Gesunde Arbeit

Ein Berufsleben für den ArbeitnehmerInnenschutz

Gesunde Arbeit im Gespräch mit Hofrat Ing. Friedrich Datzinger, Amtsleiter des Arbeitsinspektorats St. Pölten, anlässlich einer fast vier Jahrzehnte langen Tätigkeit im Sinne des ArbeitnehmerInnenschutzes.
Friedrich Datzinger
Friedrich Datzinger
Friedrich Datzinger, Leiter des Arbeitsinspektorats St. Pölten Friedrich Datzinger
Friedrich Datzinger, Leiter des Arbeitsinspektorats St. Pölten Friedrich Datzinger

Werter Kollege Datzinger, in welcher Zeit beginnen deine persönlichen Erfahrungen mit dem ArbeitnehmerInnenschutz?
Datzinger: 1977 bin ich in den Dienst des Arbeitsinspektorates getreten. Da war das Arbeitnehmerschutzgesetz 1972 noch nicht allzu lange in Kraft. Das war damals noch eine Zeit, in der wir, um Reisekosten zu sparen, zu dritt mit dem Dienstkraftwagen in einen Ort gefahren sind und dort möglichst viele Betriebe kontrolliert haben. Diese Kontrollen sind immer unangekündigt erfolgt und wir als Behörde waren dementsprechend nicht allzu gerne gesehene Besucher. Die Sicht auf uns als Berater, als jemand, der mit Wissen bei der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben unterstützt, hat sich in diesen 40 Jahren erst langsam entwickelt.

Heißt das, die Schwerpunkte der Tätigkeit des Arbeitsinspektorates haben sich grundlegend verändert?
Datzinger: Heute wickeln wir hier in St. Pölten jährlich rund 800 Kommissionen ab, in denen über die Genehmigung neuer Betriebsanlagen oder die Änderung von bestehenden verhandelt wird. Wir informieren, um ein Beispiel zu nennen, ganze Branchen vorab über geplante Schwerpunktkontrollen unsererseits, übergeben den Arbeitgebern Checklisten, anhand derer die Einhaltung gesetzlicher Verpflichtungen detailliert abgearbeitet werden kann, und besichtigen dann – weitgehend ohne Strafanzeigen erstatten zu müssen, kontrollierend und beratend – wieder alle Arbeitsstätten der betroffenen Branche. Der Fokus hat sich also von Kontrolle (ca. 50 Prozent) ganz stark zur Prävention und Beratung (ca. 25 Prozent) verschoben, eine Entwicklung, die ich sehr begrüße und die sich sicher in den nächsten Jahren fortsetzen wird.

Ein Meilenstein war dann wohl auch die Novellierung des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993?
Datzinger: Im Vorfeld des EU-Beitritts war ich eine Zeit lang in der Rechtsabteilung des Zentral-Arbeitsinspektorates tätig. Dort habe ich u. a. mitwirken dürfen, als das Arbeitsinspektionsgesetz novelliert wurde. Die ArbeitsinspektorInnen dürfen Mängel fotografieren, besser dokumentieren und so zur Beweissicherung in Verfahren viel beitragen. Auch wer rechtlich Arbeitgeber abweichend von gesetzlichen Regelungen vertritt, muss seit dieser Novelle dem zuständigen Arbeitsinspektorat gemeldet werden, ein wesentlicher Beitrag zur Klärung von verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeiten im ArbeitnehmerInnenschutz.

Wir von ÖGB und AK Niederösterreich sind sehr froh über das moderne ArbeitnehmerInnenschutzgesetz 1995. Was hat sich dadurch in deiner Arbeit verändert?
Datzinger: Nirgends, und darauf können wir zu Recht stolz sein, wurden bestehende österreichische Standards im ArbeitnehmerInnenschutz durch den EU-Beitritt nach unten korrigiert. Ganz im Gegenteil: Viele neue, ungemein wertvolle Regelungen wurden in nationales Recht übernommen. So wurde etwa festgelegt, dass für Betriebe ab dem ersten Arbeitnehmer alle Schutzvorschriften der Prävention gelten und nicht erst ab einer höheren Anzahl wie davor. Bis zu 50 ArbeitnehmerInnen kann jede Arbeitsstätte über AUVA-sicher kostenfrei die sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung in Anspruch nehmen.

Wir von der AK Niederösterreich arbeiten eng mit dem Arbeitsinspektorat zusammen. Dafür möchten wir uns an dieser Stelle herzlich bedanken!
Datzinger: Die ArbeitnehmerInnenschutzstrategie spricht klar die Vernetzung mit regionalen Partnern für mehr Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz an. Was lag also näher, als in verschiedenen Settings gemeinsam mit der Arbeiterkammer Informationen für Sicherheitsvertrauenspersonen, Organe der Arbeitnehmerschaft und andere Interessierte anzubieten. Nicht anders halten wir das übrigens auch mit der Wirtschaftskammer, auch hier informieren wir gemeinsam die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber über gesetzliche Vorschriften und deren effiziente und kostensparende Implementierung.

Was sind die Herausforderungen der Zukunft?
Datzinger: Insgesamt glaube ich, dass unser Weg nur richtig gewesen sein kann. Trotz einer Verdopplung der ArbeitnehmerInnenzahl hat sich die Anzahl der Arbeitsunfälle drastisch reduziert. Jetzt gilt es, mit derselben Entschlossenheit Verletzungen der Psyche entgegenzutreten. Leistungsverdichtung, ständige Reorganisation und eine permanente Steigerung des Arbeitstempos machen eine konsequente Umsetzung der gesetzlich vorgesehenen Evaluierung arbeitsbedingter psychischer Belastungen notwendig.

Ich danke für das Gespräch!
Interview: Hans-Joachim Haiderer, AK Niederösterreich

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