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Indirekte Steuerung – vom Sein und Schein der Freiheit

Flexibilität, Autonomie, freie Zeiteinteilung, Arbeiten im Café – ein neues Arbeitsparadies für Beschäftigte? Oder doch nur Scheinfreiheit und Köder mit dem Ziel der betrieblichen Profitmaximierung?

Fotolia/ dp@pic

Moderne Managementkonzepte orientieren sich zunehmend weg von konkreten Vorgaben und Anweisungen durch Vorgesetzte – was zählt, sind das Ergebnis und der Erfolg der Beschäftigten. „Tu, was du willst, aber sei profitabel!“ (Jakob Schrenk, 2007) beschreibt die Stoßrichtung des Konzepts der „indirekten Steuerung“.

Beschäftigte bekommen UnternehmerInnenverantwortung

Indirekt gesteuerte Betriebe weiten die Verantwortungs-, Handlungs- und Entscheidungsspielräume ihrer Beschäftigten gezielt aus. Die Arbeit ist meist in Projekten oder Teams organisiert. Konkrete Anweisungen vom Chef sind rar. Stattdessen müssen die Beschäftigten eigenständig Kennziffern, Benchmarks bzw. „vereinbarte“ Ziele erreichen. Das Unternehmen gibt nur mehr „motivierende“ Rahmenbedingungen vor.

Die Verantwortung für die Zielerreichung sowie die Beseitigung von Hindernissen (und damit für den Erfolg/Misserfolg des Betriebs) wird „nach unten“ delegiert. Klaus Peters, Pionier der Erforschung indirekter Steuerung, schreibt: „In den Unternehmen geht es heute darum, die Leistungsdynamik von Selbstständigen und Freiberuflern bei unselbstständig Beschäftigten hervorzurufen“ (2016).

Erzwungene Selbstausbeutung vs. selbstbestimmte Überforderung

Von außen betrachtet erhalten Beschäftigte mehr Freiheit und Flexibilität, gleichzeitig entstehen Gefahren. Teams bzw. Standorte werden in einen internen Wettbewerb geschickt: Der Grad der Zielerreichung wird laufend verglichen – innerbetrieblicher Druck und Konkurrenz entstehen. Zielvorgaben werden kontinuierlich erhöht. Arbeitsverdichtung, Beschleunigung und Entgrenzung schleichen sich ein. Nicht bewältigte Arbeit wird zunehmend in der Freizeit erledigt, um die Vorgaben erreichen zu können. Die „erzwungene Selbstausbeutung“ wird dabei als „selbstbestimmte Überforderung“ erlebt (Kratzer, 2012).

Unbewusste Fremdsteuerung

Indirekte Steuerung führt letztlich zu einem Konflikt zwischen den eigenen Wünschen (z. B. ich möchte nach Hause zu meiner Familie) und den ArbeitgeberInneninteressen (Profitmaximierung/Zielerreichung). Zweiteres bekommt durch die Dynamik der „gefühlten Verantwortung“ oft die Oberhand, eigene Bedürfnisse werden untergeordnet. Die Konsequenz: Zur Erreichung der (oft unrealistischen) Ziele werden von den Beschäftigten Schutzbestimmungen unterlaufen (z. B. Arbeitszeitüberschreitungen). Damit nicht genug. Regelungen, die dem eigenen Schutz dienen, werden schließlich als lästiges Hindernis bei der Erreichung „meiner“ Ziele wahrgenommen. Moment mal – wessen Ziele?