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Paket für Paket

Online-Shopping boomt – gerade vor Weihnachten. Doch was bedeutet das für die Paketzusteller:innen?

Mehr als 250 Pakete schleppen Paketzusteller:innen mitunter an einem Tag.

Es riecht nach gebrannten Mandeln, aus den Fenstern leuchtet schon die erste Weihnachtsdeko – und in den Verteilerzentren der großen Paketdienste herrscht Ausnahmezustand. Noch vor Sonnenaufgang rollen Lieferwagen im Minutentakt an, palettenweise stapeln sich Kartons und Päckchen voller Spielsachen, Technik und Winterjacken. Was sich für viele Kund:innen nach Vorfreude und bequemem Online-Shopping anfühlt, bedeutet für die Menschen, die diese Pakete zustellen, den härtesten Abschnitt des Jahres. 

Arbeit am Limit

Die Realität hinter der festlichen Konsumkulisse: Viele Fahrer:innen arbeiten nicht direkt für die bekannten Lieferdienste, sondern für Subunternehmen. Dieses System drückt Kosten und verschärft die Arbeitsbedingungen. Die Zusteller:innen sind offiziell unabhängig, in der Praxis jedoch oft scheinselbstständig. Ihr Tag wird für sie vorgetaktet. Nicht bezahlte Überstunden sind Alltag, Löhne liegen teils unter dem Mindestlohn. Wer nicht schnell genug liefert oder Beschwerden kassiert, riskiert Sperren. 
Ein normaler Arbeitstag dauert acht bis zehn Stunden, sechs Tage pro Woche. In Spitzenzeiten, gerade vor Weihnachten, können es auch 14 Stunden werden. In Wien müssen selbstständige Zusteller:innen mitunter mehr als 250 Pakete an einem Tag ausliefern. Treppenhäuser ohne Lift, schwere Kartons und ständiges Ein- und Aussteigen fordern den Körper. „Viele nutzen notgedrungen eine Plastikflasche, weil sie kein WC finden oder der Zeitdruck zu groß ist“, erzählt Toni Pravdic, vida-Fachbereichssekretär Straße. Zur physischen Anstrengung kommt der permanente digitale Druck: Routen werden sekundengenau getrackt, jede Verspätung registriert. Das führt zu Stress, Erschöpfung und steigert auch die Unfallgefahr im Straßenverkehr. „Gerade in der Vorweihnachtszeit arbeiten die Leute am Limit“, sagt Pravdic. „Das ist gefährlich. Für sie selbst und für alle auf der Straße.“

Forderungen von Arbeiterkammer und Gewerkschaft

Die Gewerkschaft vida drängt seit Jahren auf ein Ende der prekären Zustände in der Paketbranche. Sie fordert eine verpflichtende Lenkerzeit-Aufzeichnung, damit die Arbeitszeiten nachvollziehbar werden. Außerdem sollen die großen Paketdienste für die Bedingungen ihrer Subunternehmer haften und die Finanzpolizei schärfer gegen Scheinselbstständigkeit und die Bezahlung pro Paket vorgehen. Zwar gibt es für regulär angestellte Zusteller:innen bereits Kollektivverträge wie den Kleintransporteure-KV oder den Post-KV der teilstaatlichen Post, aber solange private Anbieter auf Subunternehmen und selbstständige Fahrer:innen setzen, bleibt dieser Schutz für viele unerreichbar.
Während Kund:innen ihre Bestellungen bequem vom Sofa aus tätigen, spitzt sich die Lage bei den Zusteller:innen kurz vor Weihnachten erneut zu. Mehr Online-Shopping bedeutet mehr Druck auf jene, die die Pakete an die Haustüren bringen. 

 

Magazin Gesunde Arbeit 4/2025, Stamm-Ausgabe