Gesunde Arbeit

Die historische Entwicklung des ArbeitnehmerInnenschutzes in Österreich

Das ArbeitnehmerInnenschutzrecht ist das älteste Teilgebiet des Arbeitsrechts. Es entstand als Reaktion gegen die Ausbeutung und Verelendung der arbeitenden Bevölkerung in der Frühzeit der industriellen Entwicklung. Am Beginn der Entwicklung der ArbeitnehmerInnenschutz­gesetz­gebung Österreichs standen Maßnahmen zum Schutz jugendlicher ArbeiterInnen.

Veranstaltungshinweis der Redaktion
Am 9. November 2015 wird das 20-jährige Bestehen des österreichischen ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) im AK-Bildungszentrum in Wien feierlich begangen. Darüber hinaus wird im Rahmen dieses Festaktes die Resolution zur österreichischen ArbeitnehmerInnenschutzstrategie bis 2020 durch BM Rudolf Hundstorfer vorgestellt.
Mehr Infos zur Veranstaltung: 9.11.2015: Festakt 20 Jahre ArbeitnehmerInnenschutzgesetz

ArbeitnehmerInnenschutz in der Monarchie
In der Monarchie wurde 1842 die Fabriksarbeit von Kindern unter neun Jahren verboten und für Neun- bis Zwölfjährige mit zehn Stunden täglich begrenzt. Für Jugendliche bis zu 16 Jahren war ein zwölfstündiger Arbeitstag festgelegt worden. Zugleich wurde für Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre die Nachtarbeit in den Fabriken verboten.

Weitere Fortschritte auf dem Gebiet des ArbeitnehmerInnenschutzes brachte 1854 das Allgemeine Berggesetz und 1859 die Gewerbeordnung. Durch die Gewerbeordnung wurde die Arbeitszeit für Kinder und Jugendliche abermals herabgesetzt. Außerdem enthielt sie Vorschriften über die Erlassung von Arbeitsordnungen und über Einrichtungen, durch die sich die Behörde jederzeit Kenntnis von der Lage der ArbeitnehmerInnen eines Betriebs verschaffen konnte. Aber erst 1883 entschloss man sich zur Einsetzung von Gewerbeinspektoren, um die Einhaltung der damals noch wenigenArbeitnehmerInnenschutzvorschriften in den Betrieben zu überwachen.

Mit der 2. Novelle zur Gewerbeordnung im Jahr 1885 kam es dann zu einem weiteren Ausbau des ArbeitnehmerInnenschutzes. Diese Novelle legte den elfstündigen Arbeitstag fest, Fabriksarbeit war erst ab 14 Jahre gestattet, und Jugendliche bis zu 16 Jahren durften nur zu leichten Arbeiten herangezogen werden. Darüber hinaus wurden erste Vorschriften zur Verhütung von Betriebsgefahren erlassen und das Trucksystem wurde verboten.

1895 brachte das Sonntagsruhegesetz die Arbeitsruhe an Sonntagen.

1913 sind die Bestimmungen der Gewerbeordnung zum ArbeitnehmerInnenschutz ergänzt worden. Diese Vorschriften blieben im Wesentlichen unverändert bis Ende 1972 in Kraft. Sie waren die gesetzliche Grundlage für die später zahlreich erlassenen Verordnungen zum „technischen“ ArbeitnehmerInnenschutz.


Erste Republik: Achtstundentag
In der Ersten Republik wurde unter Ferdinand Hanusch im Bereich des ArbeitnehmerInnenschutzes vor allem der Arbeitszeitschutz auf der Grundlage des Achtstundentages (1919) neu geregelt und der Kinderschutz verstärkt.

1921 verabschiedete der Nationalrat das Gewerbeinspektionsgesetz, das den sachlichen Geltungsbereich und die Amtsbefugnisse der Gewerbeinspektion den durch die sozialpolitische Entwicklung geänderten Erfordernissen anpasste.


Neue Regelungen und Verbesserungen nach 1945
Nach 1945 kam es in allen drei Bereichen des ArbeitnehmerInnenschutzes zu deutlichen Verbesserungen. Neu geregelt wurde z. B. die Arbeitsruhe an Feiertagen, der Jugendschutz, der Schutz der HeimarbeiterInnen und der Mutterschutz. Das Arbeitsinspektionsgesetz löste die in der NSZeit und im Krieg erlassenen Arbeitsaufsichtsvorschriften ab. Zahlreiche Vorschriften zum „technischen“ ArbeitnehmerInnenschutz, wie etwa die Allgemeine Dienstnehmerschutzverordnung, Bauarbeiterschutzverordnung usw., traten in Kraft. Auf Grundlage einer neuen Bestimmung in der (alten) Gewerbeordnung wurde mit der Maschinen-Schutzvorrichtungsverordnung ein vorbeugender Gefahrenschutz geschaffen.

40-Stunden-Woche
1969 ersetzte das Arbeitszeitgesetz die Arbeitszeitordnung und brachte eine etappenweise Verkürzung der Arbeitszeit auf wöchentlich 40 Stunden.

Arbeitnehmerschutzgesetz 1973
1973 ist das Arbeitnehmerschutzgesetz wirksam geworden. Es löste den nach heutiger Auffassung nicht mehr zur Gewerbeordnung gehörenden Rechtsbereich des ArbeitnehmerInnenschutzes von der Gewerbeordnung.

Arbeitsinspektionsgesetz
Im Jahre 1974 erhielt die Arbeitsinspektion durch das Arbeitsinspektionsgesetz eine neue Rechtsgrundlage.

Nachtschicht-Schwerarbeitsgesetz
1981 wurde das Nachtschicht-Schwerarbeitsgesetz (NSchG) erlassen. Dieses Gesetz brachte für eine bestimmte ArbeitnehmerInnengruppe unter anderem einen verstärkten vorbeugenden Gesundheitsschutz.

Arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Betreuung
Die arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Betreuung der ArbeitnehmerInnen ist 1982 auf Betriebe mit über 250 Beschäftigten durch eine Novelle zum Arbeitnehmerschutzgesetz sowie durch die Verordnung über Einrichtungen in den Betrieben für die Durchführung des Arbeitnehmerschutzes ausgeweitet worden.

Arbeitsruhegesetz
Im Jahr 1983 beschloss der Nationalrat das Arbeitsruhegesetz, das mit 1. Juli 1984 in Kraft trat.

Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung
Mit Jahresbeginn 1984 wurde die Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) wirksam, die die Allgemeine Dienstnehmerschutz-Verordnung aus dem Jahr 1951 großteils ersetzte.

Arbeitsinspektionsgesetz
Mit dem am 1. 4. 1993 in Kraft getretenen Arbeitsinspektionsgesetz wurden die Aufgaben und Befugnisse der Arbeitsinspektion neu geregelt. Die wichtigste Neuerung betraf die Regelung zur Bestellung zum/zur verantwortlichen Beauftragten. Für die Einhaltung von ArbeitnehmerInnenschutzvorschriften dürfen ArbeitnehmerInnen nur dann zum/zur verantwortlichen Beauftragten bestellt werden, wenn sie leitende Angestellte sind, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind.

Anpassung an EU-Recht
Schon 1992 wurde mit den Verhandlungen zur innerstaatlichen Umsetzung von 21 EU-Arbeitnehmerschutzrichtlinien gemäß Artikel 118a EWG-Vertrag begonnen, weil sich Österreich mit dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum dazu verpflichtete. Dabei kam der Grundsatz zur Anwendung: Soweit das geltende österreichische Recht strenger ist, ist es beizubehalten, soweit EU-Recht strenger ist, muss das österreichische Recht angepasst werden.

ArbeitnehmerInnenschutzgesetz 1994
Das neue ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, Ergebnis intensiver Sozialpartnerverhandlungen, wurde am 25. 5. 1994 vom Nationalrat beschlossen. Obwohl etliche Neuregelungen Kompromisslösungen sind, stellt das neue Gesetz einen Meilenstein auf dem Weg zu mehr Gesundheit in der Arbeitswelt dar.

Gesetzesnovellen
Im Jahre 1988 wurde die Gewerbeordnung novelliert. Auf Grundlage des erweiterten § 71 der Gewerbeordnung wurden 1994 mehrere Verordnungen erlassen, deren Zweck die Festlegung von grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen für das Inverkehrbringen von technischen Erzeugnissen sind, und zwar unabhängig davon, ob sie gewerblich oder privat verwendet werden sollen. Anzuführen sind vor allem die Maschinen-Sicherheitsverordnung, die Verordnung über das Inverkehrbringenund Ausstellen von persönlichen Schutzausrüstungen und die Aufzüge- Sicherheitsverordnung. Diese Verordnungen basieren auf Richtlinien der Europäischen Union gemäß Artikel 100a EWG-Vertrag.

Mit der Novellierung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes sind mit 1. 1. 1997 die Fristen, bis wann die Evaluierung abgeschlossen sein muss, sowie die Vorgangsweise bei Anpassung und Ergänzung und einfachere Dokumentationspflichten in Arbeitsstätten mit bis zu 10 ArbeitnehmerInnen festgelegt worden.

Mit der neuerlichen Novellierung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes trat am 1. 1. 1999 die arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Betreuung auch für ArbeitnehmerInnen in Arbeitsstätten mit weniger als 51 Beschäftigten in Kraft, wobei sich der tatsächliche Betreuungsaufwand aus den abzuarbeitenden Problemstellungen und aus der Erfüllung der Aufgaben des Arbeitsmediziners/der -medizinerin und der Sicherheitsfachkraft ergibt. Auf Wunsch des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin übernehmen die Präventionszentren der Unfallversicherungsträger die arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Betreuung.

Mit 1. 1. 2002 trat das Arbeitnehmerschutz-Reformgesetz in Kraft, mit dem das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 und das Bauarbeitenkoordinationsgesetz geändert wurden. Bedeutsame Neuerungen sind beispielsweise gefahrenangepasste, flexible Präven- tionszeiten und die Einführung einer arbeitspsychologischen Betreuung zur Bekämpfung der massiv ansteigenden psychischen Belastungen in der Arbeitswelt.

Mit Wirksamkeit vom 1. Juli 2012 wurde das Verkehrs-Arbeitsinspektorat als letzte noch bestehende Sonderarbeitsaufsicht im Zuständigkeitsbereich des Bundes in die Arbeitsinspektion des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz eingegliedert. 1999 wurde der ArbeitnehmerInnenschutz für die Mineralrohstoffgewinnung von den Bergbehörden in die Zuständigkeit der Arbeitsinspektion übertragen. Schon seit 1978 ist die Arbeitsinspektion für die Überwachung des Bedienstetenschutzes in den Dienststellen des Bundes zuständig.

Nach schwierigen Verhandlungen gelang den Sozialpartnern am 2. Mai 2012 die Einigung zur gesetzlichen Verankerung der Evaluierung psychischer Arbeitsbelastungen Die Novelle zum ArbeitnehmerInnenschutzgesetz trat am 1. Jänner 2013 ohne Übergangsfrist in Kraft. Die ASchG-Novelle regelt die Ermittlung und Beurteilung von psychischen Belastungen und Gefährdungen am Arbeitsplatz und deren Vermeidung unter Anwendung der Grundsätze der Gefahrenverhütung. Die Erhaltung der psychischen Gesundheit der ArbeitnehmerInnen und die Evaluierung psychischer Arbeitsbelastungen wurden eindeutig und klar als Arbeitgeberpflicht formuliert. Die Arbeits- und OrganisationspsychologInnen sind bei der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren als beizuziehende geeignete Fachleute ausdrücklich genannt. Die Novelle hat zum Ziel, dass durch die konkrete Evaluierung psychischer Belastungen die notwendigen Änderungen im Arbeitsprozess herbeizuführen sind, um so die Weiterentwicklung der Prävention zur Eindämmung psychischer Arbeitsbelastungen voran zu treiben. Durch verstärkte Prävention von psychischer Belastungen und Gefährdungen am Arbeitsplatz soll der Zunahme von arbeitsbedingten Erkrankungen und Invaliditätspensionen aufgrund psychischer Erkrankungen entgegengesteuert werden.

Autor: Alexander Heider, AK Wien
Quelle: Skriptum AR-08a - ArbeitnehmerInnenschutz I: Überbetrieblicher ArbeitnehmerInnenschutz

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