Wo Beschäftigte gesehen und wertgeschätzt werden
Reinigungspersonal, Patient:innen-Transportdienst und Serviceassistent:innen werden oft übersehen. Dabei kann ein Krankenhaus ohne sie nicht funktionieren. Ein Generationenmanagementprogramm sorgt nicht nur für alternsgerechte Arbeitsplätze, sondern auch für Entwicklungsmöglichkeiten.
Gesund bleiben im Job – bis zur Pension und darüber hinaus: Dieses Ziel verfolgt die Betriebsabteilung der Technischen Direktion des Universitätsklinikums AKH Wien mit dem Projekt Generationenmanagement – alternsgerechte Organisation für alle Lebensphasen. Es richtet sich an das Reinigungspersonal, an den Patient:innen-Transportdienst und an die Serviceassistent:innen und damit an rund 560 Arbeitnehmer:innen. Diese Berufsgruppen sind oft unsichtbar, dabei kann ein Spital ohne sie nicht funktionieren – sie sorgen für Sauberkeit, Mobilität und etwa dafür, dass alle Patient:innen ihr Essen serviert bekommen. Somit erbringen diese Berufsgruppen einen unerlässlichen Beitrag zur Patient:innenversorgung und zur Erfüllung der hohen Hygienestandards.
Projekt zum Generationenmanagement
„Am Anfang des Projekts stand eine Befragung der Arbeitnehmer:innen“, erzählt Gerhild Katz, Leiterin der Betriebsabteilung in der Technischen Direktion. Deutliches Ergebnis: Am häufigsten gaben Frauen wie Männer an, unter Gelenkschmerzen und Rückenbeschwerden zu leiden. Am eigenen Leib erfahren hat das Aleksandar Kepcija, Leiter der Planung und Qualitätssicherung in der Betriebsabteilung. Vor mehr als 30 Jahren startete Kepcija im Transportdienst.
„Wichtig ist es, mit den Menschen auf gleicher Ebene zu reden“, stellt der Qualitätssicherungsleiter klar. So erkundigt sich Gerhild Katz regelmäßig im Zuge von Gesprächen nach dem Befinden der Mitarbeiter:innen. Um den Arbeitnehmer:innen einen einfacheren Zugang zu Gesundheitsthemen zu ermöglichen, wurde als Bindeglied Eva Dolezel als Gesundheitsmultiplikatorin eingesetzt. Sie ist eine ehemalige Reinigungskraft, die sich beim Wiener Gesundheitsverbund weitergebildet und unter anderem Kurse in Gesprächsführung absolviert hat. Sie fragt in den verschiedenen Abteilungen nach, wo der Schuh drückt. „Sie ist auch da, wenn man sich mit gewissen Themen nicht an die Führungskraft wenden kann. Wir versuchen, die Kommunikation auf mehreren Ebenen zu ermöglichen und zu erleichtern“, erklärt Aleksandar Kepcija. Und so hilft sie als Gesundheitsmultiplikatorin auch, den gegenseitigen Umgang zu erleichtern. Denn in Workshops oder Gesundheitszirkeln nimmt sie den Kolleg:innen die Hemmschwelle und motiviert sie dazu, ihre Meinung zu äußern und Einfluss auf die Arbeitsbedingungen zu nehmen. Als Gesundheitsmultiplikatorin überzeugt sie ihre Kolleg:innen, an der Gesundenuntersuchung teilzunehmen, oder begeistert sie für den Wiener Business Run. Sie kann aber auch bei privaten Problemen helfen.
Wertschätzung für jede Generation
Im Generationenmanagement der Betriebsabteilung wird Rücksicht auf die unterschiedlichen und individuellen Lebensphasen der Arbeitnehmer:innen genommen: Bei der Arbeitseinteilung hilft auch die Kategorisierung der Arbeitsplätze. „Diese wurden nach Einstiegs-, Verweil- und Ausstiegsarbeitsplätzen eingeteilt“, erklärt Irene Kloimüller, Expertin für alternsgerechtes Arbeiten, die das Universitätsklinikum AKH Wien im Rahmen des NESTORGOLD-Gütesiegels als Assessorin begleitet.
Beispielsweise ist das Arbeitsgebiet der Reinigungsdienste unterschiedlich und anspruchsvoll – höchste Sauberkeit im Ambulanzbereich, der Intensivstation oder im OP-Saal ist Gesetz. In den OP-Bereich gelangt nur, wer sich durch eine Schleuse begibt und spezielle Kleidung trägt. Schnelles Arbeiten zählt, um den OP-Bereich nach einer Operation wieder in den perfekt sterilen Raum zu verwandeln – schon steht der nächste Eingriff an. Dagegen ist die Arbeit in den Bürobereichen mit weniger Zeitdruck verbunden.
Arbeitszeitwünsche werden berücksichtigt
Auch Nachtdienste sind hier üblich. „Ich kann aber nicht generell sagen, dass Ältere keinen Nachtdienst mehr machen wollen“, weiß Betriebsabteilungsleiterin Gerhild Katz. „Viele wollen so weiterarbeiten wie bisher, weil der Rhythmus der freien Tage und der Arbeitstage gut in ihr Leben integriert ist.“ Die Arbeitszeitwünsche der Beschäftigten werden, soweit es möglich ist, berücksichtigt. „Etwa 90 Prozent davon können erfüllt werden“, schätzt Qualitätssicherungsleiter Aleksandar Kepcija. „Wenn jemand aus familiären Gründen keine Wochenenddienste machen kann, bemühen wir uns, eine Lösung zu finden“, erklärt Gerhild Katz. Steigen Arbeitnehmer:innen etwa nach längerem Krankenstand wieder in den Job ein, können Diensterleichterungen in Anspruch genommen werden. Die Arbeitszeiten werden angepasst, besonders schwere körperliche Tätigkeiten werden vermieden, bis sich der Mensch wieder regeneriert hat. Beispiel: Eine Reinigungskraft, die nach dem Krankenstand wieder in ihren Job zurückgekehrt ist, konnte sich bei Bedarf kurz Zeit für empfohlene Übungen nehmen. Dies wurde individuell mit ihrer Vorgesetzten vereinbart.
Auf die Expertise der Arbeitnehmer:innen kommt es an!
Gerade bei der Arbeitsplatzgestaltung ist es wichtig, dass auch auf die Expertise der Arbeitnehmer:innen vertraut wird. Maja Mikic ist seit sieben Jahren im Universitätsklinikum AKH Wien beschäftigt. Ihr Dienst beginnt um sechs Uhr morgens und besonders in der Früh, wenn Menschen noch müde sind, ist sicheres Schuhwerk wichtig. Mikic konnte mit ihren Kolleg:innen drei unterschiedliche Paar Sicherheitsschuhe testen. „Wir haben das sehr ernst genommen“, erzählt Mikic. „Die Kriterien, nach denen wir entschieden haben, waren Halt, Rutschfestigkeit und Passgenauigkeit.“ Bei der Bestellung der Sicherheitsschuhe wurde dann auf das Urteil der Reinigungskräfte vertraut. Ähnliches gilt im Patient:innen-Transportdienst. Hier wird gerade ein Transportsessel getestet, dessen Griffe ergonomisch geformt sind, damit Arbeitnehmer:innen unterschiedlicher Größe optimal damit manövrieren können.
Die Qualität des Arbeitsplatzes kann zudem durch unterschiedliche Maßnahmen auf persönlicher Ebene verbessert werden. Das reicht von der Rückengymnastik, die auf die einzelnen Berufsgruppen abgestimmt ist, bis zu Deutschkursen mit Einstufungstests und weiterführenden Einheiten – darunter sind auch Spezialkurse für Reinigungspersonal, die der Wiener Gesundheitsverbund seit 2019 anbietet.
Alternsgerechtes Arbeiten lohnt sich!
Aleksandar Kepcija erklärt, was sich im Laufe der Jahre positiv verändert hat. Früher seien die Reinigungs- und Transportkräfte eher „unsichtbar“ gewesen. Das sei jetzt anders. Expertin Irene Kloimüller: „Die Beschäftigten der Betriebsabteilung werden jetzt in allen Bereichen als Teil des Teams gesehen.“ Der Effekt: Die Arbeitnehmer:innen sind zufriedener und gehen auch seltener in Krankenstand.
Für ihr Engagement im alternsgerechten Arbeiten wurde die Betriebsabteilung des AKH vom Sozialministerium mit dem NESTORGOLD-Gütesiegel ausgezeichnet. Im Jahr 2022 wurde der Good-Practice-Award der EU-OSHA in Bilbao an den Technischen Direktor Dipl.-Ing. Siegfried Gierlinger und Gerhild Katz überreicht.
Magazin Gesunde Arbeit 4/2025, Stamm-Ausgabe