Umarmungen und Knuddeleien.

Die Arbeitnehmerin empfand das Verhalten des Arbeitsgebers als extrem übergriffig, auch dass er sie als „seine Chica“ bezeichnete und ihr Luftküsse schickte. Nach einer Eskalation wandte sie sich verzweifelt telefonisch an die Arbeiterkammer, weil sie es im Betrieb nicht mehr aushalte. Nach einem berechtigten Austritt klagte die Arbeiterkammer Wien Kündigungsentschädigung und immateriellen Schadenersatz ein und setzte bei Gericht 8.500 Euro durch.


Arbeitgeber sind in der Pflicht!
Ein richtungweisendes Urteil konnten wir für eine junge Frau erreichen, die von ihrem Vorgesetzten sexuell belästigt wurde. Die AK brachte Klage sowohl gegen den Belästiger als auch gegen das Unternehmen ein, das seine gesetzliche Fürsorgepflicht vernachlässigt hat. Auch das Unternehmen wurde zu Schadenersatz verurteilt, legte jedoch Berufung ein. Die AK gewann das Verfahren jetzt rechtskräftig in zweiter Instanz.

Die junge Frau arbeitete von November 2018 bis März 2021 als Stewardess bei einem Gastronomiebetrieb, der für die Verpflegung von Bahngästen sorgt. Ihr direkter Vorgesetzter belästigte die Arbeitnehmerin mehrfach verbal: Einmal sprach er die Arbeitnehmerin auf ihre Oberweite an.

Beim zweiten Mal äußerte er Spekulationen über ihre sexuellen Praktiken in Anwesenheit ihres Lebensgefährten, der damals ebenso in dem Unternehmen arbeitete. Die Arbeitnehmerin wandte sich an den Stellvertreter ihres Vorgesetzten. Der kündigte an, seine Chefin zu informieren, es erfolgte aber keine weitere Reaktion.

Beim zweiten Vorfall sagte der Stellvertreter gegenüber dem Lebensgefährten der Arbeitnehmerin: „Bruder hör auf, er ist so einer, lass es, er macht das öfters.“ Das Unternehmen schuf keine Abhilfe, das Opfer musste mit dem Täter weiter zusammenarbeiten.

AK Arbeitsrechts-Bereichsleiter Ludwig Dvořák: „Arbeitgeber müssen ihre Fürsorgepflicht stärker als bisher wahrnehmen und Arbeitnehmer:innen vor Übergriffen schützen. Im vorliegenden Fall gab es weder vorbeugende Maßnahmen noch ein klares Prozedere, wer was zu tun hat, wenn es einen Fall von sexueller Belästigung gibt. Was mich besonders erschüttert ist die Aussage des Stellvertreters, dass der Täter das öfter macht. Und trotzdem hat jeder weggesehen!“

Das Oberlandesgericht Wien verurteilte den Arbeitgeber jetzt zu einem Schadenersatz von 2.000 Euro.


Gesetz sagt klar: Arbeitgeber müssen für Schutz sorgen!
Sexuelle Belästigung ist ein Angriff auf die Menschenwürde. Sie ist häufig ein Ausdruck der Machtverhältnisse und betrifft vorwiegend Frauen. Ein Abschieben der Verantwortung auf die betroffenen Frauen ist klar unzulässig. Es gibt kein Verhalten, dass das Opfer setzt, das sexuelle Belästigung oder Übergriffe rechtfertigt.

Unsere Forderungen

  • Bei fehlendem Präventionskonzept: mindestens 5.000 Euro Schadenersatz
  • Verbesserungen für die Betroffenen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses und im Prozess
  • Mehr Geld für Gewaltschutz
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