Psyche im Blick: Blinde Flecken der Evaluierung
Psychische Belastungen sind Teil der Arbeitsplatzevaluierung – das A und O sind wirksame Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten vor arbeitsbedingten psychischen Gefahren. Dass hier Aufholbedarf gegeben ist, zeigen Daten der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA): 62 Prozent der befragten Betriebe in Österreich geben an, über keinen Maßnahmenplan zur Vermeidung von arbeitsbedingtem Stress zu verfügen (2022).
Psychische Risiken durch Digitalisierung Digitalisierung, Robotik und künstliche Intelligenz (KI) verändern die Arbeitswelt dramatisch. Die Arbeitsform des Homeoffice birgt konkrete Risiken: Ständige Erreichbarkeit, die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben, Vereinsamung, Arbeitsverdichtung und -beschleunigung oder auch die zunehmende Komplexität von Führung sind Beispiele hierfür (Hartner-Tiefenthaler & Feuchtl, 2022).
Auch Aspekte wie Leistungskontrolle/Überwachung, der permanente Anpassungsbedarf an die rasante Entwicklung von Technologien, ein verminderter Handlungsspielraum durch unflexible IT-Workflows oder die digitale Verkomplizierung von Prozessen eröffnen neue Themenfelder der Evaluierung psychischer Belastungen.
Gewaltgefahr am Arbeitsplatz? Gewalt und Belästigung gehören ebenso zu den zu wenig beachteten Themen im Arbeitnehmer:innenschutz: Wettbewerbs- und Zeitdruck, knappe Personalressourcen, schlechte Arbeitsorganisation und unzureichende Schutzmaßnahmen fördern das Gewaltrisiko am Arbeitsplatz. Auch hier zeigt sich Handlungsbedarf: 55 Prozent der befragten Betriebe in Österreich haben kein Verfahren für den Umgang mit möglichen Fällen von Bedrohung, Beleidigung oder Angriffen. Verfahren für den Umgang mit Mobbing oder Belästigung liegen sogar in 67 Prozent der Betriebe nicht vor (EU-OSHA, 2022).
Perspektiven für die Evaluierung arbeitsbedingter psychischer Belastungen Um diese Herausforderungen zu meistern, ist eine qualitätsvolle, flächendeckende Umsetzung der Arbeitsplatzevaluierung erforderlich. Arbeits- und Organisationspsycholog:innen müssen als Präventivfachkräfte im ASchG verankert werden, um ihre Expertise wirkungsvoller einbringen zu können. Die Beseitigung legistischer Unklarheiten – welche immer wieder zu mangelhaft durchgeführten Evaluierungen führen – erfordert Konkretisierungen im Rahmen einer Durchführungsverordnung zum ArbeitnehmerInnenschutzgesetz. Nicht zuletzt stellt hierbei auch die Wirksamkeitsüberprüfung von Maßnahmen einen blinden Fleck dar, der ins Licht gerückt und gezielt beleuchtet werden muss.