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Tobelbad: Zum Wohle der PatientInnen

Die AUVA-Rehabilitationsklinik Tobelbad ist österreichweit das Kompetenzzentrum für arbeitsbedingte Haut-, Atemwegs- und Lungenerkrankungen. Ein Lokalaugenschein.

AUVA, Tobelbad

Der steirische Kurort Tobelbad hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Schon seit dem späten Mittelalter sind die Heilquellen bekannt. Zur Zeit Maria Theresias suchten invalide Offiziere hier Linderung, und um 1900 war Tobelbad regelrecht en vogue: Alma Mahler-Werfel verliebte sich hier in den noch unbekannten Architekten Walter Gropius.

Gesunde Arbeit/Ingrid Reifinger

Tradition, das bedeutet in der AUVA-Rehabilitationsklinik Tobelbad bereits seit der Eröffnung in den 1950er-Jahren, die Errungenschaften der modernen Medizin zum Wohle der PatientInnen einzusetzen. Heute besteht das 202-Betten-Haus aus zwei Abteilungen: Im größeren Bereich werden Menschen nach schweren Verletzungen am Bewegungsapparat behandelt, in der Abteilung für Berufskrankheiten und Arbeitsmedizin hauptsächlich PatientInnen mit Atemwegs- bzw. Lungenerkrankungen oder Hauterkrankungen, denn diese sind nach der Lärmschwerhörigkeit die häufigsten Berufskrankheiten.

In der Provokationskammer

Gesunde Arbeit/Ingrid Reifinger

Im hauseigenen Begutachtungszentrum können PatientInnen drei bis vier Tage stationär aufgenommen werden, um festzustellen, ob ihre Beschwerden tatsächlich berufsbedingt sind. Zur Allergietestung kann in einer speziellen Provokationskammer die alltägliche Arbeitssituation simuliert werden. Beispielsweise muss dann ein Bäcker eine Zeit lang mit Mehl hantieren, oder es werden andere potenzielle Allergene in die rundum verglaste Kammer geblasen. Danach folgen entsprechende Untersuchungen und Nachbeobachtungen. „Wer allergisches Asthma hat, kann in sehr vielen Fällen nicht wieder in den Beruf zurück“, erklärt Prim.a Dr.in Barbara Machan, ärztliche Leiterin der Abteilung für Berufskrankheiten und Arbeitsmedizin. „Für diese Fälle haben wir eine Sozialberatung im Haus und leiten die PatientInnen weiter an die jeweiligen Landesstellen. Diese Beratung ist wichtig, denn die meisten wollen Umschulungen in einen ähnlichen Beruf. Bäcker wollen Köche werden oder Friseurinnen Nageldesignerinnen. Doch dann wären die Risiken ganz ähnlich wie vorher.“

Gesunde Arbeit/Ingrid Reifinger

Eine berufsbedingte Hautkrankheit, das mag für Nichtbetroffene nicht besonders dramatisch klingen. Doch wer schon einmal wegen Juckreiz nicht einschlafen konnte oder mit einem Ausschlag unter Leute gegangen ist, kann vielleicht annähernd nachvollziehen, was das bedeutet. FriseurInnen, IndustriearbeiterInnen sowie Reinigungs- und Pflegekräfte, die etwa unter schmerzhaften, juckenden Hautekzemen leiden, erleben in Tobelbad oft zum ersten Mal, dass ihre Beschwerden ernst genommen werden. „Stationär aufgenommen werden nur Personen mit schweren, hartnäckigen Hauterkrankungen. Das trifft allerdings auf die meisten zu, die hierher zur Untersuchung kommen“, erzählt Dr.in Machan.

Ganzheitlicher Ansatz

Drei Wochen lang stehen dann neben Diagnostik, intensiven therapeutischen Maßnahmen wie Salbentherapie, Bestrahlungen und gesundheitspädagogischen Schulungen auch berufliche Rehabilitation (z. B. Simulationstraining mit persönlicher Schutzausrüstung) und psychologische Beratung auf dem Programm. „In unseren Gruppenseminaren lernen die PatientInnen, wie sie besser mit Angst, Stress und Schmerzen umgehen können“, erzählt Psychologin Mag.a Karin Salcher. „Gegen den Juckreiz, der nachts oft besonders schlimm ist, helfen kühlende Imaginationsübungen. Lungenkranke leiden oft unter Atemnot – hier helfen Entspannungsübungen.“

Wie sich ein schwerer Asthmaanfall anfühlt, das weiß der langjährige Patient Franz Kletz nur allzu gut. „Es war, als hätte meine letzte Stunde geschlagen.“ Es dauerte einige Zeit, bis der Hausarzt den damals 30-jährigen Bäcker an den Lungenfacharzt überwies. Dann war rasch klar, dass er seinen Beruf nicht weiter ausüben konnte. Seit 1991 arbeitet er als Briefträger. 1989 war der Kärntner zum ersten Mal in der AUVA-Rehabilitationsklinik Tobelbad. Inhalationen, Atemgymnastik, Kraft- und Ausdauertraining bessern seinen Gesundheitszustand immer für einige Monate. Außerdem wird getestet, ob sein Asthmaspray richtig dosiert ist, denn zu hohe Dosen schaden dem Herzen.

Gesunde Arbeit/Ingrid Reifinger

Lange Leidenswege

Als Kletz 1973 seine Lehre begann, war keine Rede von Mehlstauballergien und Asthmarisiko. „Wir haben damals in regelrechten Staubwolken gearbeitet. Über mögliche Gefahren und Absauganlagen wussten wir nichts.“ Die Geschichte von Franz Kletz kann als typisch bezeichnet werden. Häufig dauert es längere Zeit bis zur richtigen Diagnose und noch länger bis zur Feststellung der Berufskrankheit. Jürgen Sponsky war bereits 60, als er große Schmerzen beim Atmen hatte. Die Ursache stand rasch fest: Pleuraerguss, volkstümlich ausgedrückt Wasser in der Lunge. Die Ärzte vermuteten Lungenkrebs, fanden allerdings keinen Tumor. Erst nach dem zweiten Erguss folgte die Diagnose Asbestose. Das Einatmen der winzigen Asbestfasern kann zu Veränderungen am Rippenfell (Pleura) sowie zu Vernarbungen an der Lunge und später zu Krebs führen. Die ersten Symptome treten in der Regel erst nach Jahrzehnten auf. Auch Sponsky hatte lange Jahre – konkret bis zu seiner Pensionierung – im Industrieanlagenbau ohne persönliche Schutzausrüstung gearbeitet. „Überall, wo Hitze war, war damals auch Asbest“, fasst der heute 72-Jährige zusammen. Wie gefährlich die Asbestfasern sind, wurde erst nach und nach bekannt. Der agile Oberösterreicher versucht, seine Erkrankung als eine Art sportliche Herausforderung zu betrachten. „Ich weiß, ich kann auch Krebs bekommen und daran sterben. Nach der Diagnose bin ich immer besonders lange mit meinem Hund spazieren gegangen, um das zu verarbeiten. Doch ich versuche, mich fit zu halten, und bin froh, dass ich hier in Tobelbad viel für meine Gesundheit tun kann.“

Magazin Gesunde Arbeit 2/2018