Begünstigte behinderte Personen im Betrieb – ein unausgeschöpftes Potenzial
In einer Zeit, in der sich manche Betriebe händeringend nach Fachkräften umsehen und die Lücke im Beschäftigtenstand unter anderem durch weiterarbeitende Pensionist:innen gefüllt werden soll, gibt es mit den begünstigten Behinderten eine Personengruppe, deren Potenzial größtenteils unausgeschöpft ist.
Begünstigte Behinderte sind Arbeitnehmer:innen, bei denen per Bescheid ein Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent festgestellt wurde. An diesen Status ist eine Reihe von Vorteilen für die Beschäftigten geknüpft. So dürfen begünstigte Behinderte aufgrund ihrer Behinderung nicht schlechter entlohnt werden als ihre Kolleg:innen und sind durch das Behinderteneinstellungsgesetz umfassend vor Diskriminierung geschützt. Außerdem kommt ihnen ein besonderer Kündigungsschutz zugute.
Sollte der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis aufkündigen wollen, muss er bzw. sie vorher die Zustimmung des sogenannten Behindertenausschusses einholen. Dieses Gremium, welches sich unter anderem aus Vertreter:innen der Behindertenorganisationen und der beruflichen Interessenvertretungen wie Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer zusammensetzt, berät in weiterer Folge, ob der Kündigung zugestimmt werden kann. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin gänzlich unfähig geworden ist, die vertraglich vereinbarten Tätigkeiten weiter auszuüben, sich einer beharrlichen Pflichtverletzung schuldig gemacht hat oder der Arbeitsplatz zur Gänze wegfällt. Ohne die Zustimmung des Behindertenausschusses ist eine Arbeitgeber:innenkündigung rechtsunwirksam. Für Dienstverhältnisse, die vor dem 1.1.2011 begründet wurden, gilt der Kündigungsschutz mit Ablauf von 6 Monaten; für danach begründete Arbeitsverhältnisse mit Ablauf von 4 Jahren.
Neben dem Behinderteneinstellungsgesetz sehen auch einige Kollektivverträge spezielle Regelungen wie zum Beispiel einen Sonderurlaub vor, welcher eine zusätzliche Entlastung für Beschäftigte mit begünstigter Behinderung bieten soll.
Vorteile für Arbeitgeber:innen
Doch auch Arbeitgeber:innen profitieren durch eine Reihe gesetzlicher Bestimmungen: So zahlen sie für die Löhne der begünstigten Behinderten keine Lohnnebenkosten. Der Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds, der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag und die Kommunalsteuer entfallen komplett.
Unternehmen werden andernfalls zur Kasse gebeten, wenn sie die sogenannte Beschäftigungspflicht nicht erfüllen. Ab einer Größe von 25 Arbeitnehmer:innen sind sie gesetzlich dazu verpflichtet, eine begünstigte behinderte Person und für jeweils weitere 25 Arbeitnehmer:innen eine weitere einzustellen. Wird die Pflicht nicht erfüllt, zahlen die Arbeitgeber:innen die sogenannte Ausgleichstaxe.
Für 2025 beträgt die Ausgleichstaxe für jede Person, die zu beschäftigen wäre, für Dienstgeber und Dienstgeberinnen bis 100 Beschäftigte monatlich 335 Euro. Abweichend davon gilt:
- Dienstgeber und Dienstgeberinnen mit 100 oder mehr Beschäftigten haben eine Ausgleichstaxe von monatlich 472 Euro für jede Person, die zu beschäftigen wäre, zu entrichten.
- Dienstgeber und Dienstgeberinnen mit 400 oder mehr Beschäftigten haben eine Ausgleichstaxe von monatlich 499 Euro für jede Person, die zu beschäftigen wäre, zu entrichten.
Die Beträge werden durch Verordnung des Sozialministeriums jährlich angepasst.
Während einige wenige Unternehmen die Quote übererfüllen, zeigt sich, dass ein Großteil lieber zahlt, als die Inklusion der Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt zu fördern. Acht von zehn Unternehmen erfüllen die Quote überhaupt nicht, obwohl bei Erfüllung ein breites Förderangebot durch das Sozialministeriumservice und das Arbeitsmarktservice angeboten wird.
Die Behindertenvertrauensperson
Wenn in einem Betrieb mindestens fünf begünstigte behinderte Arbeitnehmer:innen beschäftigt sind, ist eine Behindertenvertrauensperson und ein:e Stellvertreter:in zu wählen. Aktiv wahlberechtigt sind alle begünstigten behinderten Arbeitnehmer:innen, welche am Tag der Wahlausschreibung und am Tag der Wahl im Betrieb beschäftigt sind. Die Behindertenvertrauensperson übernimmt im Einvernehmen mit dem Betriebsrat die Wahrung der wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen sowie kulturellen Interessen von begünstigten Behinderten im Betrieb. Insbesondere ist es ihre Aufgabe, die Einhaltung der sie betreffenden gesetzlichen Bestimmungen zu überwachen.
Tatjana Lanc ist seit 2009 die Behindertenvertrauensperson der Arbeiterkammer Niederösterreich und hat durchwegs positive Erfahrungen in der Tätigkeit gemacht: „Als Vertrauensperson unterstütze ich die Kolleg:innen bei Fragen im Arbeitsalltag und helfe bei Themen wie der Wiedereingliederungsteilzeit, der Beantragung des Behindertenpasses oder bei steuerrechtlichen Angelegenheiten. Ich mache außerdem von meinem Recht Gebrauch, an den Sitzungen unseres Betriebsrates teilzunehmen. Der Beratungsmechanismus funktioniert hier ausgezeichnet und meine eingebrachten Vorschläge werden immer berücksichtigt, ernst genommen und wertgeschätzt. Im Allgemeinen bin ich sehr froh darüber, dass wir die Beschäftigungspflicht im Betrieb erfüllen und die Zusammenarbeit sehr gut funktioniert.“
Fazit
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass ein System an Schutzbestimmungen, Vorteilen und Förderungen besteht, welches den Beteiligten im Arbeitsverhältnis zugutekommt. Von dem fachlichen Know-how, das die begünstigten Behinderten in ihre Unternehmen einbringen, und einer gelebten Inklusion profitieren wir alle. 17 Jahre nach der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention ist es längst an der Zeit, diese Chancen auch endlich zu nutzen.
Mag. Konstantin Prager, AK-Niederösterreich-Experte für Sozialrecht und Sozialpolitik
Magazin Gesunde Arbeit 2/2025, Niederösterreich-Ausgabe