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Ist Gewalt am Arbeitsplatz ein Arbeitsunfall?

Wenn ein Arbeitsunfall passiert, wird dieser gemeldet, und die Allgemeine Unfallversicherung überprüft, ob den Personen Leistungen zustehen. Aber was, wenn der Arbeitsunfall wegen Gewalt passiert ist?

Arbeitsunfälle mit Ursache Gewalt steigen stark. Gesunde Arbeit

Ein Patient mit Demenz steht plötzlich auf, verwirrt, orientierungslos. Als die Pflegerin ihn beruhigen will, reißt er sich los – und schlägt ihr dabei unabsichtlich ins Gesicht. In einer psychiatrischen Abteilung schreit eine Patientin, sie fühlt sich bedroht. Die Situation eskaliert, ein wütender Tritt trifft den Oberkörper eines Pflegers. Ein Zugbegleiter bittet einen Fahrgast ohne Ticket, den Zug zu verlassen. Der Mann reagiert aggressiv und stößt den Zugbegleiter zu Boden.

Diese Szenen haben eines gemeinsam: Sie passieren im Dienst und bei der Arbeit. Und sie sind nicht nur Arbeitsunfälle – sie sind auch Akte von Gewalt. Doch was passiert danach? Wie werden solche Übergriffe gemeldet? Wer entscheidet, ob es sich um einen Arbeitsunfall handelt?

Voraussetzung: Plötzliches Ereignis

1.672 Arbeitsunfälle mit Ursache Gewalt wurden 2024 bei der AUVA gemeldet. Beim Großteil geht die Gewalt von Personen außerhalb der Organisation aus. Elisabeth Bischofreiter von der Arbeiterkammer Wien unterscheidet zwischen Arbeitsunfall und einer Berufskrankheit: Unter Arbeitsunfall versteht man Unfälle, die während der Arbeitsschicht oder auf dem Weg zur oder von der Arbeit passieren und ein plötzlich auftretendes Ereignis sind. „Essenziell ist, dass es ein plötzliches Ereignis sein muss, wobei auch kurz aufeinanderfolgende Gewalteinwirkungen, die nur in ihrer Gesamtheit eine Verletzung bewirken, noch als ‚plötzlich‘ anzusehen sind, wenn sie innerhalb einer Arbeitsschicht passiert sind.“

Sonderfall: Psychische Gewalt

Psychische Gewalt am Arbeitsplatz, etwa Mobbing, gilt nicht als Arbeitsunfall, da sie meist über längere Zeit wirkt und kein plötzliches Ereignis darstellt. Entsteht die psychische Erkrankung jedoch durch ein plötzliches Ereignis, etwa einen Zugunfall mit anschließender posttraumatischer Belastungsstörung des Lokführers, kann dies als Arbeitsunfall anerkannt werden. Passiert so ein Arbeitsunfall, muss der Arbeitgeber ihn innerhalb von fünf Tagen an die AUVA melden, wenn der Mitarbeitende mindestens drei Tage arbeitsunfähig wurde. Den Arbeitgeber trifft daher eine Meldepflicht.

Wer hilft?

Verantwortlich für die weitere Abwicklung ist dann die Unfallversicherung, in den meisten Fällen die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA). Sie prüft, ob der betroffenen Person etwa Leistungen aus der Unfallversicherung zustehen. Gewalt als Unfallgrund wird dabei kaum anders abgewickelt als beispielsweise ein Verkehrsunfall. Die Arbeiterkammer bietet telefonisch und per Mail Beratung an und vertritt Arbeitnehmer:innen auch, wenn die AUVA entscheidet, den konkreten Gewaltvorfall nicht als Arbeitsunfall anzuerkennen, und Betroffene ihre Rechte einklagen möchten. „Das muss schnell gehen, denn die Frist dafür ist nur vier Wochen“, so Bischofreiter.

 

Magazin Gesunde Arbeit 3/2025, Stamm-Ausgabe