Hauptsache Arbeit, Nebensache Gesundheitsschutz
Die Erzählungen von 15 migrantischen LeiharbeiterInnen, die im Rahmen einer von der AK Wien geförderten Studie der Universität Wien zu den Arbeitsbedingungen bei Hygiene Austria und im Postverteilerzentrum Inzersdorf in Wien befragt wurden, zeigen ein düsteres Bild betreffend COVID-19-Prävention, Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit. Dabei ist der Beschäftigerbetrieb gesetzlich verpflichtet, dies zu gewährleisten. Denn nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) ist er für die Unfallverhütung und die Minimierung von Gefahren am Arbeitsplatz verantwortlich.
Sicherheitssysteme an Maschinen abgeschaltet
Die Arbeit in den Hallen der Hygiene Austria erfolgte vielfach an Maschinen, die zum Teil von den LeiharbeiterInnen als sehr gefährlich beschrieben wurden. Auch aufgrund massiver Versäumnisse bei der Inbetriebnahme von Sicherheitssystemen sowie durch kontinuierlich hohen Arbeitsdruck ereigneten sich zahlreiche Arbeitsunfälle. Den Beschäftigten zufolge wurde das Sicherheitssystem an den Maschinen zur Erhöhung der Produktivität immer wieder wissentlich abgeschaltet oder die Maschinen wurden schneller gestellt. So passierte auch der Arbeitsunfall eines Befragten, der dadurch einen Teil seines Fingers verlor: „Das war schwer, ich habe viel Blut verloren und nach ein paar Minuten bin ich auch auf den Boden gefallen.“ Als Hauptprobleme im Postverteilerzentrum Inzersdorf schilderten die Befragten weiters den mangelnden Infektionsschutz und eine Kündigungspolitik, die zu Präsentismus am Arbeitsplatz – d. h. Weiterarbeiten trotz Krankheitssymptomen – führte. Ein Leiharbeiter erläuterte: „Wer krank ist, hat nichts gesagt. Die sagen das nicht, weil sie sonst sofort gekündigt werden. Ich war vier Tage zu Hause und danach hat sie [die Vorgesetzte] mich angerufen und gesagt: Tschüss.“ Zum Infektionsschutz der Hygiene Austria berichtete ein Befragter, dass dieser meist nur vor laufender Kamera, wie etwa bei Besuchen des Ex-Kanzlers, ordnungsgemäß berücksichtigt wurde.
Schwerwiegende Folgen
Die Forschung zeigt, dass vor allem in Zeiten der Pandemie Mängel im Gesundheitsschutz schwerwiegende Folgen für alle, insbesondere aber auch für die prekär beschäftigten ArbeiterInnen haben. Die Interviews mit den LeiharbeiterInnen legen nahe, die berichteten Unfälle und Infektionen als Resultat von Arbeitsverhältnissen zu begreifen, in denen Produktion und Gewinn der Unternehmen dem Gesundheitsschutz der ArbeiterInnen vorangestellt werden. Zusätzlich verstärkt wird dies durch das prekäre Beschäftigungsverhältnis der Leiharbeit und eine Kündigungspolitik, die für hohe Arbeitsplatzunsicherheit sorgt.