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Muskel- und Skeletterkrankungen (MSE)

Körperlich belastende Arbeit führt häufig zu Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes. Diese Erkrankungen sind in Österreich weit verbreitet und verursachen bereits fast jeden fünften Krankenstandstag (2023: 18,5 Prozent). Maßnahmen zur Reduktion der körperlichen Belastungen bei der Arbeit sind daher dringend erforderlich!

Körperlich belastende Arbeit führt häufig zu Erkrankungen des Muskel- Skelett-Systems und des Bindegewebes. Adobe Stock / Wosunan

Wer ist besonders gefährdet?

Viele Berufe sind betroffen, das Risikobewusstsein ist hingegen gering. Körperliche Arbeitsbelastungen treten in den unterschiedlichsten Branchen und Arbeitsfeldern auf. Die Bandbreite der Belastungen reicht von sich ständig wiederholenden Tätigkeiten, dem Arbeiten über Kopf, langem Stehen und Sitzen bis hin zum Heben, Tragen, Ziehen und Schieben schwerer Lasten. Vor allem in den Branchen Pflege, Landwirtschaft, Bau und Handwerk, Paketzustellung, Gastronomie, Datenverarbeitung ist das Risiko hoch.

Die 3 häufigsten Risikofaktoren:

  • Sich wiederholende Hand- oder Armbewegungen
  • Langes Sitzen
  • Heben oder Bewegen von Menschen oder schweren Lasten

Quelle: ESENER-Erhebung 2019; EU-OSHA

Gesundheitliche Folgen

  • 301.400 Erwerbstätige haben Rückenprobleme
  • 193.800 Arbeitnehmer:innen haben Schmerzen in Nacken, Schultern, Armen und Händen
  • 131.300 Personen haben Beschwerden mit Hüften, Beinen und Füßen

Quelle: Statistik Austria 2020

Physische und biomechanische Risikofaktoren

  • Manuelle Handhabung von Lasten, v. a. beim Beugen und Drehen des Körpers
  • Gleichförmig wiederholte (repetitive) oder kraftbetonte Bewegungen
  • Ungünstige und statische Körperhaltungen und -bewegungen
  • Erschütterungen (z. B. Ganzkörper- und Hand-Arm-Vibration)
  • Mangelhafte Beleuchtung oder kalte Arbeitsumgebungen
  • Schnell getaktete Arbeitsabläufe
  • Längeres Sitzen oder Stehen in derselben Position (einseitige Belastung)
  • Geringe physische Aktivität am Arbeitsplatz („Bewegungsarmut“)

Organisatorische und psychosoziale Risikofaktoren

  • Hohe Arbeitsanforderungen und geringe Autonomie
  • Nicht ausreichende Pausen oder keine Möglichkeiten, die Arbeitshaltungen zu verändern
  • Hohe Arbeitsdichte, hohes Arbeitstempo, Zeitdruck, häufige Störungen und Unterbrechungen
  • Lange Arbeitszeiten oder Schichtarbeit
  • Mobbing, Gewalt, Belästigung und Diskriminierung am Arbeitsplatz
  • Geringe Arbeitszufriedenheit
  • Geringe soziale Unterstützung, belastendes Sozialklima
  • Konflikte zwischen Arbeit und Privatleben
  • Arbeitsplatzunsicherheit
  • Informationsmangel oder Informationsüberlastung

Häufigste arbeitsbedingte Muskel- und Skeletterkrankungen

  • Bandscheibenschäden oder Bandscheibenvorfall
  • Rückenschmerzen
  • Arthrose (Abnützung des Gelenkknorpels)
  • Karpaltunnelsyndrom (eingeklemmter Armnerv)
  • Repetitive-Strain-Injury-Syndrom (wiederholte Belastung, die zu Nacken-, Schulter-, Arm- bzw. Handbeschwerden führt, z. B. „Mausarm“)
  • Sehnenscheidenentzündung
  • Muskelzerrungen und Muskelrisse
  • Bänderrisse und Bänderüberdehnungen
  • Knorpel- und Meniskusschäden – z. B. durch ständiges Arbeiten im Hocken

 

Gestaltungsmöglichkeiten

Evaluierung der Arbeitsplätze

  • Arbeitsplätze und Arbeitsabläufe müssen regelmäßig evaluiert und Belastungen für Arbeitnehmer:innen erhoben werden (siehe Arbeitsplatzevaluierung nach § 4 ASchG).
  • Anschließend müssen wirksame Maßnahmen zur Reduktion der Risiken festgelegt und umgesetzt werden.

Menschengerechte Gestaltung der Arbeit

  • Arbeitsplätze und Arbeitsabläufe sind nach ergonomischen Gesichtspunkten, an die Menschen angepasst, zu gestalten.

Ergonomische Gestaltung der Arbeitsplätze

  • Arbeit ergonomisch gestalten und dadurch Muskel-Skelett-Erkrankungen vorbeugen bzw. durch gezielte Maßnahmen reduzieren.

Verhältnis- und verhaltensbezogene Maßnahmen

  • Um die Gesundheitsgefährdungen zu vermeiden oder zu verringern, braucht es verhältnis- (Gestaltung von Arbeitsplätzen, Arbeitsabläufen, Arbeitsmittel oder Arbeitsumfeld) und verhaltensbezogene Maßnahmen (Rückenschule, Entspannungstraining, Ausgleichssport).

Ganzheitliche Prävention

  • Ein ganzheitlicher Präventionsansatz, mit einer sinnvollen Verknüpfung von Partizipation und multidisziplinärer Herangehensweise, kann die Multikausalität (aus körperlichen und psychischen Risiken) von MSE aufgreifen.
  • Die Arbeitsbedingungen werden mittels einer ineinandergreifenden Kombination an organisatorischen, technischen und persönlichen Maßnahmen verbessert.
  • Arbeitgeber:innen haben zur Unterstützung bei der Gestaltung der Arbeitsplätze und -abläufe die Präventivfachkräfte (Sicherheitsfachkraft und Arbeitsmedizin) sowie andere Fachleute, insbesondere Arbeits- und Organisationspsycholog:innen und Ergonom:innen, heranzuziehen.

Forderungen

AK und ÖGB setzen sich in diesem Zusammenhang für folgende rechtliche Änderungen ein:

  • Schaffung einer Durchführungsverordnung zur manuellen Handhabung von Lasten (Lastenhandhabungsverordnung) gemäß § 72 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz
  • Festsetzung verbindlicher Grenzwerte für das Bewegen von Lasten unter Heranziehung der neuesten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse, wobei auch die Gesamtlast im Rahmen der Tagesarbeitszeit zu berücksichtigen ist
  • Anerkennung von MSE als Berufskrankheit: Nach wie vor werden viele Belastungen der heutigen Arbeitswelt und der diesbezügliche Wissensstand nicht ausreichend in der Berufskrankheitenliste berücksichtigt.
Broschüren und Ratgeber
  • Arbeitnehmer:innenschutz und Gesundheit
    Arbeitnehmer:innenschutz und Gesundheit
    Ein umfassender und funktionierender Arbeitnehmer:innenschutz ist Grundvoraussetzung für die Sicherung und Erhaltung der Gesundheit der Arbeitnehmer:innen. Die Broschüre „Arbeitnehmer:innenschutz und Gesundheit“ der AK Wien unterstützt bei der betrieblichen Umsetzung von Vorschriften des Arbeitnehmer:innenschutzes. Stand: April 2023
    Download (PDF, 613 KB)
  • Heben und Tragen | Richtig anpacken auf gesunde Art
    Heben und Tragen | Richtig anpacken auf gesunde Art
    Einen großen Teil Ihres Lebens verbringen Sie in der Arbeit. Deshalb sollten die körperlichen Belastungen dort so gering wie möglich gehalten werden. Das gelingt nur dann, wenn Betriebe sowohl Arbeitsplätze als auch Tätigkeiten sicher und zeitgemäß gestalten. Auch Ihre Mitwirkung und Ihr Wissen vom Arbeitsalltag sind gefragt. Dieser Ratgeber unterstützt Sie dabei. Stand: Mai 2023
    Download (PDF, 5 MB)
  • Arbeiten mit chronischen Muskel- und Skeletterkrankungen
    Arbeiten mit chronischen Muskel- und Skeletterkrankungen
    Die EU-OSHA erklärt in einem Informationsblatt einfach, was rheumatische und Muskel- und Skeletterkrankungen (RME) sind. Hervorgehoben wird, wie wichtig es ist, Arbeitsplätze anzupassen, um zu gewährleisten, dass Arbeitnehmer:innen mit diesen Erkrankungen auf ihrem Arbeitsplatz bleiben bzw. dahin zurückkehren können, zumal RME mit der Zunahme älterer Arbeitskräfte häufiger werden. Stand: 2021
    Download (PDF, 590 KB)
  • Körper- und Gefahren-Mapping bei der Prävention von Muskel- und Skeletterkrankungen (MSE)
    Körper- und Gefahren-Mapping bei der Prävention von Muskel- und Skeletterkrankungen (MSE)
    Eine Möglichkeit, Gruppen von Beschäftigten aktiv in die Gefahrenerkennung und die Gefährdungsbeurteilung einzubeziehen und an Entscheidungen über Lösungen zu beteiligen, sind die interaktiven Methoden des Körper-Mappings und des Gefahren-Mappings.
    Download (PDF, 848 KB)

 

Magazin Gesunde Arbeit 1/2025, Stamm-Ausgabe