Mythen beim Einsatz von Handschuhen, Masken und Desinfektionsmitteln gegen COVID-19
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel wurde am 3. April überarbeitet und um neue Infos ergänzt.
Die wichtigsten Maßnahmen zum Schutz vor einer Ansteckung mit COVID-19 drehen sich darum, unnötigen Kontakt zu unterbinden, sonst den empfohlenen Mindestabstand von 1 bis 2 Metern zwischen Personen einzuhalten und für Hygiene im Betrieb zu sorgen.
Wie immer im ArbeitnehmerInnenschutz gilt, dass der/die ArbeitgeberIn passende Schutzmaßnahmen nach der Reihenfolge des STOP-Prinzips setzen muss:
- Vorrang hat die Substitution, also das Ausschalten der Gefahr, z. B. Telekommunikation statt persönlichem Kontakt.
- Wenn das nicht möglich ist, folgen technische Maßnahmen, um den Menschen von der Gefahr abzutrennen, z. B. Trennscheiben.
- Danach folgen organisatorische Maßnahmen, durch die derzeit möglichst wenige ArbeitnehmerInnen möglichst kurz aufeinandertreffen sollen – und sie den Mindestabstand untereinander sowie zu KundInnen einhalten können.
- Persönliche Schutzmaßnahmen kommen an letzter Stelle: Das Tragen von persönlicher Schutzausrüstung (PSA) kann auch Nachteile haben.
Und bei Verhaltensregeln am Arbeitsplatz ist der Mensch gerade in Drucksituationen fehleranfällig. Beim Coronavirus kommen viele ArbeitnehmerInnen aber nicht um persönliche Verhaltensregeln umhin:
- Abstand halten
- Regelmäßiges und gründliches Händewaschen mit Seife, siehe AUVA-Poster "Gründliches Händewaschen"
- Nicht ins Gesicht greifen
- Husten- und Nies-Etikette einhalten
Persönliche Schutzausrüstung (PSA), wie Handschuhe und Schutzmasken, wiegt ArbeitnehmerInnen oft in trügerischer Sicherheit. Sie können das Ansteckungsrisiko sogar vergrößern: Wenn sich ArbeitnehmerInnen mit schmutzigen Handschuhen ins Gesicht fahren. Wenn sie davon ausgehen, dass das Tragen von OP-Masken (Mund- und Nasenschutz) sie zuverlässig schützt. Wenn die richtige Schutzmaske nicht ganz eng anliegend sitzt. Oder wenn ArbeitnehmerInnen die Maske mit ungewaschenen Händen an- oder ausziehen oder angreifen. Aufgrund des falschen Sicherheitsgefühls vernachlässigen sie vielleicht die wirklich wichtigen Schutzmaßnahmen Abstand und Handhygiene.
Handschuh ersetzt nicht Handhygiene
Die AUVA rät ArbeitgeberInnen, dafür zu sorgen, dass ArbeitnehmerInnen, die mit KundInnen zu tun haben, „ihre persönliche Hygiene durch Händewaschen oder die Verwendung von Handdesinfektionsmitteln aufrecht […] erhalten. Auf die Verwendung von Handschuhen soll verzichtet werden, da Krankheitserreger über verschmutzte Handschuhe übertragen werden.“ Ausgenommen davon sind natürlich insbesondere medizinische Einrichtungen.
Weiterführende Infos finden Sie auf der AUVA-Website: „Verhindern einer Ausbreitung der Infektionen am Arbeitsplatz“
Dass langes Tragen von Handschuhen oft keinen Hygienevorteil bietet, sondern durch das Schwitzen auch noch die Nachteile der Feuchtarbeit birgt, wissen wir bereits von den Feinkost-MitarbeiterInnen, die sinnloserweise Handschuhe tragen mussten. Wo Handschuhe schon bisher sinnvoll und gezielt zu tragen waren, wie z. B. aufgrund der Arbeitsstoffevaluierung für ein Reinigungs- oder Desinfektionsmittel, gilt das natürlich weiterhin.
Wirksame Masken: Vorrang für Gesundheitsberufe!
Ein Mund-Nasen-Schutz (MNS) oder textile Behelfsmasken wie ein Schal bieten keinen zuverlässigen Schutz für die TrägerInnen: Laut dem renommierten Robert Koch-Institut gibt es „keine hinreichenden Belege dafür, dass ein MNS oder eine Behelfsmaske einen selbst vor einer Ansteckung durch andere schützt“ (kein Eigenschutz). Sie verringern aber das Risiko, andere durch Tröpfcheninfektion beim Husten, Niesen oder Sprechen (unabsichtliches Spucken) anzustecken (Fremdschutz). Siehe Website des Robert Koch-Instituts „Wann ist das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in der Öffentlichkeit zum Schutz vor SARS-CoV-2 sinnvoll?“ (Stand 01.04.2020).
Das Gesundheitsministerium hat am 31. März 2020 einen Erlass zu Hygienevorschriften im Einzelhandel veröffentlicht. In Geschäften des Einzelhandels mit mindestens 400 m² Fläche im Kundenbereich müssen ArbeitnehmerInnen und KundInnen ab spätestens 6. April Mund-Nasen-Schutz tragen.
Die Arbeitsinspektion empfiehlt das Tragen dieses Mund- und Nasen-Schutzes, wenn „unklar sein [sollte], ob die grundlegenden Schutzmaßnahme „1-m-Abstand“ durchgängig eingehalten werden kann. […].“ Siehe auch: https://www.arbeitsinspektion.gv.at/Gesundheit_im_Betrieb/Gesundheit_im_Betrieb_1/Atemschutz_PSA.html
Die Arbeitsinspektion begründet das damit, dass man sich gegenseitig schützt: Das bedeutet, dass z. B. in der mobilen Pflege, wo der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann, sowohl PflegerIn als auch KlientIn den Mund- und Nasenschutz tragen sollen.
Bei den partikelfiltrierenden Halbmasken (FFP-Masken) kommt es auf die Kategorie an. FFP1-Masken, wie sie bei weniger gefährlicher Staubentwicklung auf Baustellen getragen werden, schützen nicht zuverlässig vor Viren. FFP2-Masken, die derzeit in einigen Gesundheitsbetrieben verwendet werden, oder die idealen FFP3-Masken leisten aufgrund ihrer starken Filterwirkung einen beträchtlichen Widerstand beim Atmen. Sie sind daher ungeeignet, um den ganzen Arbeitstag damit zu arbeiten. Auch für Schwangere, Menschen mit Asthma etc. sind sie gänzlich ungeeignet. Für diejenigen, die etwa im Spital mit COVID-19-Infizierten arbeiten, führt kein Weg an FFP2- bzw. FFP3-Masken vorbei.
PSA: Evaluierung, Information und Unterweisung
Je nach Tätigkeit kann vorrangig im medizinischen Bereich noch weitere PSA, wie Schutzkleidung, Schutzbrille etc., notwendig sein. Das muss evaluiert werden. ArbeitgeberInnen können sich bei Fragen zur Notwendigkeit und Auswahl von PSA in erster Linie an ihre/n ArbeitsmedizinerIn bzw. Sicherheitsfachkraft wenden. Wichtig ist beim – sinnvollen – Einsatz von PSA die gründliche Information und Unterweisung der ArbeitnehmerInnen: zu Tragedauer, richtigem An- und Ablegen, Hygiene, Wiederverwendung ja/nein, Aufbewahrung etc. Hier muss nach allen Regeln der Unterweisungskunst geschult werden – also in einer für die Zielgruppe verständlichen Form. Und die unterweisende Person muss sich vergewissern, dass es auch verstanden wurde.
Augen auf beim Desinfektionsmittel-Kauf!
Der Einsatz von Handdesinfektionsmitteln ist z. B. dann sinnvoll, wenn regelmäßiges Händewaschen nicht möglich ist, wie z. B. im Außendienst. Achtung: Schutz vor COVID-19 bieten nur Handdesinfektionsmittel, die gegen behüllte Viren wirksam sind. Das sind jene mit mindestens begrenzt viruzider Wirksamkeit. Das kann man der Produktverpackung bzw. -beschreibung entnehmen. Ein x-beliebiges Desinfektionsmittel, das einmal im Drogeriemarkt gekauft wurde, mag zwar „99 % aller Bakterien“ abtöten, enthält aber vielleicht zu wenig Alkohol, um behüllte Viren zu eliminieren. Wenn ArbeitnehmerInnen fälschlich glauben, sich damit „desinfiziert“ zu haben, und sich dann ins Gesicht greifen oder essen, ist das kontraproduktiv.
Seriöse Informationen für Profis rund um Desinfektionsmittel (Händedesinfektion, Flächendesinfektion u. v. m.) bietet die ursprünglich für den Gesundheitsbereich entwickelte Wiener Desinfektionsmittel-Datenbank (WIDES-Datenbank).
Wenn kein geeignetes Desinfektionsmittel zur Verfügung steht, ist gründliches Händewaschen mit Seife ein verlässliches Mittel zur Handhygiene.
Anmerkung der Redaktion: Der Artikel wurde am 30.3.2020 mit Infos zum Mund- und Nasenschutz aktualisiert.