„Großteils arbeiten wir präventiv“
Ein attraktiver Arbeitsplatz im Spital und in der Pflege bietet dem Personal Sicherheit. Dafür sorgt unter anderem die Arbeits- und Organisationspsychologin Vera Baumgartner, die in der Klinik Favoriten auf Arbeitspsychologie spezialisiert ist.
Gesunde Arbeit: In welchen Situationen rund um Gewalt oder Belästigung werden Sie hinzugezogen?
Vera Baumgartner: In meiner Funktion als Arbeits- und Organisationspsychologin bin ich beispielsweise im Sicherheitsboard sowie in der Steuerungsgruppe für psychische Erste Hilfe vertreten. Dadurch können wir schon frühzeitig verhältnispräventive Maßnahmen anstoßen. Aber auch wenn bereits ein Fall eingetreten ist – etwa bei psychischer Gewalt in Form von Mobbing –, unterstützt die Arbeits- und Organisationspsychologie in den Kliniken und entwickelt gemeinsam mit den Betroffenen Maßnahmen, um Strukturen und Abläufe im Arbeitsumfeld zu verbessern.
Sie sind auch für die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz zuständig. Was bedeutet das konkret?
Ein Schwerpunkt unserer Arbeit liegt in der Prävention. Wir evaluieren regelmäßig die psychischen Belastungen in der Klinik und sehen dadurch, welche Abteilungen besonders betroffen oder gefährdet sind. Auf dieser Basis können wir gezielt Maßnahmen setzen – oft noch, bevor es zu Gefahrenmeldungen kommt. Wichtig ist uns dabei, die Mitarbeitenden aktiv einzubeziehen: Sie kennen die Belastungen ihres Arbeitsplatzes am besten und wissen, welche Lösungen praktikabel sind. So konnten wir etwa durch die Einführung regelmäßiger interdisziplinärer Besprechungen Prozesse verbessern und das Risiko von Konflikten deutlich reduzieren.
Welche Hilfe gibt es nach einem Gewaltereignis in der Klinik?
Da haben wir zuerst das Werkzeug der psychischen Ersten Hilfe und verweisen auch an die psychologische Beratungsstelle des Wiener Gesundheitsverbunds. Dort erhalten betroffene Kolleg:innen kostenlos individuelle Beratung und Coaching.
Wie unterstützen Sie Beschäftigte im Umgang mit aggressivem Verhalten – und welche strukturellen Maßnahmen können präventiv helfen?
Auf organisatorischer Ebene zum Beispiel sensibilisieren wir Mitarbeiter:innen, indem wir sie anhalten, Aggressionsereignisse systematisch zu erfassen und zu dokumentieren. Zusätzlich bieten wir berufsgruppenübergreifend Deeskalationstrainings an. Als Arbeits- und Organisationspsychologin berate ich Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen, spreche Empfehlungen aus und unterstütze bei der Entwicklung von zielgerichteten Maßnahmen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auch auf der Wirksamkeitsüberprüfung – so können wir sicherstellen, dass Arbeitsbedingungen nachhaltig verbessert werden.
Was unterscheidet Ihre Tätigkeit als Arbeits- und Organisationspsychologin von Sicherheitsfachkräften und Arbeitsmediziner:innen?
Das Ziel aller drei Berufe ist der Gesundheitsschutz der Beschäftigten, allerdings mit unterschiedlichen Zugängen: Die Arbeit als Arbeits- und Organisationspsychologe bzw. -psychologin basiert auf psychischen Faktoren, die Sicherheitsfachkraft achtet auf sicherheitstechnische Fragen und Lösungen im Betrieb. Freilich arbeiten wir interdisziplinär, schauen gemeinsam, wie wir Arbeitsplätze sicher und gesund gestalten können – zum Wohle aller Kolleg:innen.
Was wünschen Sie sich für Ihren Arbeitsplatz?
Gegenseitiges Verständnis aufseiten der Patient:innen, der Mitarbeiter:innen und der Führungskräfte wäre sehr wichtig.
Magazin Gesunde Arbeit 3/2025, Stamm-Ausgabe