Zum Hauptinhalt wechseln

Nach dem Übergriff: Was Betroffene tun können

Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz muss niemand hinnehmen. Arbeitnehmer:innen haben Anspruch auf Respekt, der Wahrung ihrer Würde und Integrität und auf Schutz vor allen Formen von Übergriffen. Wichtig ist auch: Betroffene finden innerhalb und außerhalb des Betriebs konkrete Anlaufstellen und können ihre Rechte einfordern.

Ein wichtiger Schritt für Betroffene von Gewalt oder Belästigung am Arbeitsplatz ist die schriftliche Dokumentation aller Vorfälle. Adobe Stock / Srdjan

Viele Betroffene zögern, weil sie Angst vor Konsequenzen haben oder glauben, „nichts ändern zu können“. Doch: Sie sind nicht allein. Es gibt klare Schritte, die Betroffenen helfen, aus der Ohnmacht herauszukommen – egal ob ein Vorfall strafrechtlich relevant ist oder nicht.

Arbeitgeber:in informieren 

Entscheidend ist der Gang zum bzw. zur Arbeitgeber:in oder den direkten Vorgesetzten. Diese:r hat eine gesetzliche Fürsorgepflicht und muss Beschäftigte umfassend schützen, sei es in Bezug auf Sicherheit, Gesundheit oder Würde und Integrität am Arbeitsplatz. Daher ist er bei Vorfällen unmittelbar zu informieren. Sobald Vorfälle gravierend in die Integrität und Würde einer Person eingreifen, werden sie strafrechtlich relevant. Arbeitgeber:innen müssen alle Vorfälle, egal ob strafrechtlich relevant oder nicht, als Arbeitsunfall melden und gegebenenfalls selbst strafrechtliche Anzeigen prüfen. Bei Untätigkeit können sie belangt werden.

Vertrauensperson suchen – Betriebsrat einbinden

Ein wichtiger Schritt nach einem Übergriff ist, sich im Betrieb einer Vertrauensperson anzuvertrauen – etwa Arbeitsmediziner:innen, Arbeits- und Organisationspsycholog:innen, Sicherheitsvertrauenspersonen (SVP), Kolleg:innen oder Vorgesetzten. Besonders Betriebsrät:innen spielen dabei eine zentrale Rolle: Sie kennen betriebliche Abläufe und rechtliche Möglichkeiten, unterstützen bei der Dokumentation, bereiten Gespräche vor, begleiten auf Wunsch der Betroffenen zu Terminen mit Führungskräften und können erforderliche Maßnahmen einfordern.

Dokumentation der Vorfälle

Damit Betroffene nicht alleinstehen, ist eine sorgfältige und schriftliche Dokumentation unerlässlich. E-Mails, Fotos, Chatprotokolle, Gedächtnisprotokolle und Aussagen von Zeug:innen können entscheidend sein, wenn es um Beweise geht. 

Rechtliche Möglichkeiten

Externe Unterstützung bieten unter anderem Arbeiterkammern, Gewerkschaft und Gleichbehandlungsanwaltschaft mit umfassender, kostenloser Beratung bis zur Vertretung vor Gericht. Außerdem kann es nach Vorfällen hilfreich sein, sofort Kontakt mit Notfallpsycholog:innen aufzunehmen. Sie bieten Akutbetreuung und helfen, das Geschehene besser zu bewältigen.
Bei Belästigung am Arbeitsplatz besteht Anspruch auf Schadenersatz gegenüber der Person, die belästigt, als auch gegenüber dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin, wenn er oder sie es schuldhaft unterlässt, angemessene Abhilfe zu schaffen (etwa durch Ermahnung, Versetzung oder Kündigung).
Auch im Strafrecht wird das Delikt der sexuellen Belästigung geregelt. Durch den sogenannten Po-Grapsch-Paragrafen drohen jenen Personen bis zu sechs Monate Haft, die grapschen, unerwünscht streicheln oder, wie es im Gesetz heißt, eine Person „durch intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle in ihrer Würde verletzt“. Das Gleichbehandlungsgesetz schützt zudem vor Benachteiligung: Wer sich wehrt, darf als Reaktion darauf nicht gekündigt, versetzt oder anders benachteiligt werden.
Daher kann der nächste Schritt zur Polizei oder Staatsanwaltschaft führen: Eine Anzeige schützt nicht nur die eigene Person, sondern auch andere Betroffene.

Gut zu wissen

  • Arbeitsunfall: Gewaltübergriffe im Betrieb gelten als Arbeitsunfall und müssen der AUVA gemeldet werden. Auch psychische Folgen können berücksichtigt werden.
  • Krankenstand: Nach einer Gewaltsituation, die zum Beispiel aufgrund der psychischen Belastung eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat, besteht Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
  • Schadenersatz: Möglich sowohl gegenüber der belästigenden Person als auch gegenüber Arbeitgeber:innen, wenn diese keine angemessenen Schutzmaßnahmen setzen. Ansprüche auf Schmerzengeld können zivilrechtlich gegenüber der angreifenden Person geltend gemacht werden.

 

Magazin Gesunde Arbeit 3/2025, Stamm-Ausgabe