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Arbeiten im Takt des Lebens

Alternsgerechte Arbeitszeitgestaltung beginnt nicht kurz vor der Pension, sondern beim Eintritt in das Berufsleben. Jedes Alter und jede Lebensphase bringt ihre Hochs und Tiefs mit sich – sei es durch berufliche Übergänge oder familiäre Veränderungen, die es zu berücksichtigen gilt. Doch wie kann eine lebensgerechte Arbeitszeitgestaltung aussehen?

Arbeitssituationen, die einem in jüngeren Jahren nicht zusetzen, können später zur Belastung werden. Eine frühzeitige, individuelle Arbeitszeitgestaltung hilft, diese zu vermeiden. Adobe Stock / Medienzunft Berlin

Wer morgens um vier Uhr für die Frühschicht die Werkshalle betritt, denkt selten täglich darüber nach, wie lange er noch seinen Job in der Form machen kann. Die langen Schichten, Lärm, mitunter Kälte oder sehr hohe Temperaturen – all das gehört oftmals dazu. Doch was heute Teil der Routine ist, kann in zwanzig Jahren zur Belastung werden. Wenn man über alternsgerechte Arbeitszeitgestaltung spricht, denkt man an Menschen kurz vor der Pension. Doch das ist ein Trugschluss: Sie beginnt dort, wo junge Menschen ihre ersten Schritte ins Berufsleben machen. „Denn eigentlich geht es um lebensgerechte Arbeitszeitgestaltung und die Möglichkeit, die Arbeitsumstände an die eigenen Bedürfnisse anpassen zu können“, so Martin Müller, Arbeitsrechtsexperte des ÖGB. 

Zeitautonomie FÜR Arbeitnehmer:innen

Während Gleitzeit eine der denkbaren Optionen ist, sieht Arbeitsrechtsexperte Müller ein Problem, wenn die Flexibilität auf Kosten der Beschäftigten und zum Vorteil der Unternehmen ausgenutzt wird – etwa durch lange Durchrechnungszeiträume und kurzfristige Dienstplanänderungen. Essenziell seien Planbarkeit, Vorhersehbarkeit und die Möglichkeit, selbst zu bestimmen, wann Stunden geleistet und Erholzeiten individuell gelegt werden. Er erklärt: „Zeitautonomie in diesem Ausmaß ist natürlich nicht in allen Berufen möglich. Aber wenn wir zum Beispiel an die Pflege denken, dann sollten Mitarbeiter:innen die Möglichkeit haben, Dienstpläne mit großem Vorlauf zu erhalten und Wünsche äußern zu können.“ 

Vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten

In der Praxis gibt es eine Vielzahl an Gestaltungsmöglichkeiten, die es erlauben, Arbeitszeiten den individuellen Lebensphasen der Mitarbeitenden anzupassen:

  • Modelle mit großer Zeitautonomie wie Gleitzeit 
  • Anspruch, die Arbeitszeit bei Bedarf zu reduzieren und wieder zu erhöhen 
  • Schichtplangestaltung: langfristige Planung und Berücksichtigung der Wünsche der Beschäftigten, längere Ruhezeiten 

Prävention statt Überlastung

In den letzten Jahrzehnten stieg die Belastung in vielen Berufen an. Arbeitnehmer:innen sind häufig rund um die Uhr erreichbar. „Wie viel mehr wir heute beruflich leisten müssen, hat sich nicht in den Lohnabschlüssen niedergeschlagen. Natürlich ist das enorm belastend und gab es das so vor vierzig Jahren einfach noch nicht“, so Müller.

Belastungen zu reduzieren und flexibler auf Zeitbedürfnisse in unterschiedlichen Lebensphasen einzugehen, muss präventiv für alle Mitarbeitenden im Unternehmen umgesetzt werden. Müller betont: „Wir müssen im Arbeitsleben auf die Bedürfnisse von Menschen mehr eingehen.“ In Betrieben ist der Betriebsrat ein wichtiger Hebel, um solche Forderungen durchzusetzen und Veränderungen anzustoßen.

 

Magazin Gesunde Arbeit 4/2025, Stamm-Ausgabe