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vida-/AK-Erfolg: 72 Stunden Auszeit nach schweren Unfällen

Mit der Novellierung des Eisenbahngesetzes werden Bahnbedienstete nach schweren Unfällen für 72 Stunden dienstfrei gestellt und erhalten Anspruch auf notfallpsychologische Betreuung.

Adobe Stock / benjaminnolte

Unfälle, Tod, Gewalt oder andere Katastrophen – immer wieder werden ArbeitnehmerInnen am Arbeitsplatz mit Extremereignissen konfrontiert. Solche Ausnahmesituationen stellen für Betroffene eine massive psychische Belastung dar. Auf Initiative der Gewerkschaft vida und der Arbeiterkammer werden nun TriebfahrzeugführerInnen und andere Betriebsbedienstete, die unmittelbar ZeugInnen eines schweren Unfalls werden, endlich auch per Gesetz für 72 Stunden von jeglicher Arbeitsleistung freigestellt. Warum ist das wichtig?

Schockzustand nach traumatischem Erlebnis ist normal …

Nach Extremereignissen sind Betroffene oft in einem Schockzustand (akute Belastungsreaktion). Das ist eine normale menschliche Reaktion, die sich jedoch unterschiedlich äußeren kann: Anzeichen sind z. B. eine eingeschränkte Aufmerksamkeit, Rückzug, Angst, Verzweiflung, Erstarrung, Unruhe, Ärger, Depression oder die Unfähigkeit, Reize zu verarbeiten. Wichtig hierbei: Die Symptome können rasch wechseln und bis zu drei Tage (72 Stunden) anhalten. Oft empfinden sich Betroffene innerlich wie taub – Gefühle werden nicht mehr wahrgenommen. Menschen können daher nach Extremsituationen auf Außenstehende völlig sachlich und locker wirken.

… aber Weiterarbeiten ist ein Risiko

Das unmittelbare Übergehen zur Tagesordnung, sprich: Weiterarbeiten, als ob nichts wäre, ist nach einem traumatischen Erlebnis nicht nur eine enorme psychische Belastung, sondern stellt – etwa beim Führen von Triebfahrzeugen – auch ein Risiko für die eigene Gesundheit, die Gesundheit von KollegInnen sowie Fahrgästen dar. Warum? Die Symptome einer akuten Belastungsreaktion können, wie erwähnt, schnell wechseln: Jemand, der eben noch die Ruhe in Person war, kann plötzlich völlig andere Verhaltensweisen zeigen und von seiner Tätigkeit abgelenkt sein. Ein Risiko, vor allem in den sicherheitsrelevanten Bereichen, das es zu verhindern gilt. Wichtig ist es auch, Betroffene nach einem traumatischen Erlebnis nicht alleinzulassen und ihnen im Bedarfsfall professionelle Hilfe anzubieten. Der neue gesetzliche Anspruch auf notfallpsychologische Betreuung ist ein wesentlicher Schritt zur Vermeidung von psychischen Folgeschäden wie etwa einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Eisenbahn als Vorbild für andere Branchen

Die neuen Regelungen bei der Bahn sind ein Meilenstein zur Erhaltung der psychischen Gesundheit Betroffener nach Extremereignissen. Die Konkretisierung im Eisenbahngesetz ergibt sich aus den Anforderungen des ArbeitnehmerInnenschutzes. Im nächsten Schritt ist diese auf alle Beschäftigten, die während der Arbeit unvermittelt in eine Ausnahmesituation katapultiert werden, auszuweiten. Denn: Traumatische Ereignisse können jede/n treffen – egal an welchem Arbeitsplatz.

Magazin Gesunde Arbeit 2/2021