Gesunde Arbeit

„Vertretung der Arbeitnehmer:innen auch durch Bildungsoffensive für Sicherheitsvertrauenspersonen stärken“

AK Niederösterreich-Präsident und ÖGB Niederösterreich-Vorsitzender Markus Wieser im Interview
„Arbeiterkammer und ÖGB setzen sich nachhaltig dafür ein, Arbeitsplätze gesünder, sicherer und menschengerechter zu gestalten.“
AK-Präsident Markus Wieser „Arbeiterkammer und ÖGB setzen sich nachhaltig dafür ein, Arbeitsplätze gesünder, sicherer und menschengerechter zu gestalten.“

Wie beurteilen Sie den Stellenwert von Sicherheit und Gesundheit für die Arbeiter:innen und Angestellten?
Wie wir in unseren 3V für Österreichs Zukunft schon klar definiert haben, ist die Veränderung der Arbeitswelt allgegenwärtig. Arbeiterkammer und ÖGB setzen sich nachhaltig dafür ein, Arbeitsplätze gesünder, sicherer und menschengerechter zu gestalten und auch die Arbeitsumgebung und Arbeitsorganisation danach auszurichten. Kurz gesagt: Gesund in die Arbeit, gesund aus der Arbeit.

Wo sind denn aus Ihrer Sicht die offenen Baustellen im Arbeitnehmer:innenschutz? Man könnte ja meinen, weil die Arbeitsunfälle zurückgehen, ist alles erreicht?
Durch den Einsatz neuer Technologien können die Arbeitnehmer:innen bei der manuellen Arbeit entlastet werden, daher gibt es insgesamt auch weniger Arbeitsunfälle. Dennoch ist jeder Unfall einer zu viel, außerdem gibt es neue Belastungen durch den zunehmenden Einsatz neuer digitaler Anwendungen, künstlicher Intelligenz und Veränderungen in der Arbeitsorganisation.

Können Sie hierzu Beispiele nennen?
Wenn der Druck und die Dichte der Arbeit zunehmen, dann sind die Menschen in höherem Maße gefordert. Da ist mittlerweile sicher ein Niveau erreicht, das viele Kolleg:innen an ihre physischen und psychischen Belastungsgrenzen bringt.

Was sagen Sie dazu, dass der größte Teil der krankheitsbedingten vorzeitigen Pensionierungen auf psychische Erkrankungen zurückgeht?
Psychische Krankheiten sind auf dem Vormarsch. Sie verursachen großes seelisches Leid für die Betroffenen und hohe betriebs- und volkswirtschaftliche Kosten durch oftmals lange Krankenstände. Der Gesetzgeber hat auf diese besorgniserregende Entwicklung mit der Novellierung des ASchG 2013 reagiert: Arbeitgeber:innen sind per Gesetz ausdrücklich verpflichtet, sich umfassend mit arbeitsbedingten psychischen Belastungen auseinanderzusetzen und ihre Beschäftigten nachhaltig vor psychischen Gefahren zu schützen.

Apropos neue Herausforderungen: Wie sehen Sie die Entwicklung bei der während Corona stark angewachsenen Telearbeit?
Homeoffice oder Telearbeit sind – dort wo es möglich ist – gute Beispiele für neue Herausforderungen, denen man durch eine Anpassung des rechtlichen Rahmens begegnen muss. Es braucht zuallererst eine konkrete Begriffsdefinition von Telearbeit im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz. Dann muss das Recht auf Augenuntersuchungen und Sehhilfen auch dann gelten, wenn die Arbeit nicht im Unternehmen stattfindet. Ergonomische Mindestanforderungen müssen auch am Heimarbeitsplatz gelten, viele Beschäftigte leisten dort den Großteil ihrer Arbeitszeit. Hier würde ich mir eine Konkretisierung wünschen, welche Arbeitsmittel die Arbeitgeber:innen verpflichtend zur Verfügung zu stellen haben.

Am nächsten bei den Beschäftigten sind, neben den Betriebsrät:innen, die im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz vorgesehenen Sicherheitsvertrauenspersonen. Sind Sie mit deren Ausbildung und Stellung im Unternehmen zufrieden?
Es ist völlig klar, dass Interessenvertretung und Mitbestimmung auch eine ausreichende Qualifizierung brauchen. Deshalb trete ich dafür ein, ganz konkrete Ausbildungsinhalte für die SVP-Grundausbildung im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und in der SVP-Verordnung festzuschreiben. Derzeit geht es da noch ganz allgemein um Inhalte aus dem Arbeitnehmer:innenschutz. Auch ist die SVP-Grundausbildung derzeit auf 24 Unterrichtseinheiten ausgelegt, das Wissen über Sicherheit und Gesundheit in der Arbeitswelt wächst aber kontinuierlich an und dementsprechend ist eine Ausweitung auf 40 Unterrichtseinheiten notwendig. Ein verpflichtender Auffrischungskurs alle vier Jahre im Ausmaß von 16 Unterrichtseinheiten ist Voraussetzung, sodass Sicherheitsvertrauenspersonen ihr Wissen updaten können.

Und wie steht es aus Ihrer Sicht um die Rechte der Betriebsrät:innen hinsichtlich der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten in den Betrieben?
Es geht ganz allgemein um einen Ausbau der Mitbestimmungsrechte für die Belegschafts- bzw. Personalvertretungen in allen Fragen der betrieblichen Prävention. Dazu gehört natürlich auch die Schaffung erzwingbarer Betriebsvereinbarungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung, bei der Einführung und Anwendung von Gesundheitsmanagementsystemen und bei Belangen des alternsgerechten Arbeitens. Aber auch wirkungsvoll gestaltete Beteiligungsrechte für die Betriebsrät:innen bei der Ermittlung und Beurteilung von Gefahren und vor allem bei der Festlegung und Überprüfung von Maßnahmen sind wichtig, insbesondere durch das Recht, bei allen Evaluierungsschritten beratend teilzunehmen, und eine einvernehmliche Festsetzung der erforderlichen Maßnahmen. Um nur ein weiteres Feld für Verbesserungen anzusprechen: Auch für die Einführung oder Änderung aller Formen leistungsorientierter Entgelte braucht es eine verpflichtende Evaluierung der Auswirkungen auf die Gesundheit der Arbeitnehmer:innen.

In den Medien wird immer wieder die Rolle der Arbeitsinspektion diskutiert. Was ist Ihre Position?
Die staatliche Arbeitsinspektion muss auch in Zukunft ein Schutzschild vor arbeitsbedingten Gefahren für die Beschäftigten sein. Sie muss sich aber auch schützend vor jene Betriebe stellen, die gesunde und sichere Arbeitsbedingungen im Betrieb aktiv leben. Um all das zu ermöglichen, braucht es eine starke und personell gut ausgestatte Arbeitsinspektion als starke Partnerin der Beschäftigten in den Betrieben.

Vielen Dank für das Gespräch!

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