Ungeregelte Plattformarbeit darf nicht die Norm werden
Plattformarbeiter:innen arbeiten systematisch mit Scheinverträgen und die Auftraggeber:innen umgehen geltendes Arbeits- und Sozialrecht. Bei rund zwei Drittel der kontrollierten Zusteller:innen wurde eine falsche Dienstnehmereigenschaft festgestellt.
Die Ergebnisse des kürzlich bundesweit durchgeführten Kontrollschwerpunkts der Finanzpolizei und der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) bei Essenszusteller:innen bestätigen, was die Gewerkschaft vida seit Jahren kritisiert: Sogenannte „Plattformarbeiter:innen“ arbeiten systematisch mit Scheinverträgen und die Auftraggeber:innen umgehen geltendes Arbeits- und Sozialrecht. Bei rund zwei Drittel der kontrollierten Zusteller:innen wurde eine falsche Dienstnehmereigenschaft festgestellt. Hintergrund der Kontrollen waren die in den letzten Monaten vermehrt aufkommende Fälle, in denen echte Dienstverhältnisse zu freien Dienstverhältnissen umgewandelt wurden. „Was jetzt aufgedeckt wurde ist nur die Spitze des Eisbergs. Das ist nicht Unwissenheit oder Zufall – das ist ein eigenes Geschäftsmodell und eine bewusste Systematik, die darauf aufbaut, Verantwortung auf die Schwächsten auszulagern“, sagt Markus Petritsch, Vorsitzender des vida Fachbereichs Straße.
Prekäre Plattformarbeit
Allein in Wien sind über 3.000 Personen für Essenszustelldienste unterwegs. Hochgerechnet auf die Ergebnisse der Kontrollen bedeutet das, dass rund 2.000 von ihnen in einem echten Arbeitsverhältnis stehen müssten – mit Ansprüchen auf Sozialversicherung, geregelte Arbeitszeiten, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsanspruch. Stattdessen werden sie in freie Dienstverhältnisse oder in die Scheinselbstständigkeit gedrängt – ohne soziale Absicherung, ohne Mitbestimmung, ohne Zukunftssicherheit und oftmals ohne Hintergrundwissen dazu.
Umsetzung der EU-Richtlinie gegen unregulierte Plattformarbeit
Für die Gewerkschaft vida ist klar, dass es mehr braucht als punktuelle Kontrollen. Die Politik ist gefordert, endlich verbindliche Regeln für Plattformarbeit zu schaffen. „Die bestehenden Missstände lassen sich nur beheben, wenn die Plattformbeschäftigten rechtlich als echte Arbeitnehmer:innen anerkannt werden. Wer weisungsgebunden und in betriebliche Abläufe integriert arbeitet, muss auch rechtlich abgesichert sein – mit allen arbeits- und sozialrechtlichen Konsequenzen“, sagt Petritsch.
Seit Jahren fordert die Gewerkschaft vida eine Regelung für Plattformarbeiter:innen und betont die Notwendigkeit, freie Dienstnehmerverhältnisse abzuschaffen, die im wachsenden Plattformsektor weit verbreitet sind. Internationale Konzerne umgehen damit gezielt Arbeitsstandards, um Risiken wie schlechte Auftragslage oder Krankheit auf die Beschäftigten abzuwälzen und so ihren eigenen Gewinn zu maximieren. „Eine gesetzliche Regelung ist eine wichtige Grundlage, um die harte Realität der Plattformarbeit endlich auch rechtlich abzubilden und klare Kriterien für die Einordnung von Arbeitsverhältnissen zu schaffen. Österreich muss die EU-Richtlinie so umsetzen, dass sie den Beschäftigten nützt – und nicht den Konzernen“, führt Petritsch aus und fordert: „Die Politik darf den Schutz der Plattformarbeiter:innen nicht weiter auf die lange Bank schieben und sich nun zurücklehnen, nur weil einmal schwerpunktmäßig kontrolliert wurde. „Wer täglich im Regen, bei Hitze oder Schnee Essen quer durch die Stadt liefert, verdient mehr als nur ein Schulterklopfen. Die Beschäftigten verdienen soziale Sicherheit, faire Bezahlung und einen Arbeitsplatz mit Rechten und Würde.“
Die bestehenden Missstände lassen sich nur beheben, wenn die Plattformbeschäftigten rechtlich als echte Arbeitnehmer:innen anerkannt werden. Wer weisungsgebunden und in betriebliche Abläufe integriert arbeitet, muss auch rechtlich abgesichert sein – mit allen arbeits- und sozialrechtlichen Konsequenzen.
Wer beauftragt, der haftet
Ebenso notwendig ist die Einführung einer Auftraggeberhaftung im Transportbereich. „Damit könnte verhindert werden, dass sich Unternehmen durch undurchsichtige Subunternehmerstrukturen aus der Verantwortung stehlen und sich durch Abgabenhinterziehung einen unlauteren Wettbewerbsvorteil verschaffen. Nur wenn auch die Auftraggeber:innen in die Verantwortung genommen werden, lässt sich ein fairer Markt wiederherstellen – einer, der auf Rechten statt auf Ausbeutung basiert“, erklärt Petritsch.
Aussendung der Gewerkschaft vida