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Gemeinsam wirksam im Betrieb

Betriebsrat, Präventivfachkräfte, Arbeits- und Organisationspsycholog:innen und Führungskräfte übernehmen unterschiedliche Aufgaben in der Prävention wie im Ernstfall. Ein Überblick.

Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz lässt sich nur gemeinsam wirksam begegnen. Adobe Stock / oksa studio

Betriebsrat

Der Betriebsrat ist für Beschäftigte, die von Gewalt oder Belästigung am Arbeitsplatz betroffen sind, häufig die erste und wichtigste Anlaufstelle. Da er die betrieblichen Strukturen und Abläufe im Detail kennt, kann er sowohl bei der Prävention als auch bei konkreten Vorfällen viel beitragen – etwa vertrauliche Gespräche mit Betroffenen führen, sie beraten und weitere Schritte einleiten. 
Der Betriebsrat hat den gesetzlichen Auftrag, über die Einhaltung des Arbeitnehmer:innenschutzes im Betrieb zu wachen. Er verfügt über Überwachungs-, Interventions-, Beratungs- und Mitwirkungsrechte. Diese Befugnisse ermöglichen es ihm, nicht nur bei Präventionsmaßnahmen mitzuwirken, sondern vom/von der Arbeitgeber:in Schutzmaßnahmen einzufordern. Außerdem kann er auf eine Betriebsvereinbarung drängen, in der etwa klare Verfahren für den Umgang mit Übergriffen festgelegt sind. Bei Bedarf kann sich der Betriebsrat auch an zuständige Stellen außerhalb des Betriebs wenden, etwa an seine Gewerkschaft oder die Arbeitsinspektion. 

Sicherheitsvertrauenspersonen

Neben dem Betriebsrat kann die Sicherheitsvertrauensperson (SVP) eine Ansprechperson bei Gewalt und Belästigung im Betrieb sein. Sie wird aus dem Kreis der Beschäftigten bestellt und genießt das Vertrauen der Kolleg:innen. 
Die SVP ist mit klar definierten Aufgaben und Rechten ausgestattet: Sie hat in allen Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes die Arbeitgeber:innen, die Arbeitnehmer:innen und die Belegschaftsorgane zu informieren, zu beraten und zu unterstützen. Eine zentrale Befugnis der SVP ist im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) festgeschrieben: Sie muss beim/bei der Arbeitgeber:in Missstände melden. Die Sicherheitsvertrauensperson arbeitet eng mit dem Betriebsrat, den Präventivfachkräften und Arbeits- und Organisationspsycholog:innen im Betrieb zusammen.

Präventionsexpert:innen

Die Präventionsexpert:innen im Betrieb – also Sicherheitsfachkraft, Arbeitsmediziner:in sowie Arbeits- und Organisationspsychologe bzw. Arbeits- und Organisationspsychologin – haben eine wichtige beratende Rolle für die Arbeitgeber:innen: Sie helfen, Gefährdungsfaktoren zu ermitteln (z. B. Konflikte mit Kundschaft) und geeignete Präventionsmaßnahmen zu entwickeln. 

  • Die Sicherheitsfachkraft bringt technisches Know-how hinsichtlich Schutzmaßnahmen ein, etwa Alarmsysteme, Sicherheitsglas oder Überwachung in gefährdeten Bereichen. 
  • Arbeitsmediziner:innen beraten unter anderem bei der Beurteilung und Verringerung von Gefährdungen und unterstützen zum Beispiel bei der Erstellung von Erste-Hilfe-Konzepten für gewalttätige Übergriffe.
  • Arbeits- und Organisationspsycholog:innen bringen die Perspektive der psychischen Gesundheit ein und ergänzen damit die medizinischen und technischen Sichtweisen von Arbeitsmedizin und Sicherheitsfachkraft. Sie sind die Expert:innen für die Evaluierung psychischer Belastungen und für wirksame Präventionsmaßnahmen. Zusätzlich führen sie Workshops zur Sensibilisierung durch, moderieren Konfliktlösungen und helfen bei der Entwicklung einer gesunden Unternehmenskultur. 

Angesichts steigender psychischer Probleme am Arbeitsplatz wäre es dringend notwendig, Arbeits- und Organisationspsycholog:innen gesetzlich als dritte Präventivfachkraft neben der Sicherheitsfachkraft und dem/der Arbeitsmediziner:in zu verankern. Alle drei Präventionsexpert:innen arbeiten eng mit dem Betriebsrat und der Sicherheitsvertrauensperson zusammen.

Arbeitgeber:innen und Führungskräfte

Arbeitgeber:innen tragen die Verantwortung, Arbeitnehmer:innen vor Gewalt und Belästigung im Betrieb zu schützen. Sie sind verpflichtet, den Arbeitsplatz zu evaluieren und je nach Gefahrenlage ein geeignetes Gewaltschutzkonzept umzusetzen. Treten Gewalthandlungen im Betrieb auf, müssen sie im Rahmen der Fürsorgepflicht unverzüglich einschreiten. Wird beispielsweise eine Arbeitnehmerin von einem Kollegen sexuell belästigt und der/die Arbeitgeber:in erfährt davon, muss er/sie dem Vorwurf unverzüglich nachgehen und die Arbeitnehmerin vor weiteren Übergriffen schützen. Die Maßnahmen gegenüber Täter:innen können von einer Verwarnung und Disziplinarmaßnahmen über eine Versetzung bis zu einer Beendigung des Dienstverhältnisses reichen. Bei Gefahr von Gewalt oder Belästigung durch Kund:innen, Patient:innen oder Klient:innen müssen Arbeitgeber:innen diese Gefahr erfassen, das daraus resultierende Risiko beurteilen und Maßnahmen setzen, um es zu beseitigen oder zu verringern. Dabei ist unmissverständlich zu kommunizieren, dass übergriffiges Verhalten nicht toleriert wird. 
In der betrieblichen Praxis kommt nicht nur der Geschäftsführung, sondern auch den Führungskräften auf anderen Hierarchiestufen eine wichtige Rolle zu. Letztere sind meist in der Lage, frühzeitig Vorfälle wahrzunehmen, oder bekommen als Erste Hinweise aus der Belegschaft.

Betriebsinterne Anlaufstellen

Mehrere österreichische Unternehmen richten eigene Ansprechstellen für Konflikte, Mobbing und Belästigung ein: Die Stadt Wien etwa betreibt eine Mobbingberatungsstelle für Bedienstete, bei der AUVA gibt es Konfliktlots:innen und die ÖBB setzen auf regionale Gleichbehandlungsbeauftragte sowie eine interne Mobbing-Helpline. Die voestalpine bietet eine Anlaufstelle, in der unter anderem eine Betriebsseelsorgerin und eine Sozialarbeiterin Beschäftigte vertraulich unterstützen. Diese Stellen nehmen Hinweise und Beschwerden entgegen, beraten Betroffene und Führungskräfte, vermitteln bei Konflikten und wirken an Präventionsmaßnahmen mit – in enger Abstimmung mit Präventivfachkräften – insbesondere den Arbeits- und Organisationspsycholog:innen, Betriebsrat und Sicherheitsvertrauensperson.

 

Magazin Gesunde Arbeit 3/2025, Stamm-Ausgabe